




Es ist schon lange kein Nischengeschäft mehr: Lebensmittel mit einem vermeintlichen Zusatznutzen für die Gesundheit machen schon fünf Prozent des gesamten Umsatzes in der Lebensmittelbranche aus, rechneten die Verbraucherzentralen aus. Doch viele der postulierten Effekte sind aufgeblasen oder unbewiesen.
Das zeigt ein aktueller Marktcheck der Verbraucherschützer, bei dem 46 Produkte mit Gesundheitswerbung untersucht wurden. In 29 Fällen, so die Verbraucherschützer, waren die Aussagen potenziell irreführend. Auf 22 der 46 Produkte wurde der Wortlaut von Gesundheitsversprechen in seiner Bedeutung unzulässig verstärkt.
So wurde beispielsweise aus der erlaubten Formulierung „trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei“ kurzerhand die Formulierung „leisten einen wichtigen Beitrag zum Aufbau und der Funktionsfähigkeit der körpereigenen Abwehrkräfte“. Diese Verfälschung sei jedoch laut europäischer Health-Claims-Verordnung nicht zulässig.
Beispiele für nicht zugelassene Claims
Hier wird auf einer bildlichen Darstellung angepriesen: Bifidus B(L)+ "Gesundes Wachstum" und "Unterstützung des Immunschutzes". Die Verbraucherschützer prangern an, dass Aussagen zu probiotischen Keimen abgelehnt wurden, optisch werde auf der Packung aber ein Bezug zur Aussage "gesundes Wachstum" hergestellt. Auch der Claim "Unterstützung des Immunschutzes" stehe auf keiner Positivliste der EU-Kommission.
Die Verbraucherzentrale prangert die Aussage "...enthalten die wertvollen Wachstumsbausteine Eisen, Jod, Zink" an. Für Zink sind zwar einige Health Claims zugelassen, es gibt jedoch weder einen speziellen Kinderclaim noch einen allgemeinen Claim zum Wachstum.
Die Behauptung "„Zur Unterstützung von Nerven und Muskeln (…) durch Magnesium und die 8 Vitamine des B-Komplexes ergänzt“ sei nicht für alle Vitamine des B-Komplexes zugelassen, kritisiert die Verbraucherzentrale.
Das Joghurt wird in der Kühlteke als "Verdauungsjoghurt" beworben. Diese Bezeichung ist laut den Verbraucherschützern nicht zugelassen.
Ein Hersteller verkündete auf dem Etikett, seine Kindermilch ermögliche „gesundes Wachstum“ - ein Gesundheitsversprechen, das nicht zulässig ist. Auf das Etikett dürfen nur solche Health Claims, die die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA erlaubt hat. Neun von zwölf Kinderlebensmitteln fielen durch solche unzulässigen Behauptungen beim Marktcheck auf.
Andere Hersteller hätten zwar erlaubte Claims benutzt, deren Aussagen aber auf eine Weise übertrieben, die nach Einschätzung der Verbraucherzentralen irreführend ist. Ein Beispiel ist das Pflanzenöl, mit dem Aufdruck „für ein gesundes Herz-Kreislauf-System“. Erlaubt ist lediglich der Hinweis, dass bestimmte Fettsäuren zu einer normalen Herzfunktion oder einem normalen Cholesterinspiegel beitragen. „Zu oft betreiben die Lebensmittelhersteller Schönfärberei auf dem Etikett“, sagt Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen.





Die Studie „Verbraucherwahrnehmungen von Lebensmittelverpackungen“ des Projekts Lebensmittelklarheit zeigt: Für die Kaufentscheidung von Verbrauchern ist der erste Eindruck entscheidend. Informationen auf der Rückseite, wie die gesetzlich vorgeschriebene Zutatenliste oder Nährwertinformationen, haben kaum noch Einfluss auf die geweckten Erwartungen.
Ein Beispiel: Den Hinweis „ungesüßt“ oder „ohne Zuckerzusatz“ verstehen über 90 Prozent der Verbraucher so, dass das Produkt keinen Zucker enthält. Über 50 Prozent der Befragten meinen, dass auch keine süßenden Zusatzstoffe (Zuckeraustauschstoffe, Süßstoffe) enthalten seien – ein Irrglaube.
Hinter welchen Bezeichnungen sich Zucker versteckt
Zuviel Zucker ist ungesund - das weiß jedes Kind. Doch die süße Zutat versteckt sich hinter allerlei Bezeichnungen. Ein Blick auf häufige Deklarationen, um den Durchblick zu wahren:
Das ist der gewöhnliche Haushaltszucker, der aus einem Molekül Glucose und einem Molekül Fructose besteht. Gewonnen wird er aus Zuckerrübe, Zuckerrohr und Zuckerpalme. Übrigens: brauner Zucker ist nicht gesünder als weißer. Beide haben gleich viele Kalorien (400 kcal pro 100 Gramm) und sind gleich schädlich. Weißer Zucker wird einfach häufiger gereinigt. Brauner Zucker kann zwar noch minimale Mineralstoff-Spuren enthalten, das ist aber so wenig, dass es gesundheitlich keinerlei Vorteil bringt.
Hinter dem Begriff Laktose verbirgt sich der Milchzucker. Er setzt sich aus einem Molekül Glukose und einem Molekül Galaktose zusammen. Für Menschen mit einer Laktoseintoleranz ist der Zucker problematisch: Sie können ihn nicht verdauen, was zu Blähungen und Durchfall führt. In der Lebensmittelherstellung ist Laktose beliebt, weil sie billig ist und damit eine cremige Konsistenz erzeugt werden kann, was zum Beispiel bei Schokoriegeln erwünscht ist.
Generell lässt die Endung -ose auf Zucker schließen, etwa Dextrose oder Fruktose.
Es ist ein Nebenprodukt der Käseverarbeitung und besteht zu etwa 72 Prozent aus Milchzucker.
Er wird auch als Glucose-Sirup, Bonbonsirup, Isoglukose, Corn Sirup oder Maiszucker bezeichnet. Es handelt sich um einen Zuckersirup, der durch enzymatische Aufspaltung einer stärkehaltigen Lösung entsteht und aus Glukose und Fruktose (in veränderlichen Anteilen) besteht. Er kann besonders billig aus Mais, aber auch aus Kartoffeln und Weizen gewonnen werden. Diese Zuckersirup-Arten werden vor allem für Pralinen, Riegel oder Frühstücksflocken als Bindemittel eingesetzt, weil sie so klebrig sind. Kalorientechnisch steht der Sirup dem Haushaltszucker in nichts nach.
Er wird mit Säure oder einem Enzym (der sogenannten Invertase) aus Saccharose hergestellt, die dabei in ihre beiden Bausteine Glukose und Fruktose zerlegt wird. Dadurch schmeckt er etwas milder und fruchtähnlicher. Invertzuckersirup wurde früher auch "Kunsthonig" genannt. In der Lebensmittelindustrie wird er ähnlich wie Glukosesirup eingesetzt, weil er nicht so leicht kristallisiert.
Maltose, der Malzzucker, ist ein Abfallprodukt in der Stärkeherstellung aus zwei Glukosemolekülen. Er entsteht zum Beispiel beim Bierbrauen. Zucker verbirgt sich außerdem hinter allen Bezeichnungen, die mit "Malto" beginnen, etwa Maltodextrin oder Maltoextrakt.
Er gilt als Alternative zum Zucker, enthält aber fast so viele Kalorien wie normaler Zucker, da er zu etwa 80 Prozent aus Zucker besteht. Verbreitet sind zum Beispiel Agaven- oder Apfeldicksaft.
„Hersteller müssen bei der Kennzeichnung die Erwartungen der Verbraucher berücksichtigen. Um Produkte klar zu kennzeichnen, brauchen sie Informationen darüber, wie Verbraucher die Angaben verstehen“, sagt Müller.
Auch mit Vitamin- und Mineralstoffbeimischungen soll vielen Lebensmittel ein gesundes Image verpasst werden. Bei über der Hälfte der geprüften Lebensmittel stammen die positiv hervorgehobenen Zutaten nicht aus dem Lebensmittel selbst, sondern wurden industriell zugesetzt.
„Bei etwa jedem dritten Produkt wurden Kennzeichnungsmängel festgestellt, obwohl die Health-Claims-Verordnung der EU klare Vorgaben macht“, kritisiert Armin Valet, Lebensmittelreferent und Mitautor des Marktchecks bei der Verbraucherzentrale Hamburg.
Die Verbraucherschützer fordern die Hersteller auf, sich auf zugelassene Gesundheitsversprechen zu beschränken. Außerdem dürften nicht länger Produkte mit Health Claims versehen werden, die einen hohen Zucker- oder Fettgehalt aufweisen.
Bei zehn von 33 Produkten, die im Marktcheck untersucht wurden, war dies der Fall. Nährwertprofile seien längst überfällig, die die Anforderungen an die Zusammensetzung von Lebensmitteln definieren, die Health Claims tragen dürfen.
Der Verbraucher hat kaum Chancen, die Tricksereien zu erkennen. Er müsste schon die etwa 250 bislang zugelassen Health Claims überblicken, sich Nährwertanalysen selbst besorgen um den Werbefallen zu entgehen, die im Supermarkt ausgelegt sind.