Familie Reimann Deutschlands geheimnisvollste Milliardäre

Von Kaffee und Parfüms über edle Schuhe bis zu Schmerzmitteln: Das Beteiligungsgeflecht von Deutschlands diskretester Industriedynastie Reimann ist mehr als 30 Milliarden Euro wert. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt: Das Markenkonglomerat baut auf ganz besondere Managementmethoden.

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Vermögensverwalter Harf Quelle: Montage WirtschaftsWoche/ Elke Bock/ IStock

Der Kunststoffboden vor dem Aufzug wirkt blass und abgetreten. Das Büro im Londoner Stadtteil Belgravia ist offen wie ein Loft, das Parkett stammt aus dem Baumarkt, und die langen Schreibtischplatten aus weißem Acryl sehen aus wie vom Möbeldiscounter Ikea. Wenn dann der Chef zur Begrüßung Sakko-frei und in Slippern ohne Socken daherkommt und persönlich den Kaffee holt, ginge JAB glatt als junge Internet-Bude durch.

Doch ein paar Dinge passen nicht dazu. Chef Peter Harf ist mit 68 Jahren für ein Web-Unternehmen etwas zu alt. Statt Start-up-Hektik verstrahlt er auch dank der nicht gebleichten Zähne und der nur leicht gebräunten Haut die gelassene Weisheit eines Grandseigneurs. Harf würzt sein Deutsch nicht mit Anglizismen im aufschneiderisch rollenden amerikanischen Akzent, mit dem Gründer gern ihre Weltläufigkeit unterstreichen. Und er hat auch nicht ständig sein Handy in der Hand.

Effizienz statt schneller Rendite

Denn obwohl JAB nur die zehnte Etage des wie aus gläsernen Legosteinen geschichteten Geschäftshauses unweit des Buckingham-Palastes belegt, ist sie doch eine hochrentable Unternehmensgruppe mit einem Wert von rund 30 Milliarden Euro. Sie ist spezialisiert auf die schönen Dinge des Lebens. Joop-Parfüm, Jimmy-Choo-Edel-Schuhe, Jacobs-Kaffee – und auf eine besondere Managementmethode, die alle Chefs ihrer Beteiligungen zu Miteigentümern macht. „Peter und JAB gehören zu den weltweit am meisten unterschätzten Geschäftsleuten“, sagt Ali Dibadj, Analyst beim New Yorker Brokerhaus Sanford C. Bernstein.

Die wichtigsten Marken des Reimann-Reiches

Aber die JAB Holding Company, wie das Unternehmen vollständig heißt, ist noch mehr: ein Familienunternehmen im Besitz der öffentlichkeitsscheuen Reimann-Dynastie und neue Art von Anlagegesellschaft für Superreiche. „Für unser Konzept gibt es noch kein Wort“, sagt Harf und liefert nach einer kurzen Denkpause eine Definition für seine Tätigkeit: „Wir sind keine detailversessene Konzernspitze, kein distanzierter Aufsichtsrat und erst recht kein auf rasche Rendite schielender Fonds“, sagt der hochgewachsene Macher. „Wir sind aktive Investoren, die eine Gruppe verwandter Beteiligungen effizienter machen will – mit langem Atem und im engen persönlichen Kontakt zu einem Management, das sich nicht als Angestellte sieht, sondern als Eigentümer.“

Nur wenige kennen JAB

JAB als Unternehmen kennen zwar nur Insider, aber die gut 100 dazuzählenden Marken gehören zum Alltag. Am Morgen erwecken mit Natreen gesüßter Jacobs-Espresso oder Senseo-Crema Millionen Konsumenten. Parfüms und Kosmetik wie David Beckham oder Manhattan sorgen für strahlende Gesichter und Wohlgerüche. Beim guten Aussehen helfen Edelpumps von Jimmy Choo, bezahlt aus Geldbörsen von Bally. Und immer herrscht gesunde Sauberkeit dank des Konsumgütergiganten Reckitt Benckiser mit Sagrotan, Nurofen-Fiebersaft oder Scholl-Fußpflege.

Was die Unternehmensanteile der Reimann-Holding JAB wert sind

So gesund wie JABs Nahrungsergänzung Megared ist die Bilanz. Zwar werden Harf und sein Team hier ungewohnt schmallippig. Doch die Palette von Hoffmann-Gardinenpflege über edel-verschlissene Belstaff-Motorradjacken bis zum Pickwick-Tee summierte sich 2014 laut Insidern auf einen Unternehmenswert von rund 24 Milliarden Euro und erwirtschaftete mindestens zwei Milliarden Euro Überschuss.

Wenn die Übernahme des Mondelez-Kaffeegeschäfts auch rechtlich abgeschlossen ist und die Gewinne bei allen Töchtern wie geplant steigen, klettert der JAB-Unternehmenswert in 2015 auf rund 30 Milliarden Euro (siehe Grafik rechts). Weitere Zukäufe besonders beim Kaffee sind ebenso im Visier wie neue Geschäftsfelder. So schluckte JAB im November 2014 die US-Bagelkette Einstein Noah und wagte den Einstieg ins Feld der Schnellrestaurants.

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