
Ein Hunsrücker Brotfabrikant, der nach Recherchen des Enthüllungsjournalisten Günter Wallraff wegen der Arbeitsbedingungen in seinem Betrieb vor Gericht kam, ist freigesprochen worden. Ihm war vorgeworfen worden, dass Mitarbeiter sich an einer veralteten Anlage mehrfach an den Armen verbrannten.
Dem ehemaligen Firmenchef sei nicht zweifelsfrei nachzuweisen, dass er für Verbrennungen seiner Mitarbeiter Verantwortung trage, entschied das Amtsgericht Bad Kreuznach am Donnerstag.
„Wie es zu den Verletzungen gekommen ist, das weiß der liebe Gott, ich kann da nur spekulieren“, sagte Richter Wolfram Obenauer. Auch Wallraff, der im Prozess als Zeuge ausgesagt hatte, habe nicht sicher dokumentieren können, wie es zu seinen Verbrennungen gekommen sei, sagte der Richter.
Wallraffs geheime Recherchen
Zwischen 1963 und 1965 schlich Wallraff sich in verschiedene Industriebetriebe ein. Darunter war auch ein Stahlwerk von Thyssen.
1969 erscheint das Buch, in dem Wallraff von seinen Erfahrungen in der Rolle eines Alkoholikers in einer Psychatrie, eines Studenten auf Zimmersuche oder etwa eines Obdachlosen berichtet.
1976 nahm Wallraff die Rolle eines Waffenunterhändlers an. So kam er in Kontakt mit dem ehemaligen Staatspräsidenten Portugals, General Spínola. Bevor dieser seinen geplanten Putsch durchführen konnte, ging Wallraff mit den Details an die Öffentlichkeit.
1977 schlich Wallraff sich für über drei Monate als Redakteur mit dem Namen "Hans Esser" bei der Bild-Zeitung ein. Über seine Erfahrungen in einer der Lokalredaktionen schrieb er ein Buch, in dem er der Bild-Zeitung unter anderem unsaubere Recherchemethoden vorwirft. Die Folge war eine Klage der Axel Springer AG. Der WDR produzierte dazu einen Dokumentarfilm, 1979 und 1981 erscheinen zwei weitere Bücher.
Zwischen 1983 und 1985 schlug Wallraff sich als türkischer Gastarbeiter bei Unternehmen wie McDonald’s und Thyssen durch. Auch dazu erschein ein Buch („Ganz unten“) in dem er seine negativen Erfahrungen schildert, außerdem gründete Wallraff einen Hilfsfonds mit dem Titel „Ausländersolidarität“.
Als türkischer Arbeiter mit dem Namen „Ali“ sprach Wallraff 1996 mit dem damaligen PKK-Führer Abdullah Öcalan. Dabei ging es um den kurdischen Dissidenten Selim Cürükkaya und dessen Buch „Die Suren Apos“, wegen dem ein Mordbefehl gegen ihn verhängt wurde.
Seit 2007 recherchiert Wallraff für das Zeit-Magazin. Seine erste Reportage führte ihn in ein CallOn-Callcenter, wo er am Telefon Systemlotto-Scheine von LottoTeam verkaufte. Dafür ließ er sich von Maskenbildnern 16 Jahre jünger machen. Hier prangerte er unter anderem die Belästigung von Angerufenen und Gesetzesverstöße an.
2008 arbeitete Wallraff ein paar Wochenlang bei der Gebr. Weinzheimer Brotfabrik. Deren alleiniger Abnehmer war zu dieser Zeit Lidl. Neben mangelnder Hygienebedingungen kritisierte Wallraff hier schlechte Bezahlung und Arbeitsbedingungen. 2010 wurde der Betrieb in Folge der Enthüllungen geschlossen.
Drei Monate lang recherchierte Wallraff in Obdachlosenheimen in Großstädten wie Köln und Frankfurt am Main, um im Zuge dessen zahlreiche Missstände aufzudecken. Dazu gehörten ein Mangel an Personal und Fälle von Gewaltanwendungen.
Als Somalier mit dunkler Hautfarbe getarnt reiste Wallraff 2009 als „Kwami Ogonno“ begleitet von einem Kamerateam durch Deutschland. Dabei stieß er oft auf rassistische Anfeindungen. Die Süddeutsche Zeitung hingegen kritisierte Wallraffs Methode selbst als rassistisch.
Wallraff hatte berichtet, er habe sich bei der Arbeit in dem Betrieb unter anderem am Kinn und an den Unterarmen verbrannt. Die Staatsanwaltschaft hatte für den Fabrikanten 4000 Euro Geldstrafe wegen fahrlässiger Körperverletzung und Verstößen gegen den Arbeitsschutz gefordert. Sein Verteidiger hatte auf Freispruch plädiert. Das Gericht habe die Aussage des Kronzeugen Wallraff sehr kritisch geprüft, sagte der Richter. Die Vernehmung habe ein anderes Bild vermittelt als Wallraffs Zeitungsartikel. Er wolle nicht in Abrede stellen, dass Wallraff sich verletzt habe.
Aber: „Weshalb er danach keinen Arzt aufgesucht hat, kann ich nicht verstehen“, sagte der Richter. Er müsse daher zugunsten des Angeklagten davon ausgehen, dass dieser die Vorschriften beachtet habe. Auslöser des Prozesses, der Anfang 2010 begonnen hatte, war eine Reportage Wallraffs in der Wochenzeitung „Die Zeit“, in der er die Zustände in der Brotfabrik anprangerte.
Er hatte einen Monat unter falschem Namen in dem Betrieb in Stromberg gearbeitet. Der Prozess hatte sich wegen Krankmeldungen und Befangenheitsanträgen immer wieder verzögert. Mittlerweile ist die Fabrik, in der Aufbackbrötchen für einen Discounter produziert wurden, geschlossen.