Fehler bei Marketplace Amazon stürzt Händler in Existenznot

Wegen eines Technik-Fehlers werden Tausenden Händlern auf dem Amazon Marketplace Guthaben nicht mehr ausgezahlt. Es geht um Millionen, einige Betroffene stehen vor der Insolvenz. Und Amazon kann keine Entwarnung geben.

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Amazon Marketplace: Amazon stürzt Händler in Existenznot Quelle: dpa

Weil Amazon einen technischen Fehler bei der Auszahlung von Guthaben nicht in den Griff bekommt, geraten zahlreiche Händler in schwere finanzielle Probleme. Nach einer Umfrage des Branchenverbands „Händlerbund“, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt, haben einzelne Marktplatzhändler zum Teil Außenstände von bis zu 450.000 Euro.

Amazon versucht seit Tagen, das Problem zu verharmlosen. Ein Sprecher sagte auf Nachfrage, Amazon arbeite „schnellstmöglich an einer Lösung“ des bereits seit Oktober bestehenden Problems. Es handele sich jedoch nur um ein „kleinen Teil an betroffenen Händlern“.

Ein Blick in die Praxis zeigt ein ganz anderes Bild: Auf einen Aufruf des Händlerbundes meldeten sich spontan 660 Händler, 94 Prozent von ihnen waren betroffen. Im Schnitt schuldete ihnen Amazon einen Betrag von rund 22.000 Euro. Insgesamt ging es allein bei den Händlern, die an der Umfrage teilgenommen hatten, um mehr als zehn Millionen Euro. „Die Ergebnisse haben uns überrascht, da im aktuellen Fall offenbar sehr viele Amazon-Händler betroffen sind und es sich zudem um enorm hohe Beträge handelt, die über mehrere Tage nicht abgerufen werden konnten“, sagt Franziska Ulbricht vom Händlerbund, der rund 70.000, meist kleine Onlinehändler vertritt. Probleme werden auch von Händlern in Großbritannien oder Frankreich berichtet.

Was Amazon präsentiert hat
David Limp, senior vice president of Devices and Services at Amazon, präsentiert den neuen Lautsprecher Echo (links) und Echo Plus. Amazons Echo-Serie habe sich besser verkauft als der ebenfalls sprachgesteuerte Lautsprecher Google Home, teilten die Marktforscher eMarketer mit. Die zum Dialog fähigen Sprachassistenten Alexa von Amazon und Google Home geben auf Nachfrage Auskunft zu allem, was sich im Internet finden lässt, lesen Rezepte vor und steuern im vernetzten Heim auf Befehl Licht, Musik, Fernseher oder Rollläden. Amazon setzt darauf, dass Verbraucher künftig auch Online-Bestellungen mündlich abgeben. Quelle: AP
Nach den beiden sprachgesteuerten Lautsprechern Echo und Echo Dot hat Amazon die Reihe mit Echo Show um einen Bildschirm erweitert. Google drehte Amazons Assistenten Echo Show sogleich den Zugang zu YouTube-Videos ab, wie beide Konzerne mitteilten. Das Aus sei ohne Vorwarnung an die Kunden und ohne Erklärung gekommen, monierte der weltgrößte Onlinehändler. "Es gibt keinen technischen Grund für diese Entscheidung, die enttäuschend ist und den Kunden von uns beiden schadet." Google wies die Vorwürfe zurück und sagte, die Entwicklung sei nach langen Verhandlungen mit Amazon absehbar gewesen. "Wir hoffen, dass wir ein Abkommen finden können und diese Probleme bald lösen", teilte Google mit. Quelle: AP
Daneben stellte Amazon auch den Echo Button vor. Für eine Trivia-Fragen-App fungierten die Knöpfe als "Buzzer". Quelle: AP
Auch in puncto Streaming-Hardware gibt es Neuerungen bei Amazon. Der Fire-TV-Stick unterstützt nun 4K, HDR und Dolby Atmos. Für 80 Euro landet der Streaming-Stick im deutschen Handel und soll ab dem 25. Oktober ausgeliefert werden. Quelle: AP

„Wir machen uns große Sorgen“, sagt Mike Michael vom Werkzeughandel „Schraube & Co.“ aus Heidenau in Sachsen. „Wir haben seit dem 30. Oktober keine Zahlung mehr bekommen, Amazon schuldet uns 63.000 Euro.“ Immerhin habe er jetzt nach massivem Drängen eine E-Mail bekommen, dass das Geld in den nächsten drei bis fünf Tagen überwiesen werde.

„Die Gebühren zieht Amazon sofort ein, aber wenn es ein Problem gibt, unterstützen sie uns nicht“, schimpft Michael. Sie hätten Amazon aufgefordert, die mehr als 1000 Euro an Überziehungszinsen zu ersetzen, die in der Zwischenzeit aufgelaufen seien, aber der Marktplatzbetreiber habe sich geweigert.


„In einer Woche sind wir pleite“

Andere hat es noch schlimmer getroffen. „In einer Woche sind wir pleite“, klagt ein Händler, der namentlich nicht genannt werden möchte. „Denn dann können wir nicht mehr liefern, weil wir keine Ware mehr einkaufen können.“ Der Zeitpunkt ist heikel, denn jetzt bestellen viele Händler noch Ware für das wichtige Weihnachtsgeschäft. „Der wichtigste Monat im ganzen Jahr wird uns gerade zerstört“, stöhnt ein anderer Händler. Gerade kleinere Firmen, die fast ausschließlich über den Amazon-Marktplatz verkaufen, sind häufig an der Grenze angelangt. Einige mussten sogar schon Mitarbeiter entlassen, heißt es beim Händlerbund.

„Wir sind zum Glück nicht so stark auf Amazon angewiesen“, berichtet Mükerrem Weinand, Geschäftsführerin des Modeversands „Dein Wunderland“ aus Köln. Ihr Unternehmen macht nur 30 bis 40 Prozent des Umsatzes über Amazon, den Rest über andere Marktplätze und den eigenen Webshop. Doch auch sie treffen die Außenstände, die sie seit Oktober hat, empfindlich.

„Es tut uns weh, noch Ware zu verschicken, ohne zu wissen, ob und wann wir das Geld dafür bekommen“, sagt Weinand. „Wir sind mittlerweile schon ganz vorsichtig, welche Teile wir noch bei Amazon einstellen.“ Was sie besonders entrüstet, ist die Behandlung durch Amazon. Zuerst seien sie nur vertröstet worden, dann habe das Unternehmen ein technisches Problem eingeräumt und schließlich musste sie zahlreiche Belege und Nachweise beibringen, obwohl das Konto schon seit Jahren besteht. Ganz so, als ob das Problem bei ihr liege.

Das Dilemma: Wegen der hohen Reichweite von Amazon kann kaum ein kleinerer Onlinehändler auf den Verkauf über diese Plattform verzichten. Über den Amazon Marketplace läuft ein gutes Viertel des kompletten deutschen E-Commerce im Gesamtvolumen von fast 50 Milliarden Euro. Wenn man den Umsatz von Amazon über seinen eigenen Onlineshop dazurechnet, beherrscht der Gigant schon mehr als 40 Prozent des Onlinehandels in Deutschland.

Auch wenn es jetzt vereinzelt wieder Auszahlungen an Händler gegeben hat und weitere Zahlungen angekündigt sind, kann Amazon nicht genau sagen, ob das Problem grundsätzlich gelöst ist. Doch bis irgendwann die Techniker Entwarnung geben, können viele kleine Onlinehändler nicht warten. „Wir gehen davon aus, dass derzeit alle Kräfte auf die Problemlösung ausgerichtet sind“, mahnt Franziska Ulbricht vom Händlerbund, „und Amazon bei etwaigen Schäden gemeinsam mit dem Händler eine Lösung findet.“

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