Fischerei Leere Meere, volle Teller

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Gier der Verbraucher nach Lachs, Dorade und Co.

Thunfische in einer Fischmarkthalle in Tokio: In Japan werden 50 bis 100 Kilogramm Fisch pro Kopf und Jahr verzehrt - ein Mehrfaches des deutschen Konsums. Quelle: dpa

Bereits im Vorfeld der Beratungen waren Umweltschützer skeptisch, ob die EU-Minister den ehrgeizigen Plänen von Damanakis folgen würden. In der Nordsee etwa ist der Kabeljau-Bestand inzwischen so in Gefahr, dass Wissenschaftler seit Jahren empfehlen, die Fangquote auf null zu setzen. Die Fischereiminister der EU-Mitgliedsstaaten jedoch setzten sich immer wieder über diese Empfehlung hinweg.

Nun sehen sich Naturschützer in ihren Befürchtungen auf das Schlimmste bestätigt. Denn der jetzt von den EU-Ministern ausgehandelte Kompromiss wird vielen dienen – nur nicht dem Schutz der Fische. Die Verpflichtung zu nachhaltiger Fischerei wurde verschoben. Statt von 2015 an – wie noch 2002 beschlossen – soll sie erst von 2020 an gelten. Auch das Rückwurfverbot hielten die meisten Minister im Prinzip für wichtig, auf einen Termin für seine Einführung wollten sie sich aber nicht festlegen. So lange sind Fischer weiterhin nicht gezwungen, ihren Beifang zu reduzieren. Was schließlich übertragbare Fangquoten angeht, nahm man von Zwangsregelungen Abstand. Stattdessen bleibt es den einzelnen Mitgliedsstaaten überlassen, freiwillig Regelungen einzuführen. Ein Ende des Raubbaus an den Meeren rückt damit weiter in die Ferne.

Für den Fischereibiologen Rainer Froese hängt das auch damit zusammen, dass die Fischereiminister den Landwirtschaftsministerien untergeordnet sind. Diese sähen ihre Aufgabe vorrangig darin, die Fischereiwirtschaft zu fördern. Froese, der am Geomar-Institut in Kiel im Exzellenzcluster »Ozean der Zukunft« arbeitet, plädiert dafür, die Fischereipolitik den Umweltministerien anzugliedern. Die Umweltminister, so hofft er, würden sich eher um den Schutz der Fische kümmern.

Liegt die Schuld also bei der Politik? Nicht nur. Die Nachfrage nach dem vielen Fisch bedient jeder Einzelne, der ihn sich schmecken lässt. Gerade die wachsende Gier der Verbraucher nach Lachs, Dorade und Co. wird zum Problem für die Meere. Wer deren Überfischung stoppen will, muss bei seinem eigenen Teller anfangen. Noch wird Deutschland von Ländern wie Norwegen oder Japan bei Weitem übertroffen. Dort werden sogar 50 bis 100 Kilogramm Fisch pro Kopf und Jahr verzehrt, also ein Mehrfaches des deutschen Konsums. Doch auch unsere Essgewohnheiten bedrohen die Bestände zunehmend.

Auf Fisch aus Aquakulturen zurückzugreifen ist keine Lösung. Zwar kommt ein knappes Drittel der Fische hierzulande aus Fischfarmen. Doch auch die Fischzucht trägt – so paradox das klingt – zur Überfischung bei. Der meistgefangene Fisch der Welt, die Peruanische Sardelle, wird zum größten Teil zu Fischmehl verarbeitet. Damit wird dann etwa Lachs in Aquakulturen gefüttert. Bis zu fünf Kilo Sardellen sind nötig, um ein Kilo Lachs zu erzeugen. Zudem treten bei der Fischzucht im großen Stil ähnliche Probleme auf wie bei der Massentierhaltung an Land.

Die konsequenteste Reaktion wäre natürlich: gar keinen Fisch mehr essen. Wer auf dessen Geschmack und Nährstoffe nicht verzichten will, der kann zumindest Fisch sehr bewusst einkaufen. Das ist komplizierter als bei anderen Lebensmitteln, aber es ist möglich. Der Druck von Umweltverbänden und Verbrauchern hat bereits dazu geführt, dass die Hersteller von Tiefkühlfisch immer detaillierter angeben, woher der Fisch stammt. Er kann dazu führen, dass nur noch Fisch aus gesunden Beständen verkauft wird. Das ist dann weniger – aber besser für die Meere.

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