Fleischalternativen Ist die Erbse das bessere Fleisch?

Fleischalternativen werden immer gefragter. Sie können auch aus Erbsen sein. Quelle: REUTERS

Fleischersatzprodukte boomen. Nicht mehr nur aus Soja, sondern auch aus Erbsen werden Fleischalternativen hergestellt. Könnten die echtes Fleisch irgendwann ersetzen?

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Burgerpattys, Hack, Geschnetzeltes: Immer mehr Fleischprodukte gibt es mittlerweile in der Veggie-Alternative. Fleischhersteller und fleischfreie Start-ups schwenken um auf Ersatzprodukte aus Soja, Lupinen aber auch aus Erbsen. Kommen die Alternativen ans „echte“ Fleisch vom Tier heran? Und ist die Erbse vielleicht sogar das bessere Fleisch?

Immer mehr Deutsche ernähren sich fleischfrei. Die Zahl der Vegetarier, also der Menschen, die weder Fisch noch Fleisch essen, stieg laut einer Allensbach-Studie 2021 um eine Million auf mittlerweile 7,5 Millionen Menschen. Laut einer Umfrage der PHW-Gruppe, einem deutschen Geflügelzüchter, zu dem unter anderem die Marken Wiesenhof und Bruzzler gehören, bezeichneten sich 44 Prozent der Befragten als Flexitarier – konsumieren also nur selten oder ab und zu Fleisch.

Damit steigt die Nachfrage nach vegetarischen oder veganen Alternativen zu Bratwurst, Mortadella und Co, auf die auch die Unternehmen eingehen: So haben sie in Deutschland 2020 39 Prozent mehr Fleischersatzprodukte hergestellt als im Vorjahr, der Wert der Produkte erhöhte sich laut Statistischem Bundesamt von rund 270 Millionen Euro auf etwas mehr als 370 Millionen Euro. 2021 wurden in Deutschland 98.000 Tonnen Lebensmittel im Wert von 458 Millionen Euro hergestellt. Die Menge stieg damit im Vergleich zum Jahr zuvor um 17 Prozent, der Wert der Waren sogar um 22,2 Prozent.

Verglichen mit dem „echten“ Fleisch ist der Anteil aber noch gering: Fleisch und Fleischerzeugnisse generieren mehr als das Hundertfachte des Wertes der Fleischersatzprodukte. Trotzdem sank der Wert des produzierten Fleisches um vier Prozent. Fleischersatzprodukte sind also im Trend. Und auch im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung steht: „Wir stärken pflanzliche Alternativen und setzen uns für die Zulassung von Innovationen wie alternative Proteinquellen und Fleischersatzprodukten in der EU ein.“

Die Nachfrage nach Erbsenprotein steigt parallel dazu. Der Marktanalyse-Dienst Future Market Insights prognostizierte bereits 2021 einen weltweiten Umsatz mit Erbsenprotein für das Jahr in Höhe von 1,25 Milliarden US-Dollar. Bis 2031 könnte der Marktwert den Analysten zufolge auf 2,5 Milliarden US-Dollar steigen. Doch hat die Erbse das Zeug dazu, das bessere Fleisch zu sein?

Die Erbse und ihr positives Image

Julia Sackers kennt sich aus mit Soja, Lupinen und Erbsen. Für das Start-up The Green Mountain, das zum Schweizer Fleischkonzern Bell Food Group gehört, entwickelt sie Fleischersatzprodukte. Mittlerweile macht der Konzern ein Fünftel seines Umsatzes mit den vegetarischen Alternativen. Und Sackers ist die, die mit den Rohstoffen hantiert und daran arbeitet, fleischfreie Steaks, Putenbrust und Fleischkäse möglichst fleischähnlich wirken zu lassen.

Den größten Vorteil an der Erbse als Fleischersatz sieht sie im positiven Image: „Die Erbse ist regional, jeder kennt sie, jeder isst sie, sie ist sehr positiv behaftet.“ Anders als Soja etwa, das in Europa immer noch ein schlechtes Image habe. Erbsen seien als Basisrohstoff vor allem für Burger gut geeignet, für Hackfleisch, viele Würste oder Fleischkäse, sagt Sackers.

Für Stephanie Wunder, Koordinatorin der Bereiche Ernährung und Landnutzungspolitik vom Ecologic-Institut ist die Erbse ebenfalls eine gute Fleischalternative: „Der Erbsenanbau hat in Deutschland eine sehr gute Zukunft.“ Einerseits wachse sie hierzulande gut und habe einen hohen Proteingehalt. Andererseits verbessere sie den Boden ohne synthetische Düngemittel. Denn Erbsen können Stickstoff aus der Luft ziehen und im Boden binden.

Das, was Sackers für die Veggie-Produkte verarbeitet, ist meist nicht die klassische grüne Erbse, die auf deutschen Tellern verspeist wird, sondern die gelbe Schälerbse, die einen höheren Proteingehalt hat. Und was bei ihr als Rohstoff von den Zulieferern ankommt, sind Erbsen in Pulverform oder als Texturate. Damit experimentiert sie dann weiter und entwickelt das gewünschte Produkt. „Die Faserausrichtung und damit der Biss sind der heilige Gral der Fleischimitate,“ sagt Sackers. Also die Konsistenz von echtem Fleisch möglichst gut zu imitieren. Aber wie gesund ist das Ganze eigentlich?

„Wer Fleischersatzprodukte aus Erbsen isst, nimmt ja nicht nur Erbsenprotein zu sich,“ sagt Wunder vom Ecologic Institut. Ob Fleischersatz aus Erbsen also gesünder ist als Fleisch vom Tier, liegt immer auch daran, wie es weiterverarbeitet wird. „Die Frage ist immer, welche Zutaten sind da noch drin? Vor allem, wie viel Salz und Fett.“

Michael Käfer und Joko Winterscheidt investieren in Erbsenprotein-Start-up

Generell gilt aber, dass Erbsenprotein viel Eiweiß beinhaltet, Vitamine, Mineralien und Ballaststoffe. Aus Umweltsicht schneiden Fleischalternativen besser ab als tierisches Fleisch: Sie verursachen weniger Treibhausgase, verbrauchen weniger Wasser und Flächen als Rindfleisch, Schweinefleisch oder Geflügel.

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Das Münchner Erbsenprotein-Start-up Greenforce etwa gibt an, dass für die Produktion von 100 Gramm seines Erbsenproteins 48 Prozent weniger Land und 8-mal weniger Wasser benötigt werde als für 100 Gramm Rindfleischprotein. Außerdem stoße die Herstellung von Erbsenprotein 113-mal weniger CO2 aus. In der jüngsten Finanzierungsrunde sammelte das Start-up 15 Millionen Euro ein, unter anderem von Michael Käfer und Joko Winterscheidt.

Dass Erbsen, Soja und Co. Fleisch bald ganz ersetzen glaubt aber weder die Food-Entwicklerin noch die Ernährungsexpertin. Für Sackers und die Veggie-Marke des Fleischherstellers Bell Group besteht die Zielgruppe der Veggie-Produkte hauptsächlich aus Flexitariern. „Von Vegetariern habe ich öfter die Rückmeldung bekommen, das schmecke zu stark nach Fleisch – für mich eigentlich ein Kompliment.“

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Und Wunder gibt zu bedenken, dass Deutschland erst einmal die Anbaustrukturen schaffen müsste, um deutlich mehr Obst und Gemüse anbauen zu können, auch wenn das Potenzial theoretisch da wäre: Bisher wird der Großteil der angebauten Erbsen in Deutschland als Tierfutter verwendet und nicht als direktes Lebensmittel für uns Menschen.

Transparenzhinweis: Dieser Artikel erschien erstmals im Dezember 2021 bei der WirtschaftsWoche. Er wurde redaktionell im Mai 2022 aktualisiert. Wir zeigen ihn aufgrund des hohen Leserinteresses erneut.

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