Das Unternehmen wuchs in ersten Jahren nach der Gründung erfreulich, blieb aber bis Mitte der Neunzigerjahre beim Umsatz unter umgerechnet 10 Millionen Euro. Der große Schub kam mit der Internationalisierung. Auch hier ging die Familie einen ungewöhnlichen Weg. Statt im nächstbesten Nachbarland den Auslandsmarkt anzutesten, entschloss sich Dimitris Koutsolioutsos mit fast 40-jähriger Verspätung seinen Japan-Traum zu verwirklichen und eröffnete 1995 den ersten Folli-Follie-Laden jenseits der griechischen Grenzen in Tokio. Noch im gleichen Jahr startete die Familie mit Boutiquen in Guam und Hawaii, den bevorzugten Reisezielen japanischer Touristen, aber auch in New York.
Japan ist mit 73 Verkaufsstellen von weltweit rund 590 Verkaufsflächen noch immer einer der stärksten Märkte der Gruppe. Anders als in Deutschland kennt in Japan jedes Kind Folli Follie. Die Marke rangiert in Nippon inzwischen unter den zehn bekanntesten Accessoires- und Luxusmarken. Trotz der Erfolge im Ausland bleibt Griechenland heute mit 26 Prozent des Umsatzes von weltweit 1,11 Milliarden Euro (2012) noch ein beachtlicher Markt – auch wegen der drei Kaufhäuser, die Folli Follie in Athen und Thessaloniki betreibt und wegen des Handelsgeschäftes mit Sport- und Modeläden in Griechenland und einigen Nachbarländern. Die Krise haben die Koutsolioutsos’ nach typischer Manier eines Familienunternehmens gelöst: Es gab in Griechenland keine betriebsbedingten Entlassungen, aber die Angestellten verzichteten auf 15 Prozent ihrer Bezüge. Alle Geschäftsabläufe wurden durchleuchtet; die Mieten für die Läden im Fremdbesitz um die Hälfte gekürzt.
Die Zukunft von Folli Follie aber liegt in Asien, wo die Gruppe inzwischen fast zwei Drittel ihres Umsatzes macht. Vor allem in China legt die Marke zu. Im Reich der Mitte geht die Familie nach einem ähnlichen Muster wie seinerzeit bei der Gründung in Griechenland vor: Sie profitiert von der wachsenden Mittelschicht, die sich Armbänder von Cartier oder die Handtaschen von Hermès zum Preis von umgerechnet mehreren tausend Euro nicht leisten kann, aber auf schicke Accessoires für hundert oder 200 Euro nicht verzichten will.
Das boomende China-Geschäft ist auch der Grund, warum die Familie das Geschäft in Deutschland im Jahr 2006 – nur zwei Jahre nach dem Anlauf - wieder zurück gefahren hat. „Wir können mit gleichen Investitionen in China viel mehr erreichen“, heißt es in der Zentrale im Athener Vorort Agios Stefanos. Auch die Trennung von der Reisehandelstochter Hellenic Duty Free, dient vor allem zur Verstärkung der Feuerkraft in China. Mit dem Verkauf konnte Folli Follie seine Bilanz erheblich stärken. Die Restbeteiligung von 49 Prozent ging vor zwei Wochen an den Schweizer Duty-Free-Händler Dufry, der im Frühjahr bereits 51 Prozent der Anteile gekauft hatte. Folli Follie ist im Gegenzug mit vier Prozent an dem Schweizer Unternehmen beteiligt und verfügt damit einen Steigbügel für das internationale Duty-Free-Geschäft, den es mit Hellenic Duty Free, die nur in Griechenland aktiv war, nicht hatte. Erster Schritt soll die Eröffnung von Folli-Follie-Shops auf brasilianischen Flughäfen sein.
Dass Folli Follie weltweit weiter zulegt, liegt auch im Interesse von Guo Guangchang, Mitgründer und Vorstandvorsitzender der chinesischen Holding Fosun. Guo, der im Reich der Mitte häufig als der „chinesische Warren Buffett“ bezeichnet wird, stieg mit seiner Gruppe vor zwei Jahren bei Folli Follie ein und hält heute rund 14 Prozent des Unternehmens, das seit 1997 an der Börse gelistet ist. Ein weiteres Paket von rund sieben Prozent befindet sich in Händen von Fidelity Investment.
Die Gründerfamilie begnügt sich heute mit 39 Prozent der Anteile. Von einer spürbaren Verwässerung des Einflusses kann jedoch keine Rede sein. Sohn Georgios ist seit Anfang 2011 Vorstandsvorsitzender, Vater Dimitris sitzt dem Verwaltungsrat vor, in dem auch Mutter Ketty Koutsolioutsos vertreten ist. Und wie in den frühen Tagen des Unternehmens liegt die Verantwortung für das Design der Marke noch immer in Händen der Mutter.
Die Mehrheit der Verwaltungsräte folgt bei den Abstimmungen ohnehin den Familienvertretern – aus gutem Grund. „Seit über dreißig Jahre ist die Familie der Garant für den Erfolg“, sagt ein Athener Branchenanalyst, „die familienfremden Aktionäre wären ganz schön blöd, wenn sie die Familie vergraulen würden.“