Frachtflieger boomen dank Corona Wie ich mit einem Frachtflugzeug Millionär werden wollte

Frachtflugzeuge sind gefragt wie nie wegen der Coronakrise. Quelle: dpa

Während die Flugpassagierzahlen durch die Coronakrise gegen Null laufen, sind Frachtflieger angesagt wie nie. Ist das die Chance aufs schnelle Geld? Unser Autor begibt sich auf die Suche nach einem eigenen Jet.

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Die Lufthansa kämpft um ihre Zukunft, Germanwings wurde schon eingestampft und auch den Airlines aus den Emiraten geht es schlechter. Die Coronakrise hat den Passagierflugverkehr auf der Welt schlagartig beinahe zum Erliegen gebracht. Doch während Touristen und Geschäftsreisende aktuell noch weitestgehend auf ihre Flüge verzichten müssen, können sich Frachtflieger kaum vor Anfragen retten – Corona sei Dank. Normalerweise wird von den weltweit jährlich etwa 55 Millionen Tonnen Luftfracht nur die Hälfte mit Frachtfliegern verschickt. Die restlichen 27,5 Tonnen machen sich im Bauch von Passagierflugzeugen auf den Weg, die jetzt aber größtenteils am Boden stehen.

Liegt hier vielleicht die Chance auf ein großes Geschäft? Auch Lufthansa-Cargo bestärkt mich in der Annahme, dass Frachter gefragt sind wie nie. Von einer Sprecherin heißt es: „Alle 17 Frachter von Lufthansa Cargo sind derzeit im Einsatz. Zudem werden noch weitere Passagiermaschinen für den reinen Frachttransport eingesetzt, um die Lieferketten aufrecht zu erhalten und Europa mit dringend benötigten Gütern zu versorgen.“

Da helfe ich gerne mit! Flugzeug kaufen, umbauen, mit liegengebliebener Luftfracht vollladen, den Jet an eine Airline vermieten, abheben, Millionär werden. Das klingt für mich nach einem guten Plan.

Eine Boeing 747 zum Mitnehmen, bitte

Schritt 1 scheint mir der größte Knackpunkt zu sein. Wie soll ich an ein Flugzeug kommen, ohne Flugschein und Erfahrung im Cargo-Bereich? Zum Glück hilft, wie so oft, das Internet weiter. Ich stoße schnell auf die Seite controller.com, den Online-Auftritt eines US-Fachmagazins für Flugzeuge. Als Ergänzung neben zahlreichen News-Updates aus der Fliegerbranche finde ich auf der Seite eine Suchmaschine für Flugzeuge.

Laut Aussage von controller.com enthält die „tausende zum Verkauf stehende Flugzeuge, darunter Teile, Komponenten und Bergungsflugzeuge.“ Genau danach habe ich gesucht! Quasi ein Ebay für Flugzeuge. Der erste Treffer ist eine Boeing 747 von 1991 mit 85 Sitzen. Preis: 14 Millionen Dollar, dazu kämen noch die Umbaukosten. Das ist happig. Ein paar Flieger weiter entdecke ich wieder eine 747 von 1995, ohne Sitze.

Klingt schon besser. Anbieter ist eine Verkaufs- und Leasingfirma mit Sitz in Kalifornien. Ich schreibe der Firma: „Wie teuer ist die von Ihnen angebotene Boeing 747? Können Sie mir bitte weitere Details schicken wie Reichweite und Fassungsvermögen?“ Während ich auf Antwort warte sichte ich den Frachtflugzeug-Markt. Vorbereitung ist schließlich alles:

Vor der Coronakrise kostete es nur drei bis vier Dollar, ein Kilogramm Fracht von China nach Europa zu bringen. Jetzt darf man gerne 13 bis 15 Dollar nehmen. Bei einer Nutzlast von rund 70.000 Kilogramm für eine 747 wären das, laienhaft gerechnet, immerhin etwas über eine Million Dollar an Einnahmen für einen Flug. Dazu ist der Sprit momentan besonders billig mit je 300 Dollar. Das macht bei 200 Tonnen, die ich brauche, 60.0000 Dollar. Für Piloten und Landeerlaubnisse plane ich nochmal einige tausend Dollar ein. Das könnte sich lohnen!

Acht Millionen Dollar und ein C-Check

Die Antwort der Kalifornier lässt drei Tage auf sich warten. Immerhin schreibt mir der Präsident des Anbieters persönlich. Bei der angebotenen Boeing handelt es sich um einen VIP-Flieger. Ich könnte den Jet für 5,5 Millionen Dollar mit zwei Ersatztriebwerken oder für 8,5 Millionen Dollar kaufen, dann aber frisch lackiert und mit C-Check. Neben dem grundsätzlichen Problem, dass ich nicht weiß, was mein Kontaktmann mit einem C-Check meint, stellen mich auch Preis sowie VIP-Ausstattung vor eine Herausforderung. Auf Fotos sehe ich, dass luxuriöse Ledersofas, Fernseher und eine Bar in dem Flieger verbaut sind. Ich will aber keine Businessgäste, sondern Fracht um die Welt fliegen.

Meine letzte Anlaufstelle sind die Elbe-Flugzeugwerke (EFW) in Dresden. In den Hangars des Unternehmens werden Passagierjets zu Frachtern umgerüstet. Dabei hat sich EFW auf Airbus spezialisiert, wie ich von Anke Lemke, Pressechefin des Unternehmens, erfahre. Sie glaubt, dass der Plan wenig erfolgversprechend ist, da Flugzeuge als Investitionsobjekt ein hochspezialisierter Geschäftsbereich seien, den viele Airlines nicht selbst managen, sondern an Leasinggesellschaften outsourcen.

Dazu sieht sie in meinem Projekt noch ein anderes Problem: „Maschinen lassen sich zwar zu Frachtern umbauen, allerdings liegt die Wartezeit dafür bei uns momentan aufgrund der hohen Nachfrage bei etwa ein bis zwei Jahren.“ Und auch der kurzfristige Umbau von Passagiermaschinen zu Frachtern sei, wie es viele Airlines momentan machen, keine dauerhafte Lösung. „Denn die Fracht kann nicht zügig in Container verladen werden, sondern muss aufwändig als Einzelstücke durch die Passagiertür vorbei an engen Eingangs- oder WC-Bereichen und auf Sitzen oder im leeren Flugzeug festgezurrt und befestigt, und genauso aufwändig wieder entladen werden.“

Für mich bedeutet das: Viel Aufwand beim Beladen und wenig Spielraum bei der zu befördernden Fracht. Denn Sicherheitsstandards, wie ich sie etwa beim Transport von Chemikalien und Elektronik bräuchte, kann ich so nicht einhalten. Ob ich auch 15 Dollar für den Transport von einem Kilogramm Bücher bekomme? Ich glaube nicht. Dazu kommen in meine Bilanz auf der Passiva-Seite leider noch Faktoren hinzu, an die ich erst nicht gedacht habe: Circa ein Viertel meiner Einnahmen würde an den Frachtvermittler gehen. Ich hätte einen Leer-Flug nach China, also nur halbe Einnahmen und nach jeder Landung stehen technische Prüfungen an.

Lieber Milliardär als Millionär

Eine weitere Antwort der Lufthansa Cargo ernüchtert mich zusätzlich. Schließlich hätte ich der Airline gerne meinen umfunktionierten Frachter zur Verfügung gestellt. Aber: „Durch die flexible Steuerung und schnelle Anpassung des Flugplans ist es Lufthansa Cargo sehr gut gelungen, alle eigenen Flugzeuge effizient entlang des Bedarfs einzusetzen.“ Und mit dem zusätzlichen Einsatz der Passagiermaschinen sei der erhöhte Bedarf an Luftfrachtkapazitäten mit eigenen Jets gut bedient worden, erfahre ich aus Frankfurt.

Die Antwort auf das Boeing-Angebot aus Kalifornien spare ich mir erstmal. Das Projekt „Frachtflugzeug“ ist dann doch sehr teuer und unabwägbar. Oder wie es in einem Kalauer heißt: Wie wirst du am schnellsten Millionär? Indem du als Milliardär eine Airline kaufst. Auf mich trifft das aber nicht zu.

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Weil Passagierflüge entfallen, sind Frachtflugzeuge in der Coronakrise ausgebucht. Manche Airlines schnüren schon Kartons auf die Sitze, andere bauen eilig um. Und der fast aussortierte A380 könnte doch noch zu etwas gut sein. Wie das funktioniert, lesen Sie hier.

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