Frauen im Weinberg „Mädels haben mehr Biss“

Junge Winzerinnen übernehmen zunehmend das Management von Weingütern. Eine von ihnen ist Lisa Bunn in Rheinhessen. Nach wie vor wird sie von Männern belächelt. Sie lächelt zurück und produziert weiter exzellenten Wein.

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Bunn ist eine der jungen Winzerinnen, die die Männerbranche Weinbau langsam umkrempeln. Quelle: dpa

Nierstein Mit ihrem Geländewagen kurvt Lisa Bunn durch die Weinberge. Sie grüßt einen Arbeiter, der Laub von den Rebstöcken schneidet, und weicht einem Touristen-Mobil aus, in dem Besucher die Hügel links des Rheins hinauf und hinab fahren, während sie den hier produzierten Rheinhessen-Wein trinken.

Am Roten Hang im rheinland-pfälzischen Nierstein hält die 28-Jährige an. „Das ist roter Ton-Sandstein, in schieferähnlichen Platten. Hoher Steinanteil, wenig Humus. Der Boden speichert durch die dunkle Farbe viel Wärme, die er nachts an die Pflanzen abgibt. Das alles zeichnet den Riesling hier aus“, erklärt sie.

Bunn ist eine der jungen Winzerinnen, die die Männerbranche Weinbau langsam umkrempelt. Die neue Generation hält sich nicht mehr im Hintergrund, sondern übernimmt Betriebe. Die rund 200 Top-Weingüter in Deutschland mit Prädikat sind zunehmend in weiblicher Hand: 38 Inhaberinnen zählt der VDP. „Es ist jetzt gang und gäbe, dass Frauen diesen Beruf ergreifen“, sagt Stefanie Dreißigacker von Vinissima, einem Berufsnetzwerk für Frauen in der Weinbranche.

Die meisten dieser jungen, gut ausgebildeten Frauen sind ehrgeizig. Sie werfen die rustikalen Möbel der Eltern raus, lassen neue Logos designen und setzen auf Premiumweine. Lisa Bunn strich die 45 Posten umfassende Karte ihres Vaters mit halbtrockenen und lieblichen Weine aus Bacchus, Kerner, Huxelrebe und Ortega rigoros zusammen. Sie pflanzt lieber Riesling, Chardonnay und Burgunder-Rebsorten. Statt „Margarethenhof“ - nach der Uroma - steht auf der Vinothek in Nierstein nun „Lisa Bunn“.

„Trotzdem wird man als Frau oft immer noch belächelt“, sagt Bunn, die mit ihren grazilen Schritten und keck zur Seite geflochtenen Haaren viel jünger als ihre 28 Jahre wirkt. „Viele Männer, vor allem mittleren Alters, denken von uns: Das ist die Tochter, das ist die Ehefrau. Was bildet die sich ein, sich als Winzerin zu bezeichnen?“, sagt Bunn.

Dabei hat selbst der Gourmet-Führer Gault Millau ihr vor zwei Jahren gratuliert. „Kompliment an Jungwinzerin Lisa Bunn“, hieß es da. 2011 hatte sie - die drei Jahre zuvor noch rheinhessische Weinkönigin war - im Familienbetrieb die Aufgabe der Kellermeisterin übernommen. Im kommenden Jahr geht ihr Vater in den Ruhestand.


Der Weinbaus war eine reine Männerdomäne

Dabei wollte Lisa Bunn den Hof der Eltern und die zehn Hektar Weinberge eigentlich gar nicht weiterführen. Denn als Kind sah sie, wie Vater und Mutter sich abrackerten und bei jedem Wetter raus mussten. „Ich wollte einen sauberen Bürojob und richtige Arbeitszeiten“, sagt sie. Bunn probierte es im Reisebüro, als Steuerberaterin, in der Gastronomie - und wurde doch Winzerin.

„Im Winzerberuf kann ich mich verwirklichen wie kaum anderswo. Ich kann geschmacklich erlebbar machen, was ich mir vorstelle“, sagt sie. Das wird goutiert: Ihren Wein gibt es im Kult-Restaurant „Sansibar“ auf Sylt, im „Frühsammers“ in Berlin, in der „Oper“ in Frankfurt und im Supermarkt im Heimatort. Die Eltern hatten den Wein noch komplett im Direktvertrieb verkauft. „Mit dem eigenen Fahrzeug durch Deutschland getuckert“, beschreibt die Tochter das.

Für die Platzierungen im Einzelhandel kämpft Lisa Bunn zusammen mit anderen Winzern aus Nierstein. Und so identifiziert sich Bunn auch: Weniger als Frau im Weinberg oder als neue Winzergeneration - vielmehr als Winzerin in Nierstein. In ihrem Studium, sagt Bunn, seien ohnehin genauso viele Frauen wie Männer gewesen. Bei den Auszubildenden sind es laut Deutschem Weininstitut schon 29 Prozent.

Das war vor vier Jahrzehnten noch ganz anders. Stefanie Weegmüller hatte einst das elterliche Weingut in Neustadt an der Weinstadt übernommen, „weil ich halt keinen Bruder hatte“, wie sie sagt. 1977 lernte sie Weinbau, als das noch eine reine Männerdomäne war. „Das war nicht einfach“, sagt die 57-Jährige heute.

„Was die Technik betrifft, ist die Entwicklung rasant. Heute ist Weinbau nicht mehr so viel körperliche Arbeit, das macht es für die Mädchen einfacher“, sagt Weegmüller. In den vergangenen Jahren bildete Weegmüller etwa gleich viele weibliche wie männliche Lehrlinge und Praktikanten aus. „Ich habe gerne Mädels, die haben mehr Biss, weil sie wissen, dass sie in dem Beruf was leisten müssen“, sagt sie.

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