Freytags-Frage

Braucht die Welt Olympia noch?

Ob Doping, Bestechungen oder zweitklassige Infrastruktur – die Olympischen Spiele in Rio sind schon eine Farce, bevor sie überhaupt gestartet sind. Wie konnte es soweit kommen? Und wer ist schuld?

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Diese olympischen Spiele stellen den Höhepunkt einer Unkultur im organisierten Leistungssport dar. Quelle: dpa

Ab heute trifft sich die Jugend der Welt, tausende Sportler werden sich bei den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro miteinander messen. Glückliche Gastgeber jubeln den Sportlern zu, Millionen begeisterte Sportfans werden in den modernen Arenen oder an den Bildschirmen mitfiebern. Soweit die Theorie. In Wirklichkeit sieht es doch etwas anders aus:

  • Die Jugend der Welt scheint nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Vielmehr sieht es so aus, als ob ältliche Herren sich treffen und ihre Interessen durchsetzen (Macht, Brot und Spiele, Geld). Dass Herr Putin die Interessen der Sportler im Blick hat oder auf spannende faire Wettkämpfe brennt, darf bezweifelt werden.
  • Fair ist der Wettbewerb überhaupt nicht. Der Doping-Verdacht lastet auf vielen Sportlern, in einigen Fällen ist der Verdacht der Gewissheit gewichen. Dabei sind es keine einzelnen schwarzen Schafe; vielmehr wird sogar teils von Staats wegen systematisch Doping getrieben, wahrscheinlich im Interesse einiger der oben genannten ältlichen Herren. Mitmachen dürfen aber alle Sportler, die sich nicht erwischen ließen, und natürlich saubere Athleten. Leider fällt die Unterscheidung nicht leicht!
  • Die Sportstätten wirken von Weitem betrachtet unfertig und nicht erstklassig. Die Bedingungen scheinen eher unangemessen zu sein; die australische Delegation zeigte sich beim ersten Betreten des Athletendorfes geschockt.

Größte Sportartikelhersteller der Welt

  • Auch die Begeisterung der Gastgeber mag angezweifelt werden. Es hat sich bei Sportgroßveranstaltungen inzwischen ein Muster herausgebildet, das einige Bekannte und Freunde der Regierung des Gastgeberlandes Besserstellung erfährt, während die Bevölkerung leiden muss. Auch aus Brasilien werden entsprechende Nachrichten kolportiert.
  • Auch die Sportanhänger sind ernüchtert. Es macht eben einen Unterschied, ob die Spiel fair und transparent sowie unter Teilhabe der lokalen Bevölkerung stattfinden oder ob der Sport nur Beiwerk einer millionenschweren Show einer korrupten Clique unter Duldung demokratischer Gesellschaften ist.

Wie konnte das passieren? Kann die Demokratie sich gegen einen derartigen Werteverfall nicht wehren? Was ist zu tun?

Diese olympischen Spiele stellen den Höhepunkt einer Unkultur im organisierten Leistungssport dar, die allerdings nur in Einzelfällen von Sportlern zu verantworten ist. Selbst das Doping wird von den Verbänden geplant und vertuscht, gelegentlich mit Unterstützung der Regierung. Um das zu beenden, bedarf es einer funktionierenden Sportgerichtsbarkeit. Sowohl das Internationale Olympische Komitee (IOC) als auch der Weltfußballverband (FIFA) nutzen eigene – von keiner Instanz kontrollierte – und offenkundig vollständig korrumpierte Gerichte. Die Ergebnisse der Verfahren halten rechtsstaatlichen Standards kaum Stand.

Auch die Vergabe der Spiele läuft nicht ohne Zahlungen und Vorteilsgewährungen ab. Das geht soweit, dass es zu Widerstand auf breiter Front kommt. Die Bevölkerung in Demokratien, wenn sie denn gefragt wird, spricht sich regelmäßig gegen Bewerbungen zur Ausrichtung der Spiele aus, zuletzt in Hamburg.

Medien müssen Doping und Korruption thematisieren

Da machen leider auch deutsche Funktionäre im Weltsport keinen Unterschied, wie man im Nachhinein mit Blick auf die Vergabe des Sommermärchens, der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 erfahren musste. Auch der deutsche IOC-Präsident wirkt nicht immer glücklich in seinen Entscheidungen. Es scheint so zu sein, dass sich die Sportfunktionäre soweit von der Realität entfernt haben, dass sie nicht mehr zwischen "gut" und "böse", zwischen richtig und falsch unterscheiden können. In einem solchen Zustand hinterfragt sich niemand, zumal die Öffentlichkeit die Show mitmacht. Die Leute wollen Fußball sehen und Olympiasieger feiern, Regierungen brauchen Erfolge ihrer Sportler. Die Spiele ersetzen sozusagen den klassischen Circus.

An der Stelle kann man aber auch ansetzen. Wenn die Politik wirklich ein Interesse an sauberen Spielen hat, kann sie erstens kritisch Stellung nehmen. Man hört aber so gut wie gar nichts aus der Politik. Es wäre sicherlich ein deutliches Signal, wenn die demokratischen Regierungen ernsthaft die Weiterführung der Förderung des Leistungssports an die Sauberkeit des Sports knüpfen – auch wenn dann wieder von der Sippenhaft die Rede wäre. Das muss man aushalten.

Außerdem könnte das öffentlich-rechtliche Fernsehen in der Berichterstattung ein Zeichen setzen. Bislang jedenfalls machen die Öffentlich-Rechtlichen Sender (ÖR) deutlich, was sie vom Doping halten. So hat das deutsche Fernsehen über die russischen Dopingpraktiken als eine der ersten Medienanstalten berichtet. Das ist positiv. Wenn nun anklingt, dass die ÖR bei den nächsten olympischen Spielen nicht mehr den Zuschlag bekommen, kann man das als Zeichen werten, dass die Sender nicht jeden Preis bieten. Sie könnten sogar weiter gehen und bewusst auf die Übertragung künftiger Spiele verzichten, sollten sich die düsteren Prognosen für die Spiele in Rio bewahrheiten (den ersten Dopingfall gab es bereits am Dienstag).

Countdown für Rio

Man kann überdies nur hoffen, dass die Doping- und Korruptionsthematiken im deutschen Fernsehen weiterhin ausreichend Berücksichtigung finden und nicht mit der ersten deutschen Medaille alle journalistischen Standards über Bord geworfen werden. Vor diesem Hintergrund haben die ÖR durchaus die Chance, eine Qualitätsoffensive zu betreiben.

Es ist an der Zeit, dass dem IOC aus den reichen Demokratien eine andere Reaktion als devotes Schweigen entgegengebracht wird. Es muss klar sein, dass Sportveranstaltungen, zumal olympische Spiele, nur dann Sinn machen, wenn sie in fairer, transparenter und von gegenseitigem Respekt getragen stattfinden. Wer dopt oder seine Sportler zu Doping zwingt, lässt diesen Sportsgeist und Respekt fehlen. Eine solche Olympiade braucht die Welt nicht!

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