Freytags-Frage
Robert Habeck greift als Wirtschafts- und Klimaminister mit neuen Klima-Subventionen aktiv ins Wirtschaftsgeschehen ein. Quelle: dpa

Ist die Marktwirtschaft noch zu retten?

Robert Habeck greift als Wirtschafts- und Klimaminister mit neuen Klima-Subventionen aktiv ins Wirtschaftsgeschehen ein. Deutschland sendet damit das Signal aus, immer planwirtschaftlicher zu agieren. Eine Kolumne.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Wirtschafts- und Klimaminister Habeck hält sich im südlichen Afrika auf, um dort über die Möglichkeiten für deutsche Unternehmen, Zugang zu grünem Wasserstoff zu erhalten, zu sprechen.

Dies ist genauso zu begrüßen wie der Umstand, dass sich der Minister stärker um Afrika kümmert. Die deutsche Wirtschaft klingt geradezu euphorisch; man spricht vom Kontinent der Chancen sieht das Potential afrikanischer Länder als Ressourcenquelle. Wie realistisch diese Freude ist, wird sich noch erweisen müssen. Es ist aber ein gutes Zeichen!
Es gibt allerdings auch eine Schattenseite. Denn das Engagement des Ministers stoppt nicht, wenn es um Grundzüge der internationalen Zusammenarbeit, horizontale Investitionsförderung oder die Regeln des Wirtschaftens geht, wie es die traditionelle Aufgabenbeschreibung des deutschen Wirtschaftsministers vorsieht. Er greift nun aktiv in das Wirtschaftsgeschehen ein.

Um von Russland wegzukommen, drückt Wirtschaftsminister Robert Habeck die Energiewende schonungslos durch – mit enormen Risiken.
von Jannik Deters, Max Haerder, Dieter Schnaas, Cordula Tutt

Denn er hat vor einigen Tagen angekündigt, mit ausgewählten Großunternehmen sogenannte Klimaschutzverträge abzuschließen. Diese sehen wohl vor, dass die Unternehmen für 15 Jahre bei den Investitions- und Betriebskosten subventioniert werden, wenn sie ausschließlich erneuerbare Energien einsetzen. Dies sei notwendig, da die Unternehmen sonst an Wettbewerbsfähigkeit verlören, wenn sie klimaneutral werden. Wenn dann die Kosten für klimafreundliche Produktion geringer als die der konventionellen Produktion sind, sollen die Unternehme die Mehreinnahmen zurückzahlen.

Dieser Plan ist aus mehreren Gründen weder klimafreundlich noch mit einer Marktwirtschaft vereinbar:

  • Erstens ist die selektive Auswahl von Großunternehmen eine Diskriminierung von allen anderen Unternehmen, die diese Subvention durch ihre Steuern finanzieren müssen.
  • Es ist zweitens nicht neu, dass Großunternehmen sich aus Subventionstöpfen besser bedienen können als Mittelständler, denn sie sind politisch besser vernetzt und können mehr Ressourcen für Lobbying aufbringen. Dadurch dass der Minister sie freiwillig exklusiv bedient, erschwert er dem Mittelstand das Leben.
  • Drittens schafft der Plan die besten Argumente für die großen Unternehmen, mit dem Klimaschutz so lange zu pausieren, bis das Geld fließt. Schon die Ankündigung dürfte in den Unternehmenszentralen dafür sorgen, dass bereits geplante Klimaschutzinvestitionen zurückgestellt werden, bis das Geld aus dem Staatshaushalt zugesichert ist.
  • Auch die mittelständischen Unternehmen werden sich viertens zurückhalten, weil die großen Unternehmen ja einen Wettbewerbsvorteil ihnen gegenüber erhalten. Dies führt dazu, dass die Regierung weitere Förder- oder Zwangsmaßnahmen ergreifen muss, um Klimaschutzinvestitionen in allen Unternehmen zu erreichen. Es droht eine planwirtschaftliche Interventionskaskade.
  • Fünftens werden die europäischen Partner und weltweiten Konkurrenten darin wieder einen deutschen Sonderweg sehen, der nur mit eigenen Interventionen ausgeglichen werden kann. Es dürfte dann zu internationalen Auseinandersetzungen und Streitigkeiten zum Beispiel in der Welthandelsorganisation kommen.
  • Sechstens kann wohl niemand ernsthaft glauben, dass auch nur ein Unternehmen Subventionen zurückzahlen wird. Alle Geförderten werden sehr schnell beginnen, ihre Kostenrechnungen so zu gestalten, dass die maximal möglichen Subventionen bei minimalen Rückzahlungen erreicht werden. Es wird ein Fest für die großen Consultingfirmen.
  • Siebtens steigt das Erpressungspotential der Unternehmen, die Subvention einzufordern, indem bei Ausbleiben der Subvention (oder der drohenden Rückzahlung) mit Massenentlassungen gedroht wird. Die Bundesregierung wird zum Sklaven der „Rent-Seeking-Society“!

Somit bewirken die Klimaschutzverträge wohl wenig Gutes, dafür greifen sie die marktwirtschaftliche Ordnung massiv an. Die Anreize der deutschen Unternehmen, aktiv in Klimaschutz zu investieren, werden wohl sinken. Der Staat muss immer dirigistischer werden anstatt das Potential des Wettbewerbs für den Klimaschutz zu entfachen. Statt, wie vom Minister erhofft, Vorreiter im Klimaschutz zu sein – was ja ohnehin nur erstrebenswert ist, wenn man zugleich ein positives Vorbild ist – wird Deutschland vermutlich durch eine weitere Bürokratisierung und die Förderung der Empfängermentalität der Unternehmen den Klimaschutz hierzulande bremsen.

Darüber hinaus sendet die Bundesrepublik das Signal aus, immer planwirtschaftlicher zu agieren – das wird die Europäische Kommission, die ja den Klimawandel auch gerne nutzt, die Menschen und Unternehmen zu bevormunden, freuen. Mit solchen Initiativen wird es immer schwieriger für deutsche Politiker, den Ruf nach weiteren Großprogrammen und Verschuldungsorgien in der Europäischen Union abzulehnen.

Digitalsparte Was hat Siemens nur mit Digital Industries vor?

Digital Industries ist Siemens' wichtigste Sparte. Ihr Chef Cedrik Neike, ein Hoffnungsträger des Konzerns, verpasst ihr eine Techkultur nach US-Vorbild. Kann die rasante Transformation gut gehen?

Insolventes Traditionsunternehmen Schlammschlacht nach gescheiterter Ritzenhoff-Rettung

Der Glashersteller Ritzenhoff beliefert weltweit Brauereien. Doch das Geschäft kriselt. Ein Rettungsversuch von Robert Tönnies ist gescheitert. Nun ist von „Misswirtschaft“ die Rede. Was steckt dahinter?

Vermietung Wie hole ich am meisten aus Mietimmobilien heraus?

Unser Leser, 33 Jahre, hält drei vermietete Immobilien. Er selbst wohnt zur Miete. Wie sollte er sein Portfolio verwalten, um davon bestmöglich als Altersvorsorge zu profitieren?

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Der Plan des Ministers trägt zur Sklerotisierung des Kontinents bei, ohne dass dem Klima geholfen wird. Zum Schluss bleibt die Frage: Wo bleibt übrigens der kritische Kommentar des Bundesfinanzministers zu diesen Plänen? Oder ist der Ampel die gelbe Farbe abhandengekommen?

Lesen Sie auch: Robert Habeck, König Planwirtschaft

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%