Freytags-Frage
Die Energiepreise sind nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine explodiert. Quelle: imago images

Was bewirken Preisstopps und Rabattaktionen für Benzin?

Die Energiepreise sind nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine explodiert. Erste Entlastungspakete wurden bereits vorgestellt – doch sie sollten überdacht und durch wirksame Maßnahmen ersetzt werden, findet der Autor.

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Im Verlauf des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine sind die Energiepreise so stark angestiegen, dass die Rufe nach Preisbremsen oder staatlicher Kompensation immer lauter wurden. Diese Rufe stoßen bei den politischen Entscheidungsträgern der Europäischen Union (EU) und ihrer Mitgliedsländer nicht auf taube Ohren. Schließlich kann man sich mit solchen Aktionen als bürgernah und problemorientiert präsentieren – zumindest kurzfristig.

Konsequenterweise hat die Europäische Kommission Preiskontrollen, also Höchstpreise für Strom und Gas ins Gespräch gebracht. Es sollen demzufolge Höchstpreise festgelegt werden, die von Kompensationen für Energieanbieter begleitet werden sollen. In Deutschland hat Finanzminister Christian Lindner angekündigt, den Autofahrern einen Tankzuschuss zu gewähren, indem direkt an der Tankstellenkasse ein „fixer Krisenrabatt“ – im Gespräch sollen 30 oder 40 Cent sein – erlassen würde. Noch sind beide Vorstöße nicht verabschiedet. Sie sollten dringend überdacht, zurückgezogen und durch wirksame Maßnahmen ersetzt werden.
Bereits der Blick in ein einfaches ökonomisches Lehrbuch für das erste Semester Betriebs- oder Volkswirtschaftslehre oder gar für die Berufsschule verdeutlicht, dass weder Preiskontrollen noch staatliche Rabattaktionen das Problem steigender Energiepreise lösen können. Preiskontrollen sorgen für Rationierung, wenn nicht auf Unternehmensebene, dann auf internationaler Ebene, denn wenn die Preise bei uns gedeckelt sind, werden die internationalen Öl- und Gasexporteure lieber andere Kunden als uns beliefern. Staatliche Rabattaktionen auf dem Benzinmarkt durch eine nachträgliche Rückerstattung von einem Teil des hohen Benzinpreises verleiten die Verkäufer zu weiteren Preiserhöhungen.

Gerade letzteres scheint bereits stattzufinden. Nachdem der Rohölpreis seit Kriegsbeginn um über 30 Prozent angestiegen war, ist er nun wieder auf das Niveau zuvor zurückgefallen. Davon ist an den Tankstellen jedoch noch nichts zu bemerken. Die Gründe dafür sind nicht bekannt, es kann aber sein, dass die Industrie den Druck auf das Finanzministerium hochhalten will, nachdem sie vom Vorschlag der Rabatte gehört hat. Nun soll das Bundeskartellamt feststellen, ob dahinter ein abgestimmtes Verhalten der Mineralölindustrie steckt. Leider ist so eine Prüfung nicht einfach, wie sich regelmäßig in der Vergangenheit gezeigt hat. Schon allein der Verdacht zeigt, wie unsinnig der Vorschlag ist.

Hinzu kommt, dass die Senkung der Benzinpreise durch den Finanzminister die klimapolitisch gewünschte Reduzierung des CO2-Ausstoßes konterkariert. Anstatt wegen der Preissteigerung weniger fossile Brennstoffe zu verbrauchen, können die Bürger ihr bisheriges Verhalten fortsetzen. Das ist insofern nicht nachvollziehbar, als dass es im Interesse einer klimafreundlichen Regierung liegen müsste, über stetig steigende Preise für fossile Brennstoffe Anreize für Verbraucher zu setzen, den Verbrauch zu senken. Mit den nun gestiegenen Preisen stiege der Druck, auf erneuerbare Energien umzusteigen.

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Die Regierung könnte sogar zurecht reklamieren, dass sie keine Verantwortung für diese Preissteigerung übernehmen kann. Hätte sie es geschickt formuliert, wäre es möglich gewesen, die Preissteigerung als notwendige Konsequenz eines mörderischen Krieges stehen zu lassen und die klimapolitische Dimension weitgehend zu ignorieren. Es würde dann völlig reichen, mit einer zielgenauen Subvention für die besonders Betroffenen, das heißt konkret die Pendler mit geringem Einkommen sowie die Bezieher von Arbeitslosengeld und Sozialleistungen, zu kompensieren. Alle anderen Bevölkerungsgruppen hätten die Preissteigerungen tragen können und als ihren Beitrag zur schnellen Beendigung des Krieges interpretieren können.

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In diesem Zusammenhang kommt ein weiterer unangenehmer Aspekt hinzu: Die ganze Debatte macht deutlich, wie wenig die Deutschen, allen voran die politischen Eliten, in großen Zügen denken. Der Krieg in der Ukraine setzt bei uns offenbar den Impuls frei, sich über die Benzinrechnung mehr Gedanken zu machen als sich aktiv gegen das Schicksal einer friedlichen Nation, die einem widerwärtigen Krieg gegen Zivilisten ausgesetzt ist, zu wenden. Wahrscheinlich werden wir unseren Wohlstand und vor allem unsere Freiheit nur verteidigen, wenn wir einen Teil dieses Wohlstandes umwidmen in Verteidigungsausgaben (und Ausgaben für den Klimaschutz). Den meisten Bürgern wird dann nicht viel weggenommen – den echt Betroffenen kann man durch gezielte Maßnahmen helfen.



Preiskontrollen wegen des Krieges sind mit einem unangenehmen Beigeschmack verbunden. Davon abgesehen führen sie eher zu Mitnahmeeffekten und Preiserhöhungen. Wir sollten endlich aufhören, uns um uns selbst zu drehen, sondern klare Prioritäten setzen und nicht wegen solcher gesamtwirtschaftlicher Kleinigkeiten wie eine 25-prozentige Benzinpreiserhöhung angesichts einer ungleich größeren Krise für unsere Nachbarn und damit verbundenen Bedrohung für uns kleinmütig werden.

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