Früherer Lego-Produktdesigner „Als ich in Billund anfing, bin ich etwas ausgeflippt“

Jordan R. Schwartz war einer der jüngsten Produktdesigner, der je für Lego gearbeitet hat. Im Gespräch erzählt er, wie die Firma Erwachsene als Zielgruppe entdeckte, die digitale Welt eroberte und wie er zu dem Job kam.

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Eine Eigenkreation des früheren Lego-Designers Quelle: Jordan R. Schwartz

Herr Schwartz, Sie schreiben in Ihrem Buch „Lego kreativ“, dass die Lego Group jedes Jahr mehr und mehr Produkte für Erwachsene auf den Markt bringt. Ist das eine bewusste Entscheidung des Unternehmens?
Die Lego Group möchte so viele Kunden wie möglich erreichen. Da ist es nur logisch, dass sie mehr Produkte für Erwachsene produziert. Das Unternehmen sieht sie mittlerweile als eigene Zielgruppe, die ziemlich zahlungskräftig ist. 

Zur Person

Früher war das anders. Was hat sich geändert?
Das Internet hat bei dieser Entwicklung eine entscheidende Rolle gespielt. Auf Lego-Fanseiten tummeln sich Klötzchenfreunde aus der ganzen Welt. Erwachsene, die früher dachten, Lego sei für Kinder und ihr Hobby lieber für sich behielten, waren auf einmal nicht mehr allein mit ihrem Hobby. Im Internet tauschten sie sich mit Tausenden über die neuesten Produkte aus und, was viel wichtiger ist, sie zeigten anderen ihre eigenen Kreationen. 

Inwiefern ist das wichtiger?
Vergleicht man die besten selbstentworfenen Modelle von vor zehn Jahren mit denen von heute, sieht man, dass die Qualität sich deutlich gesteigert hat. Die Fan-Modelle werden ständig komplexer, weil die Fans ihre Werke präsentieren können und voneinander lernen.

Die Geschichte Legos

Was fasziniert Erwachsene so sehr an diesem vermeintlichen Kinderspielzeug? Sie bauen ja selbst bis heute Lego-Modelle.
Wahrscheinlich ist es die Vielseitigkeit der Plastiksteine. Aus dem gleichen Set können Sie ein Piratenschiff bauen oder ein Raumschiff – oder was die Phantasie sonst so hergibt. Außerdem fordern die Steine die Kreativität des Spielers heraus, indem sie in sich beschränkt sind. Mit ihnen kann man fast nur Formen im Rahmen Klötzchenästhetik kreieren. Für mich besteht die Herausforderung vor allem darin, Dinge aus Lego zu bauen, die nicht aussehen, als seien sie aus Lego gebaut. Das ist ganz schön schwierig. Aber gerade wenn es um Lego geht, bedeutet die zunehmende Komplexität Spaß. 

Wie das Digitale Lego verändert hat

Das Internet hat nicht nur eine neue Zielgruppe erschlossen, sondern Lego selbst völlig verändert. Mittlerweile bedient der Klötzchenproduzent neben der analogen Welt auch die digitale – in Form von Filmen, Spielen, Online-Videos. Wie wirkt sich das auf das Spielzeug aus?
Die Plastiksteine werden um die digitale Erfahrung bereichert – denken Sie an Lego Dimensions…

Jordan Schwartz' Buch

… ein Lego-Konsolenspiel, das es erlaubt, reale Lego-Figuren in eine digitale Welt einzubetten und sie dort zu spielen.
Das Plastikprodukt wird zum Leben erweckt. Auf die Spielewelt wirkt sich das grundsätzlich positiv aus. 

Grundsätzlich? Das klingt, als hätten Sie Zweifel.
Ich selbst bin kein Freund der digitalen Spielewelt, glaube aber, dass sie für das Unternehmen notwendig ist. Die Kinder heute wachsen mit Technologien auf, die ich mir als Kind nie hätte vorstellen können – und ich bin selbst erst 23. Lego knüpft an die Bedürfnisse dieser Generation an und schafft es, ihr über das Digitale den Zugang zu schaffen zur großartigen, klassischen Spieleerfahrung mit den Plastikklötzen.

Marktanteil der Lego GmbH in ausgewählten Ländern

Sehen Sie in der Digitalisierung eine Gefahr für den Markenkern?
Solange Lego Plastiksteine fertigt, stellt die Digitalisierung keine Bedrohung für die Marke dar. Auch wenn es bereits Versuche gab, das Bauerlebnis zu digitalisieren, etwa mit Lego Digital Design, sehe ich nicht, dass die Plastiksteine in absehbarer Zeit aussterben. Andererseits…

Ja?
… die ersten Lego-Spielzeuge waren bekanntlich aus Holz, insofern ist alles möglich. 

Sie selbst waren in Billund als Designer für die Lego Group tätig. Als sie 2011 anheuerten waren Sie keine 20 Jahre alt und einer der jüngsten Produktdesignern dort überhaupt. Wie war es für Lego zu arbeiten?
Das war eine bemerkenswerte Erfahrung. Abgesehen von meiner Arbeit war das Leben im dänischen Billund einzigartig. Für mein Vorstellungsgespräch reiste ich zum ersten Mal nach Europa. Hier dann für fünfzehn Monate zu leben hat mir einiges gebracht. Ich habe viel über die Spielzeugindustrie gelernt.

Die Arbeit als Produktdesigner bei Lego

 

Wie kamen Sie in so jungen Jahren dazu, Designer für Lego zu werden? Die meisten Ihrer Kollegen waren deutlich älter.
Schon als Kind habe ich viel Lego gebaut, aber auch als Teenager und junger Erwachsener. Außerdem besuchte ich Lego-Fan-Conventions und präsentierte meine Eigenkreationen im Netz. Als ich hörte, dass die Lego Group neue Produktdesigner suchte, habe ich mich online mit anderen Lego-Begeisterten und --Mitarbeitern ausgetauscht. Das, was sie mir über das Unternehmen erzählten und darüber, wie es funktioniert, gefiel mir. Es schien eine tolle Chance zu sein, also bewarb ich mich. 

Wie kann sich ein Laie die Arbeit eines Lego-Designers vorstellen?
Am Anfang jedes Designs steht eine einfache Vorgabe: Etwa ein Automodell, das circa 20 Euro kosten soll. Dann bastelt der Designer, Stunden über Stunden und überarbeitet seinen Entwurf immer wieder. Das dauert. Ist er zufrieden, baut er das Modell Schritt für Schritt zusammen vor Ingenieuren, seinem Teamleiter und den Mitarbeitern, die die Anleitungen erstellen. Danach wird überprüft, wie sich das Modell tatsächlich nach Anleitung nachbauen lässt. Wenn alle grünes Licht geben, geht der Entwurf in die Produktion. Ansonsten geht es wieder von vorne los.

Durften Sie sich völlig austoben?
Als ich in Billund anfing, bin ich etwas ausgeflippt und habe meine Fantasie mit mir durchgehen lassen. Wir Designer neigen am Anfang dazu, uns auszutoben und die ultimative Version von dem zu bauen, was das Modell am Ende darstellen soll. Viele Produktdesigner dort kommen wie ich aus der Fan-Community und haben ursprünglich Modelle gebaut, die so komplex sind, dass sie sich niemals verkaufen lassen. Dafür kriegt man aber recht schnell ein Gefühl. Die komplexen Entwürfe dienen eher als Inspiration für das, was am Ende ins Ladenregal wandert. 

Kunst aus Plastikklötzchen
Jordan R. Schwartz hat 15 Monate in Billund für Lego als Designer gearbeitet. Zuvor hatte er lange Zeit seine Kunstwerke im Netz veröffentlicht. Seine eigenen Kreationen sowie die Sets, die von ihm für Lego in den Verkauf gingen, sind hier zu finden. Einige seiner privaten Kreationen. Quelle: Jordan R. Schwartz
Schwartz' Ziel ist es, Modelle zu entwerfen, die aus der Bauklotz-Ästhetk ausbrechen Quelle: Jordan R. Schwartz
2002 kam Lilo & Stitch in die Kinos. Auch der kleinen blauen Figur Stitch widmete der 23-Jährige ein Lego-Denkmal. Quelle: Jordan R. Schwartz
Rocket Raccoon, bekannt aus Marcel Comics und dem Film Guardians of the Galaxy Quelle: Jordan R. Schwartz
Schwartz' hat zudem ein Faible für alte Autos – bei Lego selbst konnte er seine Oldtimer-Modelle nicht unterbringen. Im Bild ist ein Buick Super. Quelle: Jordan R. Schwartz
Das Modell eines Oldtimers aus dem Jahr 1912 Quelle: Jordan R. Schwartz
Ein Ford Victoria Quelle: Jordan R. Schwartz

Wer hält die Designer in Zaum?
Die Leiter des Designteams. Sie geben Aspekte wie die Farbe des Autos oder den Stil vor, in dem es entworfen werden soll. Ein Beispiel: In der Serie soll es zusätzlich zum Auto ein Flugzeug geben. Das Führungsteam ist dafür verantwortlich, dass Auto und Flugzeug etwa unterschiedliche Farben haben, denn so kaufen die Kunden mit höherer Wahrscheinlichkeit beide Sets.

Herr Schwartz, vielen Dank für das Gespräch.

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