
Die Zahlen stimmten, die Strategie war klar – warum der bisherige Lidl-Vorstandschef Karl-Heinz Holland jetzt seinen Posten beim Neckarsulmer Lebensmittel-Discounter Lidl räumt, gilt in der Branche derzeit als Rätsel. Fast gleichzeitig war Dawid Jaschok, verantwortlich für den Einkauf der Landesgesellschaften von Lidl sowie für das Marketing, abberufen worden. Möglich sei, dass Karl-Heinz Holland diese Personalentscheidung nicht mittragen wollte und das Unternehmen deshalb verlassen hat, berichtet die „Heilbronner Stimme“.
Offiziell heißt es derweil nur, man habe sich wegen „unterschiedlicher, nicht überbrückbarer Auffassungen betreffend der künftigen strategischen Geschäftsausrichtung“ getrennt. Klar ist dagegen die Nachfolge: Sven Seidel wird neuer Vorstandschef beim zweitgrößten deutschen Lebensmittel-Discounter. Der 40-Jährige ist seit drei Jahren bei der Unternehmensgruppe Schwarz, zu der neben Lidl auch Kaufland gehört, tätig und als Vorstand für den Bereich Unternehmensentwicklung verantwortlich. Seidel hatte seine Karriere bei Kaufland gestartet und anschließend bei einer Unternehmensberatung gearbeitet.





Zudem soll Robin Goudsblom, der dem Lidl-Vorstand schon bisher angehörte, als Co-Vorstandsvorsitzender die Komplettverantwortung für den Einkauf übernehmen.
Für die neue Lidl-Führung dürfte in den kommenden Monaten vor allem ein Thema die Agenda beherrschen: der Markteintritt in den USA. Der Discounter suche bereits Personal für das US-Geschäft, meldete kürzlich die „Lebensmittelzeitung“. Der Vorstoß gilt in der Branche gleichermaßen als Chance wie Risiko.
Das Management hätte über Jahre mit dem US-Aufbau zu tun, die Expansion würde Unsummen verschlingen. Zugleich birgt das Land enormes Umsatzpotenzial und könnte langfristig als Brückenkopf für weitere Discount-Destinationen wie Mexiko und Kanada dienen. Wichtiger noch: In den USA trumpft zunehmend der Erzrivale Aldi auf.
Inzwischen betreibt Aldi Süd mehr als 1300 Discount-Läden und forciert das Expansionstempo. Innerhalb von fünf Jahren will Aldi mit 2000 Märkten vertreten sein.
Schon mehrfach hatte Lidl geplant, dem Billig-Primus in Amerika Paroli zu bieten. 2005 sollte Kanada zum Einfallstor für Lidl werden. Die Zentrale hatte bereits Standorte gesichert und Personal eingestellt, um dann überraschend doch den Rückzug anzutreten. Offizielle Erklärungen gab es damals nicht.
Dass Seidel und sein Vorstandsteam den Rückzieher wiederholen, ist wenig wahrscheinlich, zumal das internationale Geschäft für die Schwarz-Gruppe immer wichtiger wird. Im Geschäftsjahr 2012/13 erzielte die Gruppe nach eigenen Angaben 67,6 Milliarden Euro Umsatz. Allein Lidl spielte 48,9 Milliarden Euro ein, Kaufland 18,7 Milliarden.