Galeria-Chef Olivier van den Bossche „Lasst uns mal versuchen, kein Mittelmaß zu sein“

Galeria-Chef Olivier van den Bossche Quelle: dpa

Nach der Insolvenz ist vor dem Comeback, jedenfalls wenn es nach dem neuen Galeria-Chef Olivier van den Bossche geht. Er will die Warenhauskette zur Nummer eins für Fashion machen –  und verspricht: „eine Menge Spaß“.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Die Teilnehmer des Townhall-Meetings in der Essener Zentrale sind überrascht. Sicher, ein paar aufmunternde Worte haben sie von ihrem neuen Chef schon erwartet. Die üblichen Ankündigungen halt, dass es nun – nach dem Abschluss des Schutzschirm-Insolvenzverfahrens für Galeria Karstadt Kaufhof – wieder weiter gehen würde, aufwärts irgendwie. Doch mit vorsichtigem Geplänkel und verhaltenem Optimismus hält sich der neue Galeria-Frontmann Olivier van den Bossche erst gar nicht auf, als er sich den Mitarbeitern vor ein paar Tagen offiziell als neuer Chef präsentiert. Stattdessen: Attacke! Und eine Kampfansage irgendwo zwischen Wagemut und Größenwahn.  

In weißem Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln verkündete er seine Vision für das Jahr 2030: Dann, so erklärt der Belgier seinem verdutzten Publikum, soll Galeria die Nummer eins sein für Fashion, Geschenke, Lifestyle und Services.

Galeria? Die Nummer eins? Etwas kleiner hatte es van den Bossche wohl gerade nicht. Dabei befinden sich Karstadt und Kaufhof seit Jahrzehnten im Abstiegskampf, verlieren Umsatz, schließen Warenhäuser, entlassen Mitarbeiter und haben insgesamt bereits drei Insolvenzverfahren hinter sich gebracht. Nicht unbedingt die besten Voraussetzungen für einen künftigen Top-Performer der deutschen Handelszunft. Doch darauf geht van den Bossche nicht weiter ein und vertraut auf die Kraft der Autosuggestion: „Lasst und mal versuchen, kein Mittelmaß zu sein“, empfiehlt er der Mannschaft, „lasst uns versuchen, besser zu sein“.

Galeria Karstadt Kaufhof lässt die Insolvenz hinter sich – aber nicht die Krise. Ohne neues Geschäftsmodell ist in ein paar Jahren Schluss. Endgültig.
von Henryk Hielscher

„Es ist nicht schlimm, Geld zu verdienen“

Schließlich sei Mittelmaß der „größte Feind von Wohlstand“. Und: „Es ist nicht schlimm, Geld zu verdienen“ und es sei auch nicht verkehrt, „die Nummer eins zu sein“. Stand heute, sei man von der Top-Position zwar weit entfernt, räumt van den Bossche ein. Aber: 2030 wäre es schön, zu sagen: „Jungs, wir haben es geschafft“.

Sieben Jahre bleiben demnach für die belgische Wunderheilung. Sofern das Unternehmen und van den Bossche überhaupt so lange durchhalten. Denn Galeria hat am 1. Juni zwar das Insolvenzverfahren abgeschüttelt, nicht aber die Krise. Das Sanierungskonzept, das van den Bossche umsetzen soll, sieht nun Einschnitte und Investitionen vor. Ob die ausreichen, um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen, ist allerdings umstritten.

So sollen knapp ein Drittel der zuletzt 129 Filialen schließen, in vielen verbleibenden Häusern wird die Verkaufsfläche reduziert. Zudem soll sich Galeria künftig stärker auf Modeartikel konzentrieren, das Angebot an Produkten wie Spiel- oder Schreibwaren zurückfahren und die Eigenmarken optimieren. Dabei steht zum Beispiel die bekannte Galeria-Eigenmarke Manguun auf dem Prüfstand und soll neu ausgerichtet werden. „Galeria wird modischer und wertiger“, heißt es im Insolvenzplan. Im Schnitt soll die Zahl der Marken und Artikel demnach um rund 30 Prozent gesenkt werden.

Innerhalb von drei Jahren sollen auch sämtliche Filialen auf Vordermann gebracht und komplett modernisiert werden. Dabei ist unter anderem „ein umfassendes Gastronomieangebot“ im Erdgeschoss der Warenhäuser vorgesehen. Von mehr Orientierung, Kooperationen mit „innenstadtrelevanten Partnern wie Bürgerbüros“ und speziellen Sortiments- und Erlebniskonzepten wie einer „Family World“ ist im Insolvenzplan zudem die Rede. Die Filialen sollen künftig auch dezentraler gesteuert werden – und das jeweilige Sortiment an die lokalen Gegebenheiten angepasst werden.

Auf dem Papier klingen derlei Maßnahmen vielversprechend: dezentralere Organisation, regionales Angebot, Fokussierung des Angebotes. Auch eine engere Verzahnung zwischen Online und stationärem Angebot ist geplant.

„One team, one dream“

Bei der Umsetzung dürfte van den Bossche allerdings schnell an finanzielle Limits stoßen – und auf  Widerstand. Bislang hätten die Geschäftsführer und Abteilungen zu oft in „Silos“ gedacht, kritisiert der Galeria-Chef beim Townhall-Meeting. Das soll sich nun ändern. Er wolle den Kunden in den Mittelpunkt stellen, sagt van den Bossche und präsentiert auch gleich, worauf es ihm sonst noch ankommt.

Auf einem Chart hat er den Namen Galeria durchbuchstabiert: G wie gemeinsam, A wie ambitioniert. Daneben stehen passende Slogans: „One team, one dream“ und „Geht nicht, gibt’s nicht“. Es folgen noch „leidenschaftlich“, „entscheidungsfreudig“, „respektvoll“, „innovativ“ und „agil“. Und unter allem der Zusatz: „mit einer Menge Spaß dabei!“.

Partystimmung in Essen? Tatsächlich treffen van den Bossches Kulturwandel-Pläne intern durchaus auf Wohlwollen, wenngleich auch vielen Beschäftigten der Glaube daran fehlen dürfte, dass nun schnell alles besser wird. Zu oft schon haben sie Motivationsreden des Managements gelauscht. Zu wenig hat sich danach zum Besseren verändert.

Immerhin, der hemdsärmelige Manager habe „bisher geliefert“, heißt es im Umfeld des Unternehmens. Er soll mit Mitarbeitern schnell per „du“ sein und viel in den Filialen unterwegs sein, seit er vor gut einem Jahr zum Vertriebsgeschäftsführer bei Galeria ernannt wurde.

Großaktionär des Brokers Flatex „Ich habe möglicherweise zu lange zugesehen“

Der Unternehmer Bernd Förtsch ist Großaktionär von Deutschlands wichtigstem Broker Flatexdegiro: In beispielloser Offenheit seziert er jetzt die Fehler des Konzerns. Und kündigt Konsequenzen für den Vorstandschef an.

Goldhandel Bekommt das Finanzamt von meinem Goldverkauf etwas mit?

Ein Anleger fragt sich, ob er Gold auch steuerfrei verkaufen kann, wenn er keinen Nachweis zum Kauf hat. Würde das Finanzamt überhaupt etwas mitbekommen, wenn er einen Verkauf nicht meldet?

Energetische Sanierung So sanieren Eigentümer ihr Haus besonders schnell und günstig

Jedes dritte Haus in Deutschland müsste saniert werden. Mit neuen und pragmatischen Konzepten ginge es schneller und günstiger.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Der Belgier hatte seine Warenhauskarriere einst bei Inno in Lüttich begonnen und das Unternehmen ab 2007 geleitet, bevor er 2014 zu Kaufhof wechselte. Er war bis 2017 Chef von Galeria Kaufhof, ehe das Kölner Unternehmen vom Essener Rivalen Karstadt übernommen wurde. Anschließend arbeitete er als Chief Operating Officer bei dem niederländischen Kosmetikunternehmen Rituals. Und nun wieder zurück ins Warenhaus, wo van den Bossche mit überschaubaren Mitteln viel erreichen soll. Um den Insolvenzplan umzusetzen, stellt die Galeria-Eigentümerin – die österreichische Signa-Gruppe von René Benko – 200 Millionen Euro zur Verfügung. Das Geld dürfte vor allem in die Neuausrichtung der Filialen fließen. Bei mehr als 80 verbleibenden Häusern bleiben im Schnitt aber nur 2,5 Millionen Euro pro Galeria-Haus. Nicht sonderlich viel, um die Nummer eins im Modebereich zu werden.

Lesen Sie auch: Wer braucht noch Galerias Warenhäuser?

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%