Galeria Karstadt Kaufhof Ein Warenhauskonzern im digitalen Koma

Anders als andere Handelsunternehmen konnte Galeria Karstadt Kaufhof die Umsatzverluste in der Coronapandemie kaum über Zuwächse im Onlinegeschäft kompensieren. Quelle: dpa

Deutschlands letzte große Warenhauskette kämpft ums Überleben, dutzende Filialen von Galeria Karstadt Kaufhof sollen schließen. Doch damit ist es nicht getan. Auch das Onlinegeschäft des Konzerns ist ein Sanierungsfall.

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Es geht mal wieder um Beton, wie eigentlich immer, wenn über das Schicksal der letzten großen deutschen Warenhauskette diskutiert wird. Müssen 40 Filialen von Galeria Karstadt Kaufhof schließen, erwischt es diesmal 50 Standorte, oder sogar noch mehr? Erst ab Januar soll Klarheit darüber herrschen, wie viele der 131 Warenhäuser weichen müssen. Sicher ist nur: Galeria Karstadt Kaufhof plant „einen massiven Umbau seiner Warenhäuser und eine deutliche Reduktion der Filial-Struktur sowie die Umsetzung eines modernen Warenhaus-Konzepts“, erklärt der Konzern.

Allein, mit einer Verkleinerung des Filialnetzes ist es nicht getan. Ebenso wichtig für das Überleben des Unternehmens, das Ende Oktober zum zweiten Mal innerhalb von weniger als drei Jahren ein Schutzschirminsolvenzverfahren beantragt hat, ist das Onlinegeschäft. Denn auch in puncto E-Commerce ist der Warenhausriese ein Sanierungsfall. Zu einem erheblichen Teil dürften die digitalen Defizite sogar für die Gesamtmisere des Konzerns verantwortlich sein: Denn anders als andere Handelsunternehmen konnte Galeria die Umsatzverluste in der Coronapandemie kaum über Zuwächse im Onlinegeschäft kompensieren. Das wirkt bis heute nach, hat allerdings wenig an der Ausrichtung des Unternehmens geändert: Dort steht weiter das Filialgeschäft im Zentrum.   

Dabei hat die Eroberung des Onlinehandels fast schon Tradition im Unternehmen, wenn auch nur verbal. „Die Verkaufsmöglichkeiten im Internet sind unendlich“, schwärmte schon Konzernchef Thomas Middelhoff vor über 20 Jahren. Auch seine Nachfolger verbreiteten gern die frohe Kunde vom Wachstumstreiber E-Commerce. „Wir werden das Geschäft erheblich ausbauen“, frohlockte Karstadt-Chef Andrew Jennings 2011. Und ein paar Jahre später versprach Warenhaus-CEO Stephan Fanderl „den Anteil des Online- und Cross-Channel-Umsatzes auszubauen“. Auch der amtierende Chef Miguel Müllenbach verbreitete immer wieder Zuversicht, machte das Thema offiziell sogar zur Chefsache und erklärte im Frühjahr 2021 selbstbewusst: „Wir werden online immer stärker, die Zahlen machen Mut.“

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Nun ja, eine Analyse von Wolfgang Thomas, Chef der Hamburger Digitalagentur NetzwerkReklame, zeigt wenig ermutigende Zahlen, dafür aber erhebliche digitale Schwächen. Für die WirtschaftsWoche hat er aktuelle Daten zum Onlineauftritt der Karstadt-Kaufhof-Plattform Galeria.de mit denen der Konkurrenz verglichen. Das Ergebnis fällt ernüchternd aus. 

So klickten sich Otto.de-Kundinnen und Kunden im Schnitt 5:49 Minuten durchs Sortiment, genauso lange wie die von Zalando. Galeria-Besucher sind nach Daten von Similarweb für Oktober schon nach 3:50 Minuten wieder weg. Und während zuletzt rund 37 Millionen Nutzer den Zalando-Shop ansteuerten und 50,2 Millionen bei Otto.de vorbeischauten, zählte Galeria im Oktober überschaubare 5,1 Millionen Visits. „Die deutlich kürzere Verweildauer könnte ein Indikator für weniger Verbundkäufe sein, was gerade beim Anspruch eines Vollsortimenters bedenklich ist“, konstatiert Experte Thomas. In der Praxis bedeutet das, dass viele Kunden nur einen einzigen Artikel in ihren Warenkorb packen und beim Shoppen seltener als bei der Konkurrenz auf zusätzliche Produkte stoßen, die dann mitbestellt werden. Positiv sei immerhin der Trend über die vergangenen drei Monate mit einem auch saisonal bedingten Wachstum von 22 Prozent bei Galeria.de. 

Die Sichtbarkeit bei Google? „Eher rückläufig“

Auch in puncto Auffindbarkeit bei Suchmaschinen hat Galeria Nachholbedarf. Das zeigt der sogenannte Sistrix-Wert, ein Maßstab für die Sichtbarkeit einer Webseite. Dieser habe sich in den vergangenen drei Jahren bei Galeria „eher rückläufig entwickelt“, analysiert Thomas. Mit einem Wert von 39,6 liege Galeria weit hinter anderen Onlineshops  wie zum Beispiel www.peek-cloppenburg.de mit einem Sichtbarkeitsindex von 55 oder gar otto.de mit 421. Bei bezahlten Suchanzeigen schaltet Galeria laut Sistrix 5800 Suchbegriffe, während für Otto.de 12.500 Begriffe erfasst wurden. Im Klartext: Kunden, die in Suchmaschinen nach Produkten fahnden, landen nur in Ausnahmefällen beim Angebot von Galeria.

Hinzu kommen eher technische Themen. So schneidet galeria.de bei den Ladezeiten der Website eher unterdurchschnittlich ab, so Thomas. Vor allem bei ungeduldigen Erstbesuchern und jüngeren Zielgruppen sei Geschwindigkeit jedoch ein wesentlicher Faktor.  

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Zudem ist Galeria.de zwar auf diversen Digitalkanälen aktiv. Aber: „Social Media scheint eher weniger ausgeprägt zu sein, die gleichen Inhalte werden für Facebook und Instagram in beiden Kanälen ausgespielt, wobei Facebook anhand der Resonanz auf einzelne Posts wie Gewinnspiele noch relevanter zu sein scheint als Instagram“, analysiert Thomas. 

Andere Untersuchungen zeigen zudem, dass Galeria im Onlinegeschäft offenbar ein Preisproblem hat. So sind entsprechende Angebote bei Marktführer Amazon oft deutlich günstiger als die von Galeria. Kurzum: Zu teuer, zu wenig sichtbar und inspirierend ist Galeria.de. Um das zu ändern, wären erhebliche Investitionen erforderlich. Nur, wo sollen die herkommen?

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Der Konzern hatte in dem von den Corona-Lockdowns geprägten Geschäftsjahr 2020/21 (per Ende September) 622 Millionen Euro Verlust geschrieben und rechnete auch für 2021/22 mit einem niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionenverlust. Galerias Eigentümer, der österreichische Signa-Konzern, scheint zwar bereit zu sein, nochmal Geld zu geben, um den Kern von Galeria am Leben zu erhalten und dem Unternehmen so einen Weg aus der Insolvenz zu bahnen. Ob das ausreicht, um Galeria im Onlinegeschäft auf Kurs zu bringen, darf allerdings bezweifelt werden. 

Lesen Sie auch: Vier Jahre nach dem Zusammenschluss von Kaufhof und Karstadt kämpft der Konzern ums Überleben. Wie konnte es so weit kommen? 

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