Die Rebellion beginnt mit lautem Scheppern. Ein Kaufhof-Betriebsrat nach dem anderen steht auf, geht vor zu einer kleinen Box und zerschlägt dort mit lautem Getöse eine Kaffeetasse mit dem Aufdruck HBC. Das Kürzel steht für Hudson's Bay Company.
Der kanadische Handelskonzern hatte Galeria Kaufhof 2015 gekauft und den Mitarbeitern zur Feier der Übernahme neue Tassen spendiert, die sie nun in einem Tagungsraum im Hotel Sauerland Stern zertrümmern. „Wenn Sie sich fragen, was das zu bedeuten hat: Für Ihren Scherbenhaufen sind Sie selbst verantwortlich“, ruft eine aufgebrachte Betriebsrätin einer Handvoll Kaufhof-Manager zu. Die sitzen vorn an einer separaten Tischreihe und verfolgen das Klirren der Tassen ohne große Emotionen. „Wir sollten für die Fehler zahlen, damit das Unternehmen wieder wettbewerbsfähig wird“, schimpft die Betriebsrätin. „Unser Vertrauen in HBC ist gesprungen, genau wie diese Tassen.“ Benutzt und hintergangen und sogar in die Tasche gegriffen, hätte HBC den Beschäftigten. „Ausgenutzt die Immobilien, ausgeblutet die Filialen.“
Betriebsräte proben den Aufstand, so die Botschaft des Videos, das die „Bild am Sonntag“ jüngst veröffentlicht hat. Melodisch untermalt von Star-Wars-Klängen machen die Arbeitnehmervertreter darin gegen den Spardruck von HBC mobil.
Das ist die Hudson's Bay Company
Die Hudson´s Bay Company ist Kanadas größtes Kaufhaus und gilt als ältestes Unternehmen Nordamerikas. Die Geschichte von HBC begann 1670, als Charles II von England der Company Eigentum über Land und Bodenschätze in Kanada übertrug. Der damals vollständige Name der Unternehmung: „The Governor and Company of Adventurers of England trading into Hudson´s Bay“.
Rund 200 Jahre kontrollierte HBC vor allem den lukrativen Handel mit Pelzen, dann kaufte Kanada der Gesellschaft die Rechte wieder ab. HBC änderte daraufhin die Ausrichtung, stieg in den Großhandel ein und versorgte Siedler. Auch in der Schifffahrt und im Handel mit Öl und Gas war HBC tätig, bevor sich die Gesellschaft in den 1990er Jahren wieder auf den klassischen Einzelhandel konzentrierte.
Die Hudson’s Bay Company fokussierte sich stets auf Aktivitäten in Kanada und Nordamerika - bis 1970 war ihr Sitz aber London.
Die Historie der HBC ist derart eng mit der Kanadas verknüpft, dass seine Chefs bis heute Gouverneure heißen. Heute hat diesen Posten der US-Amerikaner Richard Baker inne, der das Unternehmen 2008 erwarb. Baker gilt als strategischer und ehrgeiziger Konzernlenker
Schon vor der HBC-Übernahme hatte Baker 2006 amerikanisch Traditionskaufhauskette Lord & Taylor für knapp eine Milliarde Euro gekauft und das Geschäft durch Beleihung der Immobilien finanziert. Auch den vollständigen Kauf der Hudson’s Bay Company im Jahr 2008 finanzierte Baker hauptsächlich durch Schulden. Für rund 2,2 Milliarden Euro kaufte HBC 2013 schließlich die amerikanische Nobelkette Saks Fifth Avenue und deren Ableger OFF 5th. Erneut die entscheidende Geldquelle: beliehene Immobilien. 2015 machte der Konzern klar, in Zukunft auch außerhalb des nordamerikanischen Marktes wachsen zu wollen - durch Zukäufe wie Kaufhof. Neuestes Projekt ist die Einführung der Discount-Luxuskette Saks Off 5th in Deutschland.
Neben der namensgebenden Hudson’s Bay Company gehören zum HBC-Imperium eine ganze Reihe von Handelsunternehmen in Nordamerika. In Kanada ist es die Einrichtungshauskette Home Outfitters. In den USA hat HBC das Luxuskaufhaus Lord & Taylor, die Edelkaufhauskette Saks Fifth Avenue und deren Discount-Designer-Ableger Saks Fifth Avenue OFF 5th übernommen.
Als starkes Rückgrat der Hudson’s Bay Company gelten die Warenhausimmobilien im Besitz des Konzerns. Ihr Wert wird auf etwa 9,6 Milliarden kanadische Dollar geschätzt, rund 6,7 Milliarden Euro. Allein der Saks Fifth Avenue Flagship Store in New York soll mehr als drei Milliarden Euro wert sein.
Mit Saks Fifth Avenue, der Kernmarke Hudson's Bay, der Modekette Lord & Taylor und dem Haushaltswarenhändler Home Outfitters machte HBC zuletzt einen Umsatz von gut neun Milliarden Euro und rund 420 Millionen Euro Gewinn.
Der erste Laden der amerikanischen Luxux-Kaufhauskette wurde 1924 von Horace Saks zusammen mit einer Geschäftspartner auf der New Yorker 5th Avenue eröffnet. 1992 gründete das Unternehmen sein erstes Outletgeschäft in Pennsylvania. Als 1995 weitere Läden eröffnet werden sollten, wurde das Geschäft in Saks Off 5th umbenannt. 2013 übernahm HBC das Unternehmen. Im Jahr 2016 gab es weltweit 41 Fililalen von Saks Fifth Avenue und 117 von Saks Off 5th.
Vier Monate sind seit der Tagung vergangen und die Lage hat sich seither nicht gebessert. Im Gegenteil: HBC hatte am Mittwoch erneute Umsatzeinbußen in Europa von 3,4 Prozent im wichtigen Adventsquartal bekannt gegeben. Der Europa-Ableger, zu dem neben Kaufhof auch die belgische Warenhauskette Galeria Inno, die niederländischen Filialen von Hudson’s Bay sowie die europäischen Standorte der Nobel-Outletkette Saks off 5th gehören, steckt tief in den roten Zahlen. Im Geschäftsjahr 2016/17 schrieb HBC Europe einen Verlust von insgesamt rund 116 Millionen Euro, das geht aus dem im Bundesanzeiger veröffentlichen Jahresabschluss hervor. Im letzten Geschäftsjahr dürfte es kaum besser gelaufen sein. Vor allem Kaufhof stecke in einer „ausgeprägten Ertragskrise“, zitiert der Spiegel jetzt aus einem internen Papier der deutschen Geschäftsführung. Ohne weitere drastische Sanierungsmaßnahmen werde Kaufhof „kurz- bis mittelfristig in einer substanziellen wirtschaftlichen Notlage verbleiben“. Auch um die Liquidität sei es nicht gut bestellt: „Ohne Gegenmaßnahmen droht die Zahlungsunfähigkeit.“
So dramatisch die Worte zunächst auch klingen, sie müssen eingeordnet werden. Das interne Papier sollte offenbar dazu dienen, die Gewerkschaft Verdi und die Arbeitnehmervertreter von der Notwendigkeit zu Zugeständnissen bei den geplanten Sparmaßnahmen zu „überzeugen“, es ist also teilweise auch als Druck- und Drohkulisse zu verstehen.