Sein Kommentar fiel lax aus: „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, sagte der österreichische Immobilieninvestor René Benko, nachdem er Anfang 2012 das erste Mal mit dem Versuch gescheitert war, die Warenhauskette Galeria Kaufhof zu übernehmen. Jetzt, mehr als sechs Jahre später, könnte Benkos Parole Realität werden. Nach Informationen der WirtschaftsWoche haben der kanadische Handelskonzern Hudson’s Bay (HBC), dem die Warenhauskette Kaufhof gehört, und Karstadt-Eigentümer Benko am 3. Juli eine knapp 200 Seiten lange Absichtserklärung unterschrieben. Danach sollen Kaufhof, Karstadt und Karstadt Sport in ein Joint Venture eingebracht werden. Benkos Firma Signa soll demnach etwas mehr als die Hälfte der Anteile an dem Gemeinschaftsunternehmen bekommen und das operative Geschäft managen.
Läuft alles nach Plan, hätte der Österreicher damit sein Ziel erreicht, die Deutsche Warenhaus AG zu schmieden. Eine Idee, an der schon etliche Handelsgranden vor ihm gescheitert sind – und die auch jetzt noch nicht endgültig besiegelt ist. Doch noch nie in der Geschichte von Kaufhof und Karstadt war eine Allianz wohl so nahe.
Dabei beschäftigt die K-Frage den österreichischen Investor bereits seit 2011. Damals war er bereit, rund zwei Milliarden Euro für Kaufhof zu zahlen - und er hatte eigentlich gute Karten. Denn sein Konkurrent im ersten Bieterkampf war der damalige Karstadt-Eigentümer Nicolas Berggruen. Dessen Plan, „die beiden großen deutschen Warenhausketten unter einem Dach“ zu vereinen, traf beim Verkäufer – dem Düsseldorfer Metro-Konzern – auf wenig Begeisterung. Zu groß war die Angst vor einem radikalen Jobabbau und entsprechenden Negativschlagzeilen bei einem Deal mit Berggruen.
Schnell steuerte der Verkauf daher auf Benko zu, der beteuerte, er wolle investieren und expandieren, statt Kaufhof-Filialen zu schließen. Am Ende scheiterte der Verkauf jedoch am Veto des neuen Metro-Chefs Olaf Koch. Er zweifelte an Benkos Fähigkeit, den Kaufpreis zu stemmen. Für den Österreicher hatte der Einsatz dennoch Folgen: Er knüpfte Kontakt zu Berggruen und stieg statt bei Kaufhof bei Karstadt ein. Zunächst übernahm Benko die ersten Warenhausimmobilien von Karstadt, bevor er sich die Mehrheit am operativen Geschäft der Sport- und Premiumhäuser sicherte und 2014 letztlich auch die Kontrolle über die klassischen Karstadt-Häuser.
Nur ein Jahr später zog Benko erneut in die Bieterschlacht um Kaufhof. Diesmal mit dem erklärten Ziel, die beiden Konkurrenten zu fusionieren. Wieder verhandelte er mit Metro-Chef Koch über die Warenhäuser. Wieder ging Benko leer aus. Entsprechend trotzig las sich die offizielle Erklärung seines Unternehmens zum Ausgang des Verkaufs: Man habe sich „intensiv und gewissenhaft vorbereitet, um die beiden deutschen Traditionsmarken Kaufhof und Karstadt gemeinsam in eine gute Zukunft zu führen“, hieß es in einer Mitteilung. „Dies ist nun nicht mehr möglich.“
Zwei deutsche Traditions-Warenhäuser
Kaufhof mit Sitz in Köln blickt auf eine fast 140-jährige Geschichte zurück: 1879 eröffnete der Kaufmann Leonhard Tietz in Stralsund ein Textilgeschäft und legte damit den Grundstein. Im Geschäftsjahr 2016/2017 (zum 31. Januar) erwirtschaftete der Konzern mit damals knapp 21.500 Mitarbeitern rund 2,9 Milliarden Euro Umsatz. Unter dem Strich stand laut einem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte ein Jahresfehlbetrag von 88 Millionen Euro. Seitdem weist der Eigner HBC keine seperaten Zahlen mehr für sein Deutschland-Geschäft aus. Doch zuletzt verbuchte Kaufhof ein Umsatzminus – die vergleichbaren Erlöse im Europa-Geschäft um die deutsche Kette seien um sechs Prozent gesunken, teilte HBC Anfang Juni mit. Für Kaufhof arbeiten dem Unternehmen zufolge aktuell noch rund 18.000 Menschen.
Der Warenhauskonzern betreibt in Deutschland 96 Warenhäuser. HBC ist zudem auch in den Niederlanden und Belgien aktiv. Kaufhof gehört seit dem 1. Oktober 2015 zu dem nordamerikanischen Konzern, der sie für 2,8 Milliarden Euro vom Handelsriesen Metro übernommen hatte. Um die Übernahme zu finanzieren, hatte HBC dann 41 Warenhaus-Immobilien in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem Investor Simon Property eingebracht. An den Immobilien hat Benko auch immer wieder Interesse gezeigt. Zuletzt hatte er Insidern rund drei Milliarden Euro für Kaufhof geboten - war damit aber zu Jahresbeginn bei HBC abgeblitzt.
Der 1881 von Rudolph Karstadt in Wismar gegründete Erzrivale hat eine wechselhafte Historie hinter sich. Nach Höhen und Tiefen war Karstadt 2009 zusammen mit der damaligen Konzernmutter Arcandor in die Insolvenz geschlittert. 2010 übernahm der Milliardär Nicolas Berggruen Karstadt. Vier Jahre später reichte er das Unternehmen an den österreichischen Immobilien-Investor Benko weiter. Benko machte sich an die Sanierung der Kette, die er in das Warenhausgeschäft, einen Sportbereich und die Luxus-Warenhäuser um das Berliner KaDeWe aufteilte.
Das Warenhausgeschäft unter dem Namen Karstadt umfasst noch 79 Warenhäuser in Deutschland, in diesem Jahr sollen zwei neue Filialen in Berlin eröffnet werden. Rund 15.000 Menschen arbeiten für die Kette. Karstadt hatte zuletzt für das Geschäftsjahr 2016/17 (per Ende September) Zahlen vorgelegt. Demzufolge schrumpfte der Einzelhandelsumsatz um 1,8 Prozent auf rund 1,9 Milliarden Euro. Die Verlustzone konnte Karstadt dagegen verlassen - unter dem Strich stand ein Überschuss von 1,4 Millionen Euro nach einem Minus von 7,5 Millionen Euro im Jahr zuvor. Für das laufende Geschäftsjahr peilt der Konzern ein „ausgeglichenes Jahresergebnis“ an.
Stattdessen machte der kanadische Handelskonzern HBC das Rennen. Bitter: Auf der Pressekonferenz zur Übernahme von Kaufhof machte Metro-Chef Koch indirekt deutlich, dass er Benko nicht für den geeigneten Warenhaus-Lenker hält. HBC sei stets der Top-Kandidat gewesen: Die Anforderungen an Jobgarantien, Finanzierung und Konzept für die Zukunft seien von anderen Bietern nicht im gewünschten Maße erfüllt worden, ließ Koch wissen.
Benko ließ dennoch nicht locker. Selbst nach der Pressekonferenz – als HBC als Käufer längst feststand – preschten die Österreicher erneut vor und boten Metro die kurzfristige Wiederaufnahme der Kaufhof-Gespräche an. Auch dieser dritte Vorstoß blieb ohne Erfolg.
Gehälter könnten sinken
Im September 2017 folgte schließlich die Fortsetzung. Diesmal wandte sich Benko an HBC-Großaktionär Richard Baker und lockte mit einem rund drei Milliarden Euro schweren Angebot. Doch HBC zeigte sich von Anfang an reserviert. Im Februar lehnten Management und Aufsichtsrat des Unternehmens die Offerte schließlich ab.
Erst jetzt – im mittlerweile fünften Anlauf – scheint Benko mehr Fortune zu haben, auch wenn es dabei zumindest im ersten Schritt nicht auf eine Übernahme von Kaufhof hinausläuft, sondern auf ein Gemeinschaftsunternehmen. So trägt das am 3. Juli zwischen HBC und Signa unterzeichnete Papier den Titel „Vereinbarung zu einer Fusion unter Gleichen im europäischen Warenhaus-Geschäft („Wrapper Agreement proposed Merger of Equals for the European Department Store Business“).
Der Stammsitz des neuen Unternehmens soll Verhandlungskreisen zufolge entweder in Köln oder an einem anderen Standort in Nordrhein-Westfalen angesiedelt werden soll. Als relativ sicher gilt, dass der Karstadt-Stammsitz in Essen wegfällt. Weder HBC noch Signa wollten Fragen zu dem Geschäft beantworten.
Laut der Vereinbarung vom 3. Juli soll sich Signa auch mit je 50 Prozent an zwei Immobilienpaketen beteiligen, die mit Kaufhof-Objekten bestückt sind. Kommt die Vereinbarung so zustande wie aktuell avisiert, müsste Signa allein für die Anteile an den Immobilien mehr als 800 Millionen Euro zahlen. Hinzu käme laut Vertrag noch ein Betrag von 100 Millionen Euro, den Signa im Zusammenhang mit der Verschmelzung der Warenhausketten an HBC zahlen soll.
Welche Auswirkungen der Zusammenschluss für die Mitarbeiter der beiden Ketten hat, ist bislang nicht genau geklärt. Die Verwaltung und der Einkauf sollen zusammengelegt und Arbeitsplätze abgebaut werden, heißt es dem Magazin zufolge in Verhandlungskreisen. Die Schließung von Filialen im großen Stil stehe dagegen nicht zur Debatte. Zur Disposition stünden etwa 15 Filialen, die ohnehin nicht gut liefen, heißt es.
Im Umfeld von Signa wie auch im Umfeld von HBC wird es als unwahrscheinlich angesehen, dass die Mitarbeiter von Kaufhof nach dem Zusammenschluss weiterhin nach dem Flächentarifvertrag bezahlt werden. Bei Karstadt gilt bereits ein deutlich schlechterer Haustarifvertrag. Im Umfeld der Parteien heißt es, dass entweder ein Sanierungstarifvertrag für beide Ketten abgeschlossen oder der Haustarif von Karstadt auch für Kaufhof gelten solle.
Noch in diesem Sommer dürfte sich zeigen, ob aus den Eckpunkten Realität wird.