Galeria Kaufhof Wie Benko die Übernahme stemmen will

René Benko will eine Deutsche Warenhaus AG formen. Der Plan des Karstadt-Eigners steht. Doch Verbindungen nach Liechtenstein werfen Fragen auf.

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René Benko Quelle: Getty Images

Die Zukunft der deutschen Warenhäuser liegt gleich gegenüber der Kaufhof-Filiale an der Düsseldorfer Schadowstraße. Nur 20 Meter Luftlinie trennen den Kaufhof-Standort von einer Karstadt-Filiale. Dort war am frühen Dienstagabend ein seltsames Schauspiel zu beobachten: In Gruppen von 20 bis 30 Personen pilgerten Warenhausmanager – bei laufendem Betrieb – über Stunden durch das Haus und informierten sich an rund 20 Stationen über die neuesten Technologien im Handel: eine Umkleidekabine, die das Licht je nach ausgewähltem Produkt ändert, weil das elektronische Preisetikett Daten an die Lichtanlage sendet; einen Touchscreen-Spiegel, der anzeigt, ob die Bluse oder Hose noch in anderen Größen und Farben vorrätig ist oder ein mobiles Kassengerät, das es dem Kunden ermöglicht, gleich am Regal zu zahlen.

„In dieser Dichte gibt es diese Technologien weltweit nirgendwo“, schwärmte Karstadt-Finanzvorstand Miguel Müllenbach. Rund 300 Manager des Warenhauskonzerns hörten zu, sie waren hierher zur Führungskräftekonferenz geladen. Anschließend entspannten sich die drei Hundertschaften im Restaurant im dritten Stock bei Rheinischem Sauerbraten und Gemüse aus dem Wok. Mittendrin: Signa-Großaktionär und Karstadt-Inhaber René Benko.

Alles im Griff Karstadt-Inhaber Benko (mit seiner Frau Nathalie) hat die Finanzierung des drei Milliarden schweren Kaufhof-Deals sicher. Quelle: Getty Images

Die Leistungsschau in Düsseldorf direkt vor den Augen des Erzrivalen Kaufhof passt zu ihm. Aus dem Nichts baute der 40-Jährige ein milliardenschweres Immobilienimperium auf, zu dem unter anderem die Luxus-Shoppingpassage das Goldene Quartier und das Fünf-Sterne-Hotel Park Hyatt in Wien und eben seit 2014 Karstadt gehören. Und dieses Reich will er nun erweitern: Der Immobilienunternehmer aus Österreich will dem kanadischen Einzelhandelskonzern Hudson’s Bay (HBC) die Tochter Galeria Kaufhof abkaufen und schaffen, woran so viele vor ihm gescheitert sind: die Deutsche Warenhaus AG, einen Handelsriesen mit 192 Kaufhäusern in Deutschland und Belgien, 4,9 Milliarden Euro Umsatz und 36 000 Mitarbeitern.

Anzahl der Warenhäuser der großen Warenhausunternehmen

Das ist der strahlende Plan. Er ist maßgeblich davon abhängig, dass ein mutiger und solider Unternehmer antritt, um zu einen, was bisher nicht zusammenwollte. Und mutig ist Benko tatsächlich bisher immer gewesen. Doch ist er auch solide?

Nach Informationen der WirtschaftsWoche hat Benko die Finanzierung des drei Milliarden schweren Deals zwar sicher. Und da Kaufhof in diesem Jahr bislang einen sechsstelligen Millionenbetrag Verlust produziert haben soll, steht HBC-Chef Richard Baker auch unter Verkaufsdruck. Doch wer sich mit Benkos Firmenreich beschäftigt, stößt nicht nur auf beeindruckende Geschäfte, sondern auch auf Deals, die zumindest Fragen aufwerfen. So hält er etwa geheim, wer sich an den Luxuskaufhäusern KaDeWe, Oberpollinger und Alsterhaus beteiligt hat. Zudem bestehen Unklarheiten im Zusammenhang mit der gerade durchgeführten milliardenschweren Kapitalerhöhung.

Kann so jemand den größten Deal im deutschen Handel seit Langem stemmen?

Ein Großaktionär zum Riechen

Wer durch die Zentrale des Immobilienkonzerns Signa im Palais Harrach in der Wiener Innenstadt geht, der kann den Großaktionär manchmal riechen. Ein leichter Hauch von Zigarre, der in den Fluren liegt, verrät: Benko war hier, und wahrscheinlich hatte er wieder eine lange anstrengende Nacht. Anstrengende, durchgearbeitete Nächte dürfte es im Leben von René Benko in den vergangenen Jahren viele gegeben haben. Mit 17 Jahren brach der Sohn eines Gemeindebeamten und einer Erzieherin die Schule ab. 1999, mit Anfang 20, gründete er seine erste Firma. Er kaufte, so will es jedenfalls die Legende, zwei Dachböden, die er zu Luxusapartments umbaute.

Die Säulen seiner Unternehmensgruppe bilden heute zwei Gesellschaften: Die Signa Holding hält Anteile an Firmen, die im Immobiliengeschäft sind. Hier ist auch Karstadt angesiedelt. Rund 85 Prozent gehören der Familie Benko Privatstiftung. Die restlichen Anteile halten Ernst Tanner, Verwaltungsratspräsident des Schokoladenherstellers Lind&Sprüngli, und Torsten Toeller, Gründer der Tierbedarfskette Fressnapf.

Zweite Kerngesellschaft im Benko-Reich ist die Signa Prime AG, die viele bekannte Immobilien besitzt und nach eigenen Angaben auf ein Bruttovermögen von 8,5 Milliarden Euro kommt. Größter Aktionär war Anfang Oktober mittelbar die Signa Holding. Die restlichen Anteile verteilen sich auf namhafte Persönlichkeiten wie den Exrennfahrer Niki Lauda oder Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner und institutionelle Investoren wie die deutsche RAG Stiftung.

Weggefährten von Benko beeindruckt vor allem, dass er sich was traut – zum Beispiel die taumelnde Warenhauskette Karstadt von Niklas Berggruen zu übernehmen. Benko machte den erfahrenen Handelsmanager Stephan Fanderl zum Vorstandschef. Ein Glücksgriff bis dato.

Fanderl richtete Kartstadt neu aus, strich rund 3000 Stellen und sperrte drei Filialen zu. Parallel etablierte der ehemalige Metro- und Rewe-Kader ein Warensystem, mit dem besonders ertragreiche Produkte identifiziert und die Auswahl besser auf die Bedürfnisse vor Ort angepasst werden kann. Als Benko 2014 übernahm, machte Karstadt vor Zinsen Steuern und Abschreibungen (Ebitda) 86 Millionen Euro Verlust. Im laufenden Geschäftsjahr soll das Ebitda nach Informationen der WirtschaftsWoche mit 87 Millionen Euro positiv sein. Während 2014 noch 30 der damals 82 Häuser Geld verbrannten, ist es heute noch ein Haus, zeigen interne Daten. Erstmals seit Jahren schreibt Karstadt wieder schwarze Zahlen. „Wir haben alle Versprechen gehalten“, heißt es aus der Führungsriege.

Nicht nur Meisterwerke

Wer in Benkos Firmengeflecht tiefer eintaucht, findet aber nicht nur Meisterwerke wie dieses. So bestätigte die Signa Anfang 2015 einen Zeitungsbericht, wonach das Unternehmen aus einer Partnerschaft mit Benny Steinmetz aussteige. Der Diamantenhändler bekäme einige der Karstadt-Filialen und Signa im Gegenzug die Anteile an den Premiumkaufhäusern KaDeWe in Berlin, Oberpollinger in München und Alsterhaus in Hamburg. Es entstand der Eindruck, diese Häuser gehörten ihm fortan allein.

Doch dieser Eindruck ist nicht ganz richtig. Laut Handelsregister gab es seit 2014 einen neuen Mitgesellschafter – eine Liechtensteiner Stiftung namens INGBE mit Sitz in Vaduz. Ein nicht unwesentlicher Umstand, wenn man bedenkt, dass die drei Objekte Ende 2015 zusammen gut eine Milliarde Euro wert waren.

Arbeitsplätze in Gefahr

Wer als Finanzier hinter der Stiftung steht, hält Benko geheim. Ein Signa-Sprecher versicherte, es handele sich um einen seriösen Investor, der aber nicht genannt werden wolle.

Anlass für Fragen bietet auf den ersten Blick auch die Kapitalerhöhung der Signa Prime Anfang Oktober. „Um die erfolgreiche Wachstumsstrategie des Unternehmens nachhaltig verfolgen und das Portfolio an außergewöhnlichen Immobilien ausbauen zu können“, erklärt das Unternehmen in einer Mitteilung, sei das Aktionärskapital des Unternehmens um eine Milliarde auf über vier Milliarden Euro erhöht worden.

Bei einigen Bankern und im Umfeld von Benko hatte die Mitteilung den Eindruck erweckt, der Signa-Familie fließe eine Milliarde frisches Kapital in bar zu. Das aber stimmt so nicht ganz. Zunächst einmal handelt es sich im Kern nicht um eine Barkapital-, sondern um eine Sachkapitalerhöhung. Die Signa Prime übernimmt die Anteile an vier GmbHs und gibt dafür Aktien im Gegenwert von rund einer Milliarde Euro aus.

Eine dieser Gesellschaften, die an die Prime gehen, soll Aktien im Gegenwert von rund 330 Millionen Euro wert sein. Sie bringt Anteile an Immobiliengesellschaften mit. Bisheriger Eigentümer: eine Stiftung von Benkos Familie und die Signa Holding. Gut ein Drittel der Kapitalerhöhung fließt also nicht in Cash, sondern in Form von Immobilien.

Die zweite Gesellschaft bringt eine Forderung gegen ihre Gesellschafter in Höhe von knapp 600 Millionen Euro mit zur Signa Prime, die noch in diesem Jahr beglichen werden soll. Der Gesellschafter ist mit einem Anteil von 95 Prozent eine Tochter der Signa Holding.

Ein Signa-Sprecher erklärt, dass die Verbindlichkeit teilweise an externe Investoren weitergereicht worden sei, unter anderem an den Bauunternehmer Haselsteiner. Das heißt aber auch: Die Kapitalerhöhung verbleibt zum Teil bei der Signa Holding, also in der Familie.

Schreckensszenario für Mitarbeiter

Benko bietet nun drei Milliarden Euro für Kaufhof, inklusive der Immobilien. Auf den Häusern lasten gut 1,4 Milliarden Euro Schulden, die vom Kaufpreis abzuziehen wären. Es bliebe ein Betrag von mehr als eine Milliarde Euro übrig. Die Raiffeisen Zentralbank in Österreich hat zugesagt, 700 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Die Zusage für die Finanzierung steht unter dem Vorbehalt einer Kreditprüfung, heißt es.

Die US-Kanzlei Skadden und die Beratungsgesellschaft Evercore begleiten die Transaktion. „Die würden sich dafür nicht hergeben, wenn Benko nicht nachgewiesen hätte, dass er den Deal bezahlen kann“, sagt ein Handelsexperte. Aus dem Signa-Umfeld ist zu hören, dass eine Due Dilligence binnen zwei Wochen machbar sei. Vor zwei Jahren, als Signa den Kaufhof schon einmal übernehmen wollte, hätten sie schließlich „alles schon mal geprüft“. Von Signa-Seite ließe sich der Deal bis Weihnachten besiegeln.

Die Deutsche Warenhaus AG ist zum Greifen nah – ein Schreckensszenario für die Mitarbeiter: „Ich rechne damit, dass eine Fusion mindestens jeden vierten der insgesamt rund 36 000 Arbeitsplätze kosten wird“, sagt Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein. Ein Insider hält die Zahlen für zu hoch gegriffen, räumt aber ein, dass es Sparpotenzial beim Personal gibt.

Kick-Off-Meeting Ende November

Die Gewerkschaft DHV lehnt die Signa-Pläne kategorisch ab. Bei einem Zusammenschluss wäre zum Beispiel „nur eine Konzernzentrale notwendig, vom Abbau in der Fläche ganz zu schweigen“, sagt der für Kaufhof zuständige hessische DHV-Landesgeschäftsführer Alexander Henf. Der Verlust an Arbeitsplätzen werde nicht dazu führen, dass ein gemeinsames Unternehmen wettbewerbsfähiger wird. Bei der konkurrierenden Gewerkschaft Verdi hält man sich bedeckt. Die Gewerkschafter verhandeln in Kürze mit HBC-Europa-Chef Wolfgang Link über einen neuen Tarifvertrag, der Einschnitte bei den Gehältern der Beschäftigten vorsieht. Ende November ist ein erstes „Kick-Off-Meeting“ geplant, heißt es im Umfeld der Beteiligten. „Im Februar sollten die Gespräche durch sein.“

Ob Kaufhof dann noch zu HBC gehört, scheint fraglich. Allein im ersten Halbjahr des aktuellen Geschäftsjahrs hat die Gruppe umgerechnet 284 Millionen Euro Verlust gemacht, fast doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum. Das dritte Quartal soll nicht besser gewesen sein. Allein der Kaufhof hat im laufenden Jahr bislang rund 100 Millionen Euro verbrannt. Vor diesem Hintergrund stünden die Aussichten nicht schlecht, dass ein Deal zustande kommt, glaubt Experte Heinemann. Die Kanadier hätten sich mit dem Kaufhof schlicht verzockt.

von Henryk Hielscher, Mario Brück, Melanie Bergermann

Und nicht nur damit. In den Niederlanden öffnen zehn neue Hudson’s-Bay-Kaufhäuser ihre Türen. Die Anlaufverluste belaufen sich Insidern zufolge auf rund 50 Millionen Euro. Sie seien etwas höher ausgefallen als geplant. „Die Läden waren zwar voll, doch es wurde wenig verkauft“, heißt es intern. Die neuen Filialen von Saks Off Fifth werfen weniger ab als erwartet.

Dank Benko hat Baker die Chance, zumindest aus dem Desaster in Deutschland mit einem blauen Auge herauszukommen. Der Betrag den Benko bietet, liegt über der Summe, die HBC für Kaufhof gezahlt hat.

Vor einigen Monaten noch wäre es dennoch kaum denkbar gewesen, dass Baker das Angebot ernsthaft prüft. Für ihn sei Benko eine Unperson, heißt es in Bakers Umfeld. Die HBC-Seite hat den Verdacht, dass Personen aus „der Sphäre“ von Benko in den vergangenen Monaten bei Banken Zweifel an der Zahlungsfähigkeit von HBC geschürt haben. Signa äußerte sich auf Nachfrage hierzu nicht.

So hieß es auch noch vor wenigen Monaten in Bakers Umfeld: „Eher würde er im Hochzeitskleid über die Fifth Avenue in New York tanzen als an Benko zu verkaufen.“ Solche Attitüden kann er sich womöglich aber gar nicht mehr leisten.

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