Sonst sind im Hochsommer vor allem Ventilatoren, Klimaanlagen und vielleicht auch noch Heizstrahler für die Terrasse gefragt. Doch in diesem Jahr ist das anders. Aus Angst vor Gasengpässen im Winter entwickeln sich in Baumärkten und im Elektronikhandel aktuell Heizlüfter, Konvektorheizungen und Ölradiatoren zu Verkaufsschlagern. Wer Pech hat, steht auch schon einmal vor leeren Regalen.
„Wir sehen derzeit eine überdurchschnittliche Nachfrage nach elektrischen Heizgeräten“, heißt es bei Deutschlands größten Elektronikhändlern Media Markt und Saturn. „Wir liegen bei den Verkaufszahlen 100 Prozent über dem Vorjahr“, berichtet auch Florian Preuß von der Baumarktkette Hornbach. Gerade in den letzten drei Wochen habe sich die Nachfrage noch einmal verstärkt.
Bei der Preisvergleichsplattform Idealo wurden im Juni Elektroheizungen mehr als vier Mal so häufig nachgefragt wie im gleichen Monat des Vorjahres. Bei Kaminen und Öfen lag das Plus bei 280 Prozent. Immer mehr Menschen sähen sich angesichts der aktuellen Gaskrise nach alternativen Wärmequellen um, berichtete Idealo.
Die Angst, Russland könnte Europa wegen des Ukrainekrieges den Gashahn zudrehen und das könnte ganz konkrete Auswirkungen auf die eigenen vier Wände haben, treibt immer mehr Menschen um. Teils aus Angst in einer kalten Wohnung zu sitzen, teils vielleicht auch nur aus Sorge vor etwas kühleren Temperaturen.
Schließlich wird in der Politik zum Einsparen von Gas immer wieder ein Absenken der Heiztemperatur auch in den Wohnungen ins Gespräch gebracht und der Immobilienkonzern Vonovia hat bereits angekündigt, die Nachttemperaturen in den Wohnungen seiner Mieter reduzieren zu wollen.
Media Markt und Saturn erhöhen Bestände
Heizlüfter, Konvektoren und Radiatoren scheinen da eine zumindest in der Anschaffung noch recht billige Lösung. Das sorgt inzwischen hier und da schon einmal für leere Regale. Es habe durchaus Fälle gegeben, wo am Montag das Regal mit einer neuen Lieferung Heizlüfter bestückt worden sei und nur ein Tag später sei alles weg gewesen, heißt es in der Baumarkt-Branche.
Wissenswertes zur Gaspipeline Nord Stream 1
Die Pipeline besteht aus einer Doppelröhre mit einer Länge von je 1224 Kilometer Länge. Sie verbindet Wyborg in Russland mit Lubmin bei Greifswald. Baubeginn war April 2010. Die erste Röhre wurde 2011 in Betrieb genommen, die zweite 2012. Sie sollten Europa dem Betreiber zufolge mindestens 50 Jahre mit Gas versorgen. Die Investitionskosten beliefen sich auf 7,4 Milliarden Euro. Die parallel laufenden Stränge bestehen aus über 200.000 Röhren, die mit Beton ummantelt sind.
Die Pipeline gehört der Nord Stream AG mit Sitz in Zug in der Schweiz. Die Anteilseigner des Konsortiums sind zu 51 Prozent der russische Gazprom-Konzern, zu je 15,5 Prozent die deutschen Energiekonzerne E.On und Wintershall Dea und zu je neun Prozent die niederländische Gasunie und der französische Versorger Engie.
(Stand: Juli 2023, Quelle: nord-stream.com)
Die Röhren gehören zu den wichtigsten Pipelines, über die Gas aus Russland nach Deutschland und in weitere europäische Ländern transportiert wird. Zusammen haben beide Röhren eine Kapazität von jährlich 55 Milliarden Kubikmeter. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Jahresverbrauch in Deutschland lag in den vergangenen Jahren bei rund 100 Milliarden Kubikmeter.
Die Leitungen sind außer Betrieb (Stand: Juli 2023).
Entlang der Route der ersten Pipeline wurde in den vergangenen Jahren eine weitere Doppelröhre, die Nord Stream 2, errichtet. Sie war nach russischen Angaben im September 2021 fertiggestellt, bekam aber nicht die endgültige Betriebsfreigabe durch die deutschen Behörden. Wie schon bei Nord Stream 1 gab es auch gegen Nord Stream 2 Widerstand unter anderem aus den USA, Polen und der Ukraine.
Im Zuge der Sanktionen des Westens gegen Russland wegen des Einmarschs in der Ukraine kam das Aus. Ob die Pipeline je in Betrieb gehen wird, ist offen (Stand: Juli 2023).
Das soll allerdings nicht heißen, dass der Markt leer gefegt ist. Die Versorgungslage sei derzeit nicht angespannt, heißt es beim Baumärkte-Verband BHB. „Selbst, wenn einmal ein bestimmtes Produkt oder eine spezielle Marke gerade nicht im Regal steht, können die Händler immer auf alternative Produkte zurückgreifen.“
Auch Media Markt und Saturn betonen: „Wir haben die Bestände rechtzeitig erhöht und sind gut vorbereitet. Aktuell finden die Kunden sowohl stationär wie auch online noch passende Produkte.“ Eine gewisse Flexibilität hilft hier natürlich – und manchmal wohl auch ein bisschen Geduld.
Der Geschäftsführer des Handelsverbandes Technik (BVT), Steffen Kahnt, jedenfalls ist überzeugt: „Die Händler werden jetzt versuchen, sich mit mehr Ware einzudecken.“ Bis zum Winter sei auch noch genug Zeit, weitere Ware aus dem Fernen Osten hierherzubringen. Dass die Lieferanten nicht genug produzieren können, hält er für unwahrscheinlich. Schließlich gebe es ja keinen weltweit erhöhten Bedarf an Heizgeräten. Das Problem stelle sich aktuell nur in Europa.
Allerdings gibt es auch einige in der Branche, die die Lage etwas anders beurteilen. Ein Branchenkenner, der nicht genannt werden möchte, rechnet damit, dass das Thema erst nach den Sommerferien richtig Fahrt aufnehmen wird. „Im Moment haben wir eine Hitzewelle und die Leute sind in Urlaub. Sobald der Herbst kommt und die ersten drei kalten Nächte auf uns zukommen, dann wird es ernst“, sagt er.
Dabei sollte das Heizen mit Elektrogeräten wirklich nur eine Notlösung sein. Denn es ist zwar bequem: Stecker in die Steckdose und die Wärme kommt. Aber es ist auch sehr, sehr teuer. „Das macht Sinn, wenn die Gasheizung komplett ausgefallen ist und ich schnell eine Notheizung brauche“, betonte der Energieexperte Reinhard Loch von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
„Aber auf Dauer ist das keine Lösung.“ Das Heizen mit Strom sei derzeit rund drei Mal so teuer wie das Heizen mit Gas. Und es gebe keine Anzeichen, dass sich daran viel ändern werde.
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