Gefährlicher Pilz Die Banane ist in Gefahr

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Vernichtung ganzer Bananenplantagen

Der beginnt vor etwa 120 Jahren, als eine Eisenbahnlinie das Hochland Costa Ricas erstmals mit der Küste verbindet. Fortan können Bananen transportiert werden, ohne dass sie verderben. Die Amerikaner lieben die süßen Früchte aus Mittelamerika, und schnell kommen auch die Europäer auf den Geschmack. Ein lukrativer Markt entsteht, der zunächst von einem Unternehmen dominiert wird: United Fruit Company, heute Chiquita, professionalisiert und vereinnahmt das Geschäft entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die Firma besitzt Plantagen, Eisenbahnen und Schiffe. Die Einheimischen bezeichnen sie als „die Krake“. Bereits um die Jahrhundertwende fahren über 90 Dampfer, voll beladen mit Bananen, unter United-Fruits-Kommando. Mit Dole und Del Monte bleibt auch in der Folge die Zahl der Wettbewerber überschaubar, der Bananenmarkt wird zum klassischen Oligopol.

Doch dann ereilt die Branche in den Fünfzigerjahren ein Unglück, das sich später als Glücksfall erweisen soll und die Unzufriedenheit von Ökonom Morazán mit der heutigen Banane begründet: Die Panamakrankheit bricht aus. Tropical Race 1, die Vorgängerrasse des jetzigen Pilzes, vernichtet großflächig ganze Bananenplantagen. Die Rettung für die Unternehmen liegt in einer geschmacklich minderwertigen Sorte: der Cavendish-Banane. Sie zeigt sich resistent gegen die Seuche.

Diese Leckerbissen waren einst verpönt
HähnchenflügelViel Knochen mit wenig Fleisch dran. Hähnchenflügel wurden früher entsprechend minderwertig angesehen. Menschen griffen lieber zu Schenkeln und zur Brust und warfen die Flügel für die Brühe in den Kochtopf. Das änderte sich als in den 60er Jahren ein US-Amerikaner in Buffalo Hähnchenflügel frittierte und würzige Sauce rüber kippte. Die Erfolgsstory der „Chicken Wings“ begann.   Quelle: Leszek Leszczynski, Creative Commons, CC BY 2.0
KnoblauchWas in Südeuropa dem Essen den richtigen Pfiff gibt, sahen Nordeuropäer und US-Amerikaner bis in den vergangenen Jahrzehnten als eine Zumutung an. Gerade in England galten, Menschen, die  Knoblauch gegessen hatten, als unkultiviert und gehobelt. Für diesen Ruf sorgte der Geruch nach dem Essen. Mit der zunehmenden Einwanderung von Süd- und Osteuropäern in den Norden und in die USA haben auch die Bürger dort die Zehen für sich entdeckt. Quelle: Liz West, Creative Commons, CC BY 2.0
ErdnüsseVon schwarzen Sklaven in die USA gebracht, galten Erdnüsse bis ins 19. Jahrhundert als Essen für die Ärrmsten der Armen und fürs Vieh. Als Erdnüsse zunehmend bei Zirkusvorstellungen und Baseballspielen angeboten wurden, entdeckten sie  immer mehr Bevölkerungsschichten für sich, sodass sie allmählich ihren minderwertigen Ruf verlor. Quelle: Daniella Segura, Creative Commons, CC BY 2.0
HaferbreiIn den USA galt Haferbrei ursprünglich nur als Tierfutter. Erst der deutsche Einwanderer Ferdinand Schumacher zeigte den Amerikanern seinen selbst angebauten Hafer als Alternative zu ihrem Frühstücksfleisch. Während des US-Bürgerkriegs griff die Unionsarmee des Nordens auf Schumachers Hafer zurück, sodass sich Haferbrei allmählich als Frühstücksspeiseetablierte. Quelle: Rachel Hathaway, Creative Commons, CC BY 2.0
TomatenIm 18. und 19. Jahrhundert galten Tomaten als giftig, da einige gutsituierte Menschen nach dem Tomatenverzehr erkrankten und starben. Schuld war jedoch das in guten Kreisen verbreitete bleihaltige Zinngeschirr, dessen giftige Wirkung der Tomatensaft angetrieben hatte. Quelle: dpa
KartoffelnHeute sind Kartoffeln aus Speiseplänen nicht mehr wegzudenken, im 16. und 17. Jahrhundert hatten die Europäer jedoch einige Vorurteile gegenüber den aus Südamerika stammenden Nachtschattengewächsen. So sollten sie Lepra und ungezügelte sexuelle Lust auslösen. In Preußen musste König Friedrich der Große die Menschen zu ihrem Glück zwingen und zwang die Bauern mit den sogenannten Kartoffelbefehlen sie anzubauen. Der druck hat gewirkt. Quelle: dpa
HamburgerHeute servieren auch gehobene Restaurants Hamburger, früher waren sie ein Arme-Leute-Essen. Als Geburtshaus des Hamburgers gilt die seit 1895 in New Haven bestehende Imbissbude Louis‘ Lunch, die Hackfleisch aus unverkauften Steaks zwischen zwei Toastscheiben an eilige Gäste verkauft hat. Quelle: dpa

Die Sorte erweist sich als ertragreich, reift gleichmäßig und wird damit zum Effizienzgaranten auf den Plantagen. Außerdem lässt sie sich hervorragend transportieren – optimal für den Export also. Die Cavendish wird für Europäer und Amerikaner das, was als Banane gilt – und für die Lebensmittelindustrie zur Umsatzmaschine.

Durch die Umstellung auf Cavendish wird der Bananenanbau zur Hochleistungsproduktion. 99 Prozent aller Exportbananen gehören zur Cavendish-Sorte. Sie wachsen fast immer auf Großplantagen, Hunderte von Hektar groß. Noch während die Früchte am Baum hängen, werden sie in Plastikhüllen verpackt, um sie zu schützen. Mit Macheten trennen die Arbeiter die Früchte ab, Seilbahnen bringen die Beutel von der Plantage. Keine 24 Stunden später sind sie in Kisten verpackt auf dem Kühlschiff Richtung Amerika oder Europa. Das macht nur die Cavendish mit.

Sie begründet so ein Prinzip im internationalen Lebensmittelgeschäft: Tausche Geschmack gegen Gewinn. Das Zeitalter der maximal skalierbaren Frucht- und Gemüsesorten beginnt; perfekt für den Handel, angebaut am effizientesten in Monokulturen, die nach und nach alle anderen Sorten verdrängen.

Die meisten der in Deutschland gegessenen Bananen kommen aus Zentralamerika. Ganze Länder sind von der Banane abhängig. In Ecuador leben rund 220 000 Familien von der Bananenproduktion. Doch von den weltweiten Milliardenerlösen der Banane landet hier nur ein kleiner Teil. Rund zwölf Prozent des Bananenverkaufspreises bleibt im Herstellungsland.

Das liegt ebenfalls an der Cavendish: Wenn 99 Prozent aller Exportbananen einer Sorte entspringen, sind auch 99 Prozent aller Exportbananen mehr oder weniger gleich. Es gibt nichts, das einen Aufpreis rechtfertigt. Und so austauschbar wie die Banane selbst wird für den Handel damit auch der Produzent. Den Kunden ist schließlich egal, woher genau die Banane stammt. Sie schmeckt eh immer gleich. Hauptsache, sie ist billig.

Das verschiebt nach und nach die Machtverhältnisse im Bananengeschäft. „Früher hatten die großen Konzerne das Sagen, heute sind es Supermarktketten und Discounter“, sagt Ökonom Morazán.

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