Der beginnt vor etwa 120 Jahren, als eine Eisenbahnlinie das Hochland Costa Ricas erstmals mit der Küste verbindet. Fortan können Bananen transportiert werden, ohne dass sie verderben. Die Amerikaner lieben die süßen Früchte aus Mittelamerika, und schnell kommen auch die Europäer auf den Geschmack. Ein lukrativer Markt entsteht, der zunächst von einem Unternehmen dominiert wird: United Fruit Company, heute Chiquita, professionalisiert und vereinnahmt das Geschäft entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die Firma besitzt Plantagen, Eisenbahnen und Schiffe. Die Einheimischen bezeichnen sie als „die Krake“. Bereits um die Jahrhundertwende fahren über 90 Dampfer, voll beladen mit Bananen, unter United-Fruits-Kommando. Mit Dole und Del Monte bleibt auch in der Folge die Zahl der Wettbewerber überschaubar, der Bananenmarkt wird zum klassischen Oligopol.
Doch dann ereilt die Branche in den Fünfzigerjahren ein Unglück, das sich später als Glücksfall erweisen soll und die Unzufriedenheit von Ökonom Morazán mit der heutigen Banane begründet: Die Panamakrankheit bricht aus. Tropical Race 1, die Vorgängerrasse des jetzigen Pilzes, vernichtet großflächig ganze Bananenplantagen. Die Rettung für die Unternehmen liegt in einer geschmacklich minderwertigen Sorte: der Cavendish-Banane. Sie zeigt sich resistent gegen die Seuche.
Die Sorte erweist sich als ertragreich, reift gleichmäßig und wird damit zum Effizienzgaranten auf den Plantagen. Außerdem lässt sie sich hervorragend transportieren – optimal für den Export also. Die Cavendish wird für Europäer und Amerikaner das, was als Banane gilt – und für die Lebensmittelindustrie zur Umsatzmaschine.
Durch die Umstellung auf Cavendish wird der Bananenanbau zur Hochleistungsproduktion. 99 Prozent aller Exportbananen gehören zur Cavendish-Sorte. Sie wachsen fast immer auf Großplantagen, Hunderte von Hektar groß. Noch während die Früchte am Baum hängen, werden sie in Plastikhüllen verpackt, um sie zu schützen. Mit Macheten trennen die Arbeiter die Früchte ab, Seilbahnen bringen die Beutel von der Plantage. Keine 24 Stunden später sind sie in Kisten verpackt auf dem Kühlschiff Richtung Amerika oder Europa. Das macht nur die Cavendish mit.
Sie begründet so ein Prinzip im internationalen Lebensmittelgeschäft: Tausche Geschmack gegen Gewinn. Das Zeitalter der maximal skalierbaren Frucht- und Gemüsesorten beginnt; perfekt für den Handel, angebaut am effizientesten in Monokulturen, die nach und nach alle anderen Sorten verdrängen.
Die meisten der in Deutschland gegessenen Bananen kommen aus Zentralamerika. Ganze Länder sind von der Banane abhängig. In Ecuador leben rund 220 000 Familien von der Bananenproduktion. Doch von den weltweiten Milliardenerlösen der Banane landet hier nur ein kleiner Teil. Rund zwölf Prozent des Bananenverkaufspreises bleibt im Herstellungsland.
Das liegt ebenfalls an der Cavendish: Wenn 99 Prozent aller Exportbananen einer Sorte entspringen, sind auch 99 Prozent aller Exportbananen mehr oder weniger gleich. Es gibt nichts, das einen Aufpreis rechtfertigt. Und so austauschbar wie die Banane selbst wird für den Handel damit auch der Produzent. Den Kunden ist schließlich egal, woher genau die Banane stammt. Sie schmeckt eh immer gleich. Hauptsache, sie ist billig.
Das verschiebt nach und nach die Machtverhältnisse im Bananengeschäft. „Früher hatten die großen Konzerne das Sagen, heute sind es Supermarktketten und Discounter“, sagt Ökonom Morazán.