Gefährlicher Pilz Die Banane ist in Gefahr

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Zuversicht

Die Branche hat nämlich keinen bisher erkennbaren Plan B, sollte ihre Wunderfrucht ausfallen. Vor allem Chiquita ist abhängig vom Bananengeschäft: Schätzungsweise zwei Drittel seiner drei Milliarden Dollar Umsatz macht das Unternehmen mit den krummen Früchtchen. Ganz genau weiß man das jedoch nicht. Die Bananenkonzerne neigen nicht zu Transparenz. Um sie ranken sich einige Possen in der Vergangenheit, mal ließen sich einzelne an der Börse listen, zogen sich dann wieder zurück. Mal standen Megafusionen auf dem Plan, dann wieder nicht. Ein stetes Hin und Her. Was man nur weiß: Sie sind recht abhängig von der Cavendish-Banane, und generell haben sie zu kämpfen. Da kommt die Seuche eher ungelegen.

Dole-Manager Roussel demonstriert tapfer Zuversicht: „Für uns ist es einfach wichtig, wachsam zu bleiben und uns an die Vorsichtsmaßnahmen zu halten. Und wir glauben, dass es eine Lösung geben wird.“

Doch bislang gibt es keine Lösung.

Oder doch?

An dieser Stelle kommt Andreas Bürkert ins Spiel, ein Agrarwissenschaftler der Universität Kassel. Der neue Hoffnungsträger der Branche.

Andreas Bürkert

Er klettert an einem Nachmittag Ende Januar auf eine Bank in einem Gewächshaus und zählt Bananen. Rund 150 Früchtchen hängen am Stamm der Staude, halb schwebend mehrere Meter über dem Boden. Es riecht nach feuchter Erde. Das Thermometer zeigt 29 Grad, optimale Reifebedingungen. Nur noch wenige Tage, dann kann Bürkert ernten. Doch die süßen Früchte interessieren den Agrarwissenschaftler nicht. Die Pflanze hat eine andere Eigenschaft, die sie besonders macht. Denn Bürkerts Staude kann sich selbst verteidigen. Sobald sie von Schädlingen angegriffen wird, produziert sie einen biochemischen Giftcocktail. Eine natürliche Selbstabwehr gegen Krankheiten und Angreifer.

Der 54-jährige Wissenschaftler, an diesem Tag völlig entspannt mit Birkenstocks und rotem Wollpullover unterwegs, könnte damit die Lösung für das Pilzproblem gefunden haben.

Bürkert kam vor zehn Jahren von einer Expedition im Oman zurück. Er war mit einem alten Militärhubschrauber in die Ödnis geflogen, um unentdeckte Bananensorten zu finden. Im Tausch gegen seine Armbanduhr brachte ihm ein Einheimischer eine Pflanze aus den Felswänden der Oase. „Als wir mit dem Setzling in den Helikopter stiegen, ahnten wir nicht, welchen Schatz wir an Bord hatten“, erzählt Bürkert. Die Banane hatte nicht nur eine ungewöhnlich kaminrote Blüte und Früchte, die nach Apfel schmecken. In seinem Labor merkte der Wissenschaftler, dass Würmer und andere Angreifer starben, kurz nachdem sie an der Banane knabberten.

Seit er mit seiner resistenten Banane an die Öffentlichkeit ging, interessieren sich Dole, Chiquita und Co. sehr für ihn. Die Hoffnung: Könnte man die resistenten Eigenschaften der Oman-Banane gentechnisch auf andere Sorten übertragen, die mehr an die klassische Banane erinnern, könnte man womöglich den Kampf gegen Tropical Race 4 gewinnen und sehr viel Geld verdienen. Doch Bürkert wirkt nicht wie ein Geschäftsmann, sondern eher wie ein Weltumsegler. In seinem Büro stehen Holzelefanten, indische Teekannen und Skulpturen. An den Wänden hängen Fotos von Menschen mit Turban. Bürkert ist offensichtlich nicht an Geld interessiert. Ihm geht es um andere Dinge: Rettung für sehr viele betroffene Menschen, den Wert der Artenvielfalt. So was eben.

Deswegen lehnt der Wissenschaftler die Zusammenarbeit mit der Industrie eigentlich ab. Als er aus der Wüste zurückkehrte, meldete er die Pflanze in der Welt-Gendatenbank für Bananen an. Für jeden frei nutzbar. Nun aber sieht er Handlungsbedarf. „Ich bin kein Befürworter der Gentechnik. Doch wir haben nicht viele Möglichkeiten, den Bananenmarkt vor Krankheiten wie Tropical Race zu schützen“, sagt Bürkert. Vertreter der Bananenindustrie haben den Wissenschaftler in diesen Tagen auf ihre Leitmesse eingeladen, Bürkert hat angenommen.

Sollte die Eigenschaft von Bürkerts Banane tatsächlich die Lösung bringen, muss er nur auf eines aufpassen: Das Ergebnis dürfte nicht aussehen wie seine Oman-Bananen aus dem Gewächshaus. Diese dürften in Europa nämlich gar nicht als Banane verkauft werden: Sie sind zu klein für die EU-Verordnung.

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