Die Lücke gleichen viele Schausteller auf den boomenden Weihnachtsmärkten aus, wo die Besucherzahl laut ift-Studie seit 2000 um 70 Prozent auf 85 Millionen gestiegen ist. Sie lassen allein in den Kassen der Schausteller, die zusammen mit anderen Branchen wie dem Kunsthandwerk Weihnachtsmärkte beschicken, 980 Millionen Euro. Damit liefern sie dem Schaustellergewerbe fast ein Drittel des Umsatzes. Grund für den Erfolg: Der Budenzauber findet in den Innenstädten nah an den Kunden statt, die im Advent Lust aufs Geldausgeben haben. Zudem werden die Märkte von den Städten stark beworben und von Tourismusunternehmen vermarktet.
Bei den Volksfesten laufen große Klassiker wie das Oktoberfest in München oder der Hamburger Dom zwar gut. Dafür darben aber viele kleine und mittlere Veranstaltungen. „Die Besucher sind heute verwöhnt, ihnen reicht das Angebot auf einer kleinen Kirmes oft nicht mehr aus“, konstatiert DSB-Präsident Albert Ritter. Der 59-Jährige stammt aus einer Schaustellerfamilie und betreibt auf vielen Plätzen seinen Ausschank „Zum armen Ritter“. Zudem würden große Volksfeste besser von der Kommunalpolitik gefördert: „Die sind gut für das Image, und die Besucher bringen der Stadtkasse im Durchschnitt einen Euro Gewerbesteuer.“ Eine kleine Kirmes habe weniger politischen Rückhalt und werde schon mal aus der City verbannt.
Weihnachtsmärkte in Zahlen
85 Millionen Besuche verzeichnen die 1.457 Weihnachtsmärkte im Jahr 70 Prozent mehr als 2000.
90 Prozent der fast 5.000 Schaustellerunternehmen beschickten neben Volksfesten auch Weihnachtsmärkte.
150 Millionen Menschen besuchen die mehr als 10.000 Volksfeste. 2000 waren es noch 170 Millionen.
2,45 Milliarden Euro setzen die Schausteller 2012 auf Volksfesten um, eine Milliarde weniger als 2000.
980 Millionen Euro erzielen sie zusätzlich auf Weihnachtsmärkten.
Teurer Strom
Das bestätigt Gerd-Jürgen Giebel, der zuletzt im Oktober mit dem Kinderkarussell seiner Lebensgefährtin auf der Kirmes in Haan stand. Der 51-Jährige zieht durch ganz Deutschland und profitiert so auch von den großen umsatzstarken Festen. Viele kleine Karussells seien aber nur in ihrer Region unterwegs und damit vor allem auf kleine Plätze angewiesen: „Die sind oft nicht gut ausgelastet.“ Sein 16 Jahre altes Kinderkarussell ist zum Glück abbezahlt. „Wenn ich es heute neu bestellen würde, würde sich das kaum rechnen“, sagt Giebel.
Vielen Schaustellern machen außerdem die hohen Nebenkosten zu schaffen. Die Sprit- und Stromkosten fressen bei vielen einen Großteil der Umsätze auf. Weihnachtsmärkte sind daher mittlerweile unerlässlich für die meisten Schausteller: „Es kann sich kaum jemand mehr erlauben, im Winter keine Einnahmen zu erzielen“, sagt Verbandspräsident Ritter.
Das gilt auch für Romina Bruch. Auf dem Oberhausener Weihnachtsmarkt am Shoppingcenter Centro betreibt sie in diesem Jahr das nostalgische Kinderkarussell ihrer Schwiegereltern. Auf kleinen alten Holzpferden, Elefanten oder in weihnachtlichen Schlitten fahren kleine Kinder im Kreis, während wenige Meter weiter die Eltern am Glühweinstand andocken. „Meine Eltern brauchten noch keinen Weihnachtsmarkt. Aber heute könnten wir ohne ihn nicht überleben“, erzählt die 29-Jährige. „Im Oktober sind die letzten Volksfeste. Dann kämen fünf Monate ohne Einkommen, das funktioniert nicht mehr.“
In den Sommermonaten ist Bruch zusammen mit ihrem Mann William mit dem Fahrgeschäft „Break Dancer“ unterwegs. Das Nostalgie-Kinderkarussell fährt nur auf Weihnachtsmärkten. „Auf den Volksfesten wollen sie neuere Sachen“, sagt Bruch. Und vor allem Schnellere. In rasender Geschwindigkeit wirbelt der „Break Dancer“ die Kirmesbesucher in autoähnlichen Gondeln um die eigene Achse.