Geschäft mit der Biokiste Ökofans mögen es individuell

Biokisten führen ein Nischendasein, werden aber immer beliebter. Die Ökohändler haben sich auf ihre Kunden eingestellt – mit Vollsortiment und Online-Bestellplattform für die individualisierte Kiste.

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Die zehn größten Bio-Mythen
Mythos 1: Bioprodukte sind gesünderZwar gibt es Studien, die belegen, dass ökologische Lebensmittel mehr Vitamine und Nährstoffe enthalten – doch andere Untersuchungen widersprechen hier. Daher gibt es keinen eindeutigen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass Bio mit „gesünder“ gleichzusetzen ist. Anders sieht das bei der Pestizidbelastung aus: Hier schneiden Bio-Lebensmittel in der Regel wesentlich besser ab.  Quelle: Welt.de Quelle: dpa
Mythos 2: Bioprodukte sind teurerDer Mehraufwand, etwa für artgerechte Tierhaltung, muss bezahlt werden: 30 bis 100 Prozent kosten Bio-Produkte im Durchschnitt mehr. Doch in vielen Bereichen ist der Preisunterschied zwischen Produkten aus ökologischer und denen aus konventioneller Landwirtschaft kaum noch spürbar – erst recht, seitdem es auch immer mehr Bio-Ware in den Discountern gibt. Bei Obst und Gemüse, etwa bei Karotten oder Äpfeln,  ist der Preisunterschied oft schon verschwunden. Deutlich spürbar bleibt er jedoch bei Fleisch. Quelle: dpa
Mythos 3: Bio-Produkte sind transparentDas stimmt so nicht. Die Vielzahl an unterschiedlichen Siegeln, vom deutschen über das europäische Bio-Siegel bis zu Demeter oder Bioland, ist für Verbraucher kaum zu überschauen – zumal bei allen Kennzeichnungen unterschiedliche Richtlinien gelten. Anbauverbände wie Demeter stellen in der Regel die strengsten Anforderungen, das europäische Bio-Siegel bietet hingegen nur den Mindeststandard.    Quelle: dpa
Mythos 4: Bio ist ein NischenproduktDas galt nur in den Anfangsjahren. 2013 kletterten die Umsätze der Bio-Branche um stattliche 7,2 Prozent auf 7,55 Milliarden Euro, meldet der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Im Öko-Barometer des Bundesernährungsministeriums heißt es, dass inzwischen drei von vier Verbrauchern beim Lebensmitteleinkauf auch nach ökologisch hergestellter Ware greifen. Dabei sind die Konsumenten vor allem junge Verbraucher unter 30 Jahren. Für Gerald Herrmann, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Organic Services, keine Überraschung: „Die jungen Generationen sind vielfach damit aufgewachsen, für sie ist Bio selbstverständlich geworden." Quelle: dpa
Mythos 5: Bio ist bei Bauern beliebtLandwirte, die Bio-Landbau betreiben wollen, haben mit vielen Hürden zu kämpfen. Zum Beispiel mit dem Flächenproblem: Durch die Subventionierung von Energiemais für Biogasanlagen, die durch das EEG festgelegt ist, können sich viele Öko-Betriebe die teuren Pachtpreise nicht mehr leisten. Zudem gibt es Umstellungsfristen von zwei bis drei Jahren, in denen die Landwirte zwar ökologisch produzieren, ihre Ware aber nur zu den Preisen für konventionelle Ware verkaufen dürfen. Quelle: dpa
Mythos 6: Bio ist regional und nachhaltigDie Nachfrage nach Bio-Produkten wächst schnell – die Größe der Anbaufläche und die Zahl der Bauern können da hierzulande nicht mithalten. Deutschland fehlen Tausende Biobauern. Dadurch wird viel importiert: Jede dritte Bio-Kartoffel stammt aus dem Ausland, bei Möhren, Äpfeln und Gurken ist es etwa die Hälfte. Besonders krass ist es bei Bio-Tomaten und –Paprika, sie stammen zu 80 beziehungsweise über 90 Prozent aus allen Ecken der Welt. Wie nachhaltig eine Bio-Kartoffel aus Ägypten, die intensiv bewässert werden muss, dann noch ist, ist äußerst fraglich. Quelle: dpa
Mythos 7: Bio-Produkte enthalten keine ZusatzstoffeDas kann man pauschal so nicht sagen. Insgesamt 50 der knapp 320 zugelassenen Zusatzstoffe wie Aromen oder Konservierungsmittel sind nach der EU-Öko-Verordnung auch für Bio-Lebensmittel zugelassen, sofern das Produkt ohne diese Zusätze nicht hergestellt oder haltbar gemacht werden kann. Quelle: dpa

In dieser Woche sollen es Artischocken, Landgurken und Mangold sein, dazu 500 Gramm Aprikosen. Nächste Woche Lauch, Meerrettich und Rote Beete sowie 250 Gramm Datteln. Dann zwei Wochen keine Lieferung – und niemals Sellerie. Biokisten-Händler, die direkt an die Haustür liefern, stellen sich immer stärker auf spezielle Wünsche ihrer Kunden ein. Zwar gehören feste Abonnements wie Familien- oder Singlekisten noch zum Standard, die Zahl der individuell anpassbaren Bestellungen steigt aber nach Branchenangaben.

„Der Trend geht zunehmend zum Vollsortiment und selbst zusammengestellten Kisten am Rechner“, sagt ein Sprecher des Öko-Anbauverbands Naturland. „Der Bauer wird zunehmend parallel noch zum Händler.“ Mehr individualisierte Bestellungen bedeuten mehr Verwaltungsaufwand. Ökokisten sind nach Einschätzung von Naturland ein wachsendes Segment – wenn auch nur eine Nische im Bio-Markt. „Es kommt dem Trend einer bewussten und regionalen Ernährung entgegen und ist sehr bequem“, sagt der Sprecher.

Vom Verband Ökokiste heißt es, die Betriebe müssten sich immer flexibler aufstellen, um in puncto Bequemlichkeit mit den konventionellen Lebensmittelbringdiensten mithalten zu können. „Ökokiste“ ist die gemeinsame Marke von etwa 40 zertifizierten Lieferbetrieben in Deutschland, die zusammen etwa 50.000 Kunden versorgen, Tendenz steigend. Einer der Biokisten-Händler ist Dirk Agena aus Mauer bei Heidelberg mit etwa 2200 aktiven Kunden.

„Wir haben immer noch viele Abokisten, aber auf unserer Internetseite können die Kunden die Biokiste individuell gestalten“, sagt der 54-Jährige. „Das wird definitiv mehr.“ Etwa die Hälfte der Kunden bestelle eine individualisierte Kiste, jede Woche anders wollten es rund zehn Prozent haben. Bis zu zwei Tage vorher kann die Bestellung geändert werden. „Da gilt die starre Regel: Kulantes Handling.“ Der durchschnittliche Lieferwert beträgt Agena zufolge 26 Euro.

Die sieben Erfolgsfaktoren gesunder Ernährung

In seiner rund 260 Quadratmeter großen Lagerhalle stapeln sich grüne Kisten, an Packplätzen sortieren Mitarbeiter Obst und Gemüse ein. 350 bis 400 Kisten sind es pro Tag. Sieben Fahrer liefern die Ware aus, die weiteste Strecke führt ins rund 70 Kilometer entfernte rheinland-pfälzische Worms. In Kühlräumen lagern Produkte wie Milch und Käse. Milch im Programm zu haben, lohne sich finanziell zwar eigentlich nicht, da die Lagerung und Lieferung mit viel Aufwand verbunden sei, sagt Agena. „Es ist trotzdem ein tolles Produkt – das wollen wir haben.“

Online-Lebensmittelhandel noch unbedeutend

Absolut gesehen fällt Online-Lebensmittelhandel in Deutschland laut dem Branchenverband BVLH noch kaum ins Gewicht. Die relativen Steigerungsraten seien aber durchaus beachtlich, sagt ein Sprecher des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels. Als Mega-Treiber für diese Entwicklung sieht er die zunehmende Digitalisierung der Gesellschaft. Von dieser Entwicklung profitiert nach Agenas Einschätzung auch der Handel mit Ökokisten.

In seinem Lager wirkt es fast wie in einem Biosupermarkt - nur ohne Kunden. Per Mausklick können Käufer im Sortiment stöbern. „Bei Obst und Gemüse haben wir mindestens das, was ein Biosupermarkt hat - wenn nicht mehr, denn das ist unser Schwerpunkt“, sagt der Ökohändler. Er versuche, viele Spezialitäten und alte Sorten anzubieten, auch um individuelle Wünsche erfüllen zu können. Auf seiner Internetseite bietet er zum Beispiel bunten Mangold und gelbe Beete.

Agena arbeitet vor allem mit Bauern aus der Region sowie mit Biogroßhändlern zusammen. Der gelernte Biolandwirt baut selbst nicht an, würde aber gern wieder in der Erde wühlen, wie er sagt. „Man kann mit eigenen Produkten auch noch deutlich besser punkten.“

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