Geschäfte mit der Legalisierung Wo bleibt der Cannabis-Kick?

Quelle: Memo Filiz

Cannabis-Start-ups witterten das große Geschäft. Inzwischen ist klar, dass es einen flächendeckenden, legalen Verkauf von Cannabis in Deutschland noch lange nicht geben wird. Wie die Unternehmen dennoch verdienen wollen.

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Überall im Land entstehen derzeit Cannabis-Clubs. Die Clubs dürfen keine Gewinne machen, maximal 500 Mitglieder haben – im Mindestalter von 18 Jahren. Ihr Ziel: der gemeinschaftliche Anbau von Cannabis-Pflanzen. Von der Ernte dürfen die Mitglieder pro Person maximal 25 Gramm pro Tag mitnehmen, maximal 50 Gramm innerhalb eines Monats. Unter 21-Jährige bekommen maximal 30 Gramm pro Monat. Und es gelten jede Menge weitere Auflagen: Das Cannabis darf nicht vor Ort konsumiert werden, die Gebäude und Räumlichkeiten müssen umzäunt und gesichert werden, ein Gesundheits- und Jugendschutzkonzept ist obligatorisch.

Es ist also: eine Cannabis-Legalisierung light. Eigentlich hatte die Ampel-Koalition einen viel größeren Wurf geplant – den flächendeckenden, legalen Verkauf von Cannabis in eigens dafür lizenzierten Geschäften. Doch mit den Plänen scheiterte die Koalition, die zunächst noch erstaunlich zuversichtlich geklungen hatte, am Widerstand der EU-Kommission. Nach gültiger Rechtslage ist innerhalb der EU das Angebot und der Verkauf der Droge unter Strafe zu stellen. Das Einzige, was nun in Deutschland von der geplanten Legalisierung vorerst übrig bleibt, sind die Cannabis-Clubs. Die EU-Kommission hat beim nicht-kommerziellen Eigenanbau nicht mitzureden; ein grenzüberschreitender Warenverkehr findet dabei nicht statt.

Fast kein Platz für Cannabis-Clubs

Dabei hatten viele Cannabis-Start-ups auf das ganz große Geschäft mit der Legalisierung gesetzt. Die Unternehmen sind nun „teilweise enttäuscht“, berichtet Gunnar Sachs, Partner bei der renommierten Kanzlei Clifford Chance, über die Stimmung in der Szene. Clifford Chance berät zahlreiche Mandanten aus der Cannabis-Branche etwa in regulatorischen Fragen.

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Nun müssen in vielen Unternehmen Business-Pläne umgeschrieben und Investoren beruhigt werden – denn die Einnahmen fallen oftmals geringer aus als gedacht. Betroffen sind auch prominente Investoren wie der Schauspieler Moritz Bleibtreu oder der Fußballer Mario Götze, die mit höheren Beträgen bei Cannabis-Start-ups engagiert sind.       

„Jetzt geht es darum, Plan B umzusetzen“, sagt Niklas Kouparanis, CEO des Frankfurter Start-ups Bloomwell. An dieser Stelle kommen die Cannabis-Clubs ins Spiel: „Wir wollen den Cannabis-Clubs etwa Zubehör für die Pflanzenzucht, Hanfsamen und IT-Infrastruktur liefern“, erklärt Kouparanis. Interessierte Cannabis-Clubs können sich dazu in Kürze auf der Bloomwell-Webseite registrieren. Um den Bedarf an Cannabis zu decken, sind laut Kouparanis Tausende Clubs nötig: „Der Schwerpunkt wird  in den Ballungszentren liegen.“  Auch andere Start-ups schielen auf die Cannabis-Clubs als mögliche Einnahmequelle.  

Das Konzept hat allerdings seine Tücken. Denn noch ist nicht klar, wie viele Clubs es überhaupt geben kann. Geeignete Standorte zu finden, wird nicht einfach. Laut Gesetzentwurf dürfen sich die Cannabis-Clubs nicht in der Nähe von Schulen, Kitas, Sportstätten, Jugendeinrichtungen und Spielplätzen ansiedeln – der Abstand soll mindestens 250 Meter betragen. CEO Kouparanis hat seine Datenspezialisten nach möglichen Standorten fahnden lassen und Ernüchterndes festgestellt: „Nach unseren Standortanalysen ist damit etwa in Heidelberg fast kein Platz für Cannabis-Clubs.“ Der CEO rechnet gleichwohl damit, dass die Clubs im ersten Quartal 2024 starten.



Auf ein anderes Problem der Clubs machte Philipp Goebel, Geschäftsführer von Demecan aus dem sächsischen Ebersbach, bereits vor Wochen aufmerksam: „Hier besteht zumindest die Gefahr, dass ein Einfallstor für den Schwarzmarkt geschaffen wird, weil man die Produktion nicht kontrollieren kann.“ Sein offensichtlich nicht ganz uneigennütziger Vorschlag: „Wir plädieren daher dafür, dass auch diese Cannabis Social Clubs durch zertifizierte Produzenten beliefert werden dürfen.“

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Die Gefahr, dass die Clubs den Schwarzmarkt befeuern, sieht auch Anwalt Sachs: „Fraglich ist auch, wie sichergestellt und kontrolliert werden soll, dass die Vereinsmitglieder das in dem Club bezogene Cannabis nicht an Dritte weiterverkaufen. Im Zweifel werden die zuständigen Behörden kontrollieren müssen. Dabei war eigentlich ja mal geplant, durch die Cannabislegalisierung die Behörden zu entlasten.“

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Immerhin werde durch die Clubs der Konsum von Cannabis entkriminalisiert, heißt es. In der Branche glauben viele, dass damit bei Ärzten und Patienten die Akzeptanz von Medizinalcannabis steigt. Zu medizinischen Zwecken, etwa bei der Behandlung starker Schmerzen, darf Cannabis seit 2017 in Deutschland verschrieben werden. Auch in diesem Geschäft haben sich die großen Erwartungen bislang aber nicht erfüllt. Bloomwell-CEO Kouparanis ist überzeugt: „Das wird sich positiv auf die Verschreibungszahlen von medizinischem Cannabis auswirken, da medizinisches Cannabis fortan nicht mehr als Betäubungsmittel gilt. In den Bereich Medizinalcannabis wollen wir stärker investieren.“

Neben den Cannabis-Clubs hat die Bundesregierung noch eine zweite Änderung in Aussicht gestellt: Es soll künftig Modellregionen geben, in denen der legale Verkauf von Cannabis ausprobiert wird. Ob das klappt und wann es losgeht, ist jedoch noch völlig offen. Einige Städte wie Frankfurt, Offenbach, Berlin-Lichtenberg, Köln, Dortmund und Münster haben bereits Interesse angemeldet, Modellregion zu werden. Als möglicher Absatzmarkt für die Start-ups wären die Modellregionen allemal interessant. Finn Hänsel, der CEO der Berliner Sanity Group will darüber schon länger nachgedacht haben: „In unseren strategischen Planungen waren Pilotprojekte immer eine von mehreren Möglichkeiten, weshalb wir uns auch schon frühzeitig im Rahmen der Schweizer Pilotprojekte eingebracht haben, um wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Wir sehen in der Umsetzung von Pilotprojekten in Deutschland eine wertvolle Chance.“

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Vor allzu großen Erwartungen der Unternehmen warnt freilich Anwalt Sachs: „Die nun geplanten und regional beschränkten Modellprojekte sind auf fünf Jahre angelegt. Danach sollen die Ergebnisse evaluiert werden. Und selbst wenn die Analyse positiv ausfällt, müsste die Europäische Kommission einem freien Cannabisverkauf immer noch zustimmen. Bis zur Voll-Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken in Deutschland ist es noch ein weiter Weg.“

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