Getränkemarkt Der Boom des Mineralwassers

Wer in den 1970er Jahren in Deutschland eine Flasche Mineralwasser auf den Tisch gestellt hat, galt noch als Exot. Seitdem hat sich der Konsum nahezu verzwölffacht. Ein Ende des Booms ist nicht absehbar.

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Ob aus der Südsee oder aus heimischen Gefilden: Der Durst der Deutschen auf Mineralwasser ist groß. Quelle: dpa

Duisburg/Bonn Ob es um Nass aus den dunklen Tiefen des Fidschi-Regenwaldes oder aus dem kleinen Mineralbrunnen um die Ecke geht, der Durst auf Mineralwasser ist in Deutschland ungebrochen. Mit einem durchschnittlichen jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 147,3 Litern konnte sich die Branche auch 2015 wieder über einen neuen Rekordwert freuen. Noch im Jahr 2000 hatte der Pro-Kopf-Verbrauch mit rund 100 Litern deutlich niedriger gelegen. Anfang der 1970er Jahre war Mineralwasser mit einem Verbrauch 12,5 Litern dagegen noch ein exotisches Nischenprodukt.

Knapp 200 Mineralbrunnen füllen in Deutschland heute jährlich mehr als 14 Milliarden Liter Wasser ab. Der Verbraucher kann dabei unter mehr als 500 meist regionalen Mineralwässern und rund 35 Heilwässern wählen. Mit einem Umsatz von knapp 3,4 Milliarden Euro (plus 1,0 Prozent) und rund 12 500 Beschäftigten zählt die Branche zu den Schwergewichten in der Getränkeindustrie.

Der Getränkebrunnen aus der Region zählt dabei nach Einschätzung des GfK-Konsumforschers Günter Birnbaum zu den Gewinnern der aktuellen Entwicklung. „Es gibt eine zunehmende Skepsis gegenüber großen Marken“, so der Experte. Der Geschäftsführer der Duisburger Rheinfels-Quellen, Edmund Skopyrla, macht auch einen Trend zum regionalen Einkauf für den Griff zum heimischen Wasser verantwortlich.

Getränke wie Gletscherwasser aus Island, Wasser aus abgelegenen Südsee-Tälern oder aus menschenleeren finnischen Einöden zählen ebenso wie Nobelmarken aus Italien oder Frankreich dagegen eher zu den Ausnahmeerscheinungen in deutschen Kühlschränken. Als Protz-Wasser unter den Edelmarken gilt vor allem die mit Kristallen besetzt Flasche der US-Marke Bling, die im Internet zu Preisen von über 60 Euro angeboten wird.

Importe spielen nach Angaben des Verbandes deutscher Mineralbrunnen (VDM) im deutschen Wassergeschäft ohnehin nur eine eher geringe Rolle. Als Wegbereiter für den anhaltenden Trend zu stillem Wasser haben französische Marken nach Einschätzung von Birnbaum jedoch ihre Spuren hinterlassen – auch wenn deutsche Mineralbrunnen längst die Variante ohne CO2 ins eigene Programm aufgenommen haben.


Diese Wasser liegen im Trend

Heute gelte stilles Wasser als Trendgetränk der jungen Generation im Alter von bis zu 35 Jahren, sagt Birnbaum. Ältere Verbraucher bevorzugten dagegen eher die Abfüllung mit nur wenig Kohlensäue. Während das Medium-Wasser mit einem Anteil am Gesamtmarkt von 43,1 Prozent weiter vorn liegt, kann stilles Wasser derzeit mit zweistelligen Zuwachsraten punkten.

Vor allem bei eher teuren Mineralwässern zu Preisen ab etwa 40 Cent pro Liter greifen trendbewusste Kunden derzeit nach Einschätzung von Skopyrla immer häufiger zur Glasflasche. Dabei sollen individuelle gestaltete Designs dem Getränk einen Hauch von Exklusivität verleihen. Wer dagegen zur Billig-Variante zu Preisen bis 19 Cent je Liter greift, hat meist eine Kunststoff-Flasche in der Hand.

Zu den Verlierern im aktuellen Wassermarkt zählt nach Einschätzung von Experten der klassische Getränkekasten. Das in der Vergangenheit bereits wegen seines Gewichts in Verruf geratene Modell muss jetzt noch mit dem Image des Langweilers kämpfen. Zwölf Flaschen von nur einer Sorte könnten junge Verbraucher heute eher nicht mehr überzeugen, berichtet GfK-Konsumforscher Birnbaum. Gefragt seien eher kleinere Einheiten etwa im Sechserpack.

Verbraucherschützer wie Philip Heldt von der Verbraucherzentrale NRW sehen dagegen schlichtes Leitungswasser als preisgünstigen Durstlöscher. „Den Hahn aufdrehen, warten bis das Wasser kühl wird und dann das Glas füllen“, empfiehlt Heldt. Mineralbrunnen-Chef Skopyrla weist dagegen solche Vergleiche als „irreführend“ zurück. Im Gegensatz zu Mineralwasser handele es sich bei Leitungswasser um ein bearbeitetes Produkt, argumentiert der Branchenvertreter.

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