Gewaltsamer Passagier-Rauswurf US-Politik schaltet sich in United-Affäre ein

Nach dem rabiaten Rauswurf eines Passagiers wird in sozialen Netzwerken zum Boykott gegen United Airlines aufgerufen. Auch US-Präsident Trump und Politiker beschäftigen sich mit der Affäre – und fordern Konsequenzen.

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US-Präsident Donald Trump (r.) und United-Airlines-Chef Oscar Munoz (l.). Quelle: Reuters

Chicago Ausnahmezustand wegen eines überbuchten Flugs: Beamte der Flughafenpolizei zerren einen schreienden Passagier gewaltsam aus seinem Sitz, dann wird der Mann – begleitet von entsetzten Reaktionen anderer Fluggäste – an Armen und Beinen aus der Maschine geschleift. „Oh nein! Das ist falsch, seht doch, was ihr ihm angetan habt!“, ruft eine aufgebrachte Sitznachbarin. Die Szene, in Handy-Videos eingefangen und im Internet veröffentlicht, setzt die US-Fluggesellschaft United Airlines unter Druck. Dabei versucht das Unternehmen seit längerem, seinen ramponierten Ruf aufzupolieren.

Eigentlich wollte United zum Wochenauftakt mit positiven Neuigkeiten beeindrucken: Die Verspätungen gingen zuletzt deutlich zurück, wie der Konzern am Montag mitteilte. Doch zu diesem Zeitpunkt sind keine Zahlen gefragt, sondern Krisen-Management. Denn der rabiate Rauswurf des Passagiers, der am Sonntag vor einem Flug von Chicago nach Louisville geschah, entwickelt sich zum PR-Alptraum. Eines der Videos von dem Vorfall wird bei Facebook fast 20 Millionen Mal aufgerufen. Auf United hagelt es Kritik, nicht nur online.

Die erste Reaktion von Vorstandschef Oscar Munoz scheint die Empörung sogar noch zu steigern. Der Top-Manager entschuldigt sich zwar, bringt allerdings lediglich sein Bedauern darüber zum Ausdruck, dass „Kunden umplatziert werden mussten“ – kein Wort zum groben Vorgehen, bei dem der Passagier am Kopf verletzt wurde. Und es kommt noch dicker: US-Medien zitieren eine interne Mail von Munoz, in der er den Rausschmiss verteidigt habe. Der Passagier habe nicht kooperiert, deshalb sei es nötig gewesen, die Flughafenpolizei zu rufen.

Mit dem Schlagwort „Boycotunited“ (boykottiert United) wird in sozialen Netzwerken zum Widerstand aufgerufen. Viele fragen: Was kann der Passagier für die Überbuchung? Viele Airlines, nicht nur in den USA, kalkulieren diese Situationen bewusst ein. In der Regel suchen sie dann nach Freiwilligen, die ihren Platz räumen, und helfen nach, indem sie Geld, Rabatte oder Freiflüge bieten. Das tut auch United bei dem besagten Flug, doch das Angebot findet keinen Anklang. Zusätzlich angeheizt wird der Ärger dadurch, dass die Plätze für eine Ersatz-Crew und nicht für andere Reisende benötigt werden.

Der Spott lässt nicht lange auf sich warten: US-Comedian Jimmy Kimmel greift die Story auf, unter anderem mit einem Video in der Art eines United-Werbespots. Es zeigt eine Stewardess, die lächelt und sagt: „Sie fliegen, wenn wir es sagen. Wenn nicht - Pech gehabt.“ Dann zeigt sie ihre mit Schlagringen bewehrten Fäuste.

Am Dienstag veröffentlichen Anwälte des betroffenen Fluggasts ein Statement – nach Angaben des US-Senders CNBC heißt es darin, dass die Familie sich für die Anteilnahme und Unterstützung bedanke. Man konzentriere sich nun darauf, dass die Verletzungen behandelt würden und bitte darum, die Privatsphäre zu wahren.


Die Affäre zieht Kreise bis ins Weiße Haus

Auch in China ist der Aufschrei groß, denn der Passagier, der aus der Maschine geworfen wurde, soll chinesischer Abstammung sein. Für United ist China ein wichtiger Markt, auch die Anleger werden nervös. Die Aktie sinkt am Dienstag zeitweise um mehr als vier Prozent.

Die Affäre zieht Kreise bis ins Weiße Haus. Der Sprecher des US-Präsidenten, Sean Spicer, spricht in einer Pressekonferenz auf eine Frage hin von einem „unglücklichen Vorfall“ – und ja, er denke, Trump habe sich das Video angeschaut. Andere Politiker fordern Aufklärung von United und besseren Schutz für Passagiere durch das Verkehrsministerium. Spätestens nun dürfte United-Boss Munoz klar sein, dass die Sache so einfach nicht abgehakt werden kann. Am späten Dienstagnachmittag (Ortszeit) meldet er sich erneut zu Wort.

„Es ist nie zu spät, das Richtige zu tun“, heißt es im zweiten Statement des Airline-Chefs. Munoz spricht – zwei Tage nach dem Vorfall – nun doch von einem „wirklich schrecklichen Ereignis“, das sich nie wiederholen werde. Kein Passagier solle derart schlecht behandelt werden.

Dabei ist es nicht lange her, dass United auch in einem anderen Fall Negativschlagzeilen gemacht hatte. Ende März wurde das Unternehmen kritisiert, weil die Fluggesellschaft zwei Teenagern den Einstieg ins Flugzeug verboten hatte. Begründung damals: Sie trugen Leggings.

Der Rauswurf in Chicago aber hat eine andere Dimension. Schon seit der von Experten als verpfuscht angesehenen Fusion mit dem US-Rivalen Continental im Jahr 2010 gab es Probleme. Von Mängeln im Reservierungssystem und Computerpannen, die zu vielen Flugausfällen führten, über Imageschäden wegen fehlender Rollstühle an Bord, bis hin zu einem Korruptionsskandal, der Munoz' Vorgänger den Job kostete.

Vor diesem Hintergrund war die bei vielen US-Kunden als Inbegriff von schlechtem Service geltende Airline gerade erst auf dem Wege der Besserung. Die neue Affäre kommt für United zur Unzeit.

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