Gibson-Chef Henry Juszkiewicz "Wir lieben Gitarristen"

Gibson-Chef und -Inhaber Henry Juszkiewicz über die Wandlung des Gitarrenherstellers zur Lifestylemarke, wie er einen Sammlermarkt für neue Instrumente geschaffen hat und den Umgang mit seltenem Tropenholz.

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henry Juskiewicz Quelle: PR

Herr Juszkiewicz, Ihr Unternehmen stand bisher für Gitarren und andere Instrumente. Nun wollen Sie zur Lifestylemarke in Sachen Musik werden. Übernehmen Sie sich da nicht?

Nein. Wir sind eine starke Marke für Musikfreunde. Wir lieben Gitarristen, aber nur einer unter 20 Menschen spielt selbst ein Instrument. Doch Musik hören 20 von 20. Darum haben wir geschaut, wo wir Expertise haben. Und das haben wir auf zwei Gebieten: Wir können einen tollen Klang erzeugen, und wir können Musikerlebnisse vermitteln. Damit war klar: Konsumenten-Elektronik und Stereoanlagen sind ein Feld für uns.
Was wollen Sie da machen?

Wir wollen ein Symbol werden für alles, was Musik und Audio drin hat. Wir werden sicher keine Telefone bauen, aber Hifi-Verstärker und Musik-Anlagen für Autos schon - über unsere Beteiligung am japanischen Hifi-Hersteller Onkyo. Wir wollen allen unseren Kunden ein besseres Musikerlebnis liefern, dem Gitarristen ebenso wie dem reinen Zuhörer. Das ist die gleiche Mission. 

Wie können Profi-Lautsprecher von Cerwin-Vega, DJ-Equipment von Stanton oder Onkyo-Anlagen Ihr Geschäft stärken?
Eines ist bei allen gleich: Es sind in ihrem Feld Topmarken mit einer Top-Leistung – wie Gibson in seinem. Aber wir wollen mehr: Wir wollen eine Plattform schaffen für alle Teile der Musikindustrie. Gibson ist schon ein Teil der Unterhaltungselektronik, und ich sitze im Board der amerikanischen Leitmesse CES. Dabei habe ich mich zunehmend gewundert, dass die Instrumentenbranche, die Hersteller von Stereoanlagen, Plattenfirmen und andere zwar das Erlebnis rund um Musik verkaufen und fast die gleichen Kunden haben. Aber sie arbeiten nicht zusammen. Wir haben Erfahrung darin, eine Branchen-übergreifende Kooperation zu schaffen und die wollen wir in die Party einbringen.

Mehr als Saiten
GitarrenSaiteninstrumente sind das größte Geschäftsfeld. Am bekanntesten sind die klassischen elektrischen Gitarren ohne Klangkörper - wie die Les Paul... Quelle: Presse
...sowie die leichten Hard-Rock-Gitarren Flying V... Quelle: Presse
...und SG, die Gibson auch in Sammlereditionen mit ungewöhnlichen Farben und Hölzern baut. Quelle: Presse
Dazu kommen Instrumente wie die halbakustische ESS-335 mit einem kleinen Klangkörper. Quelle: Presse
Über die Jahre sind fast ein Dutzend anderer Gitarrenfirmen dazu gekommen. Darunter die preiswerte Marke Epiphone, die wild designten Kramer oder die aufwendigen Valley Arts. Quelle: Presse
Dazu kommen akustische Instrumente wie Mastertone Banjos... Quelle: Presse
...und Dobro, die vor allem in der Country- und Bluegrass-Musik genutzt werden.

Was sind die Impulse für das Instrumentengeschäft? Immerhin sind da die Umsätze weltweit zurückgegangen.

Ich denke schon, dass die neuen Felder auch unser Kerngeschäft stärken. Sicher, die Branche insgesamt ist bestenfalls stabil. Aber unser Umsatz hat weiterhin zugelegt. Lange hieß es, elektronische Musik und besonders Hip Hop zerstören die Rockmusik. Aber das stimmt nicht. Ich habe mir die Entwicklung genau angesehen: Das Geschäft ist relativ stabil und es ist einfach, Vorhersagen zu machen. Und selbst wenn es mal zurückgeht, kommt es doch wieder zurück. Ja Musik und Instrumente sind ein antizyklisches Geschäft. Die Ausgaben steigen zum Beginn einer Krise.

Aber nicht nach Beginn der Finanzkrise im Jahr 2008.

Stimmt. Damals haben wir auch Umsatz verloren, übrigens das erste Mal seit der großen Depression in den Dreißigerjahren. Aber das haben wir bei Gibson ruckzuck wieder aufgeholt. Ich vermute, dass in der Krise mehr Menschen arbeitslos werden und dann viel Zeit haben. Vielleicht ist auch das Bedürfnis größer, sich mitzuteilen. Denn Musik ist ein günstiges und preiswertes Vergnügen, besonders wenn sie zu Hause bleiben müssen, weil sie weniger Geld haben um in eine Bar zu gehen.

Instrumente sind aber doch erstmal teuer.

Das waren sie mal. Heute gibt es für 99 Euro eine wirklich gute Gitarre. Keine großartige und perfekte, aber solide Qualität. Aber auch eine 1000-Euro-Gitarre ist nicht wirklich teuer. Sie kostet nicht mehr als ein verlängertes Wochenende oder eine Familienfeier im Restaurant. Und die Gitarre hält das ganze Leben. Als Investition in ein Freizeitprodukt ist das nicht zu schlagen.

Investition? Die Gitarre verliert doch an Wert.

Die Erfahrung zeigt das Gegenteil, zumindest für unsere Instrumente. Wer in den vergangenen 30 Jahren eine Gibson-Gitarren gekauft hat, konnte die später fast immer teurer verkaufen. Das kann man fast garantieren. Darum gibt es auch Investmentfonds, die in Gitarren investieren.

Seltene Stücke

Diese Rockstars schwören auf Fender-Instrumente
Jimmy Hendrix Gitarre Quelle: dapd
Buddy Guy Quelle: AP
Eric Clapton Quelle: AP
Chris Rea Quelle: AP
David Gilmour Quelle: dpa
John Frusciante mit Fender Quelle: dpa
David Knopfler

Aber vor allem in seltene Stücke. Wenn eine Les Paul aus dem wohl besten Jahr 1959 bis zu 250 000 Dollar kostet, haben sie davon so wenig wie ein Maler, dessen Bilder nach dem Verkauf deutlich im Wert steigen.

Das stimmt nicht. Der Boom schafft einen Markt für Sammelgitarren aller Art, nicht nur für Vintage-Modelle aus den Fünfziger- oder Sechzigerjahren, sondern für alle seltenen und ungewöhnlichen Stücke. Im Grundkurs Volkswirtschaft lernen Studenten die Preis-Volumen-Kurve und dass es bei jedem Preis eine Nachfrage gibt. Die wird mit steigendem Preis zwar immer kleiner, aber sie wird nie null. Es gibt immer jemanden mit viel Geld, der aus Prinzip nicht kaufen will, was ein anderer schon hat. Ob eine Million für ein Auto oder 100.000 Euro und mehr für einen Wein: Immer zahlt jemand für eine Sache mehr als ein anderer.

Wie profitieren Sie davon?

Wir machen diese Kunden mit dem richtigen Produkt glücklich.

Wie rechnet sich das? Die Leute glauben, ihre Gitarre wird wertvoller, weil teure alte Gitarren den Rest mitziehen?

Das ist Teil unseres Markenversprechens: Gitarren sind ein Konsumgut, dass im Preis anzieht, wie antike Möbel, Autos und Juwelen. Allerdings mit einem für uns sehr angenehmen Unterschied: Die Preise steigen umso mehr, je stärker die Gitarre genutzt wird. Abgespielte und quasi misshandelte Gitarren mit Patina sind besonders begehrt und wertvoll. Die Leute lieben es, wenn wir die Dinger schlecht behandeln, also lassen wir die Gitarren geschickt künstlich altern. Wir tun alles für den Kunden (lacht).

Die 120-jährige Geschichte der Gibson-Gruppe

Das klappt?

Ja. Denn wir sind eine Marke. Der entscheidende Unterschied zu einem Konsumgut ist: Es geht um den Wert und nicht um den Preis. Wem verkauft man etwas und was bedeutet es dem Kunden. Darum bauen wir viele Arten spezieller Gitarren mit Besonderheiten in kleinen Serien von weniger als 100 und oft sogar nur 20 oder 30 Stück in unserer Custom Abteilung. Von Sammler-Weinen wie Chateau Lafite-Rothschild oder Cheval Blanc gibt viel mehr.

Könnten Sie nicht auch wie andere Branchen durch neue Technologie für zusätzliche Nachfrage sorgen? Bei Gitarren gab es in den vergangenen Jahren wenig neues, abgesehen von Ihrem automatischen Stimmungssystem E-Tune.

In diesem Jahr schon: Ab sofort bekommen unsere Bünde zum Beispiel eine kryogenische Behandlung. Wir setzen sie einer extrem tiefen Temperatur aus. Dadurch nutzen sie sich weniger stark ab und halten bis zu drei Mal länger als normale Bünde, wenn die Saiten auf ihnen reiben. Dazu platzieren wir dank der Plek-Maschinen von A+D Gitarrentechnologie aus Berlin die Bünde und Saitenhöhe präziser als jeder andere. Das ist ein Gegengewicht zur Behauptung, nur alte Instrumente seien gut. Ob Gitarren oder Geigen: Die Originalinstrumente sind gut, aber nicht unbedingt besser.

Bei ihren Gitarren mag das ja so sein. Aber bei Barock-Geigen doch nicht.

Gerade da. Ohne moderne Technologie gäbe es wohl keinen dieser alten Schätze mehr. Was die Superstars der Klassik als unübertreffliche Stradivari, Guarneri oder Amati spielen, hat keiner der Meister aus Cremona so gebaut.

Bitte?

Diese Edelstücke waren konstruiert für Darmseiten und eine Stimmung von 430 Hertz für den Kammerton A. Heute spielt sie fast jeder mit Stahlseiten und einer Stimmung von 448 Hertz. Das sorgt für einen höheren Zug am Geigenhals und würde das Instrument verziehen und wahrscheinlich sogar zerstören. Darum wird jede alte Geige in großen Teilen verstärkt und neu gebaut mit neuer Technologie. Nur im Gitarrengeschäft wehren sich alle gegen Neuerungen und schwören auf Technik von vor 50 Jahren und bei akustischen Gitarren sogar wie vor 100 Jahren und mehr. Doch das werden wir ändern.

Automatisches Stimmsystem

Der Investmentbanker Henry Juszkiewicz verwandelte den Gitarrenhersteller Gibson vom Pleitekandidaten zum profitablen Milliardenkonzern. Jetzt will er aus dem Unternehmen eine Lifestyle-Marke formen.
von Rüdiger Kiani-Kreß

Bis jetzt aber ohne Erfolg. Selbst ihr automatisches Stimmsystem E-Tune, dass Gitarristen langes Stimmen und deren Bandkollegen oder Zuhörern krumme Töne erspart, ist kein großer Erfolg.

Noch nicht. Das liegt aber daran, dass Innovationen bei Gitarren etwas länger dauern als bei anderen Dingen. Unsere Modelle Flying V oder SG gelten heute als Klassiker, aber waren erst nach Jahren ein Erfolg. Keiner glaubt, ein Fahrrad oder  ein Auto aus den Fünfzigerjahren wären technisch besser ist als ein modernes. Es ist vielleicht schöner, aber auf keinen Fall bequemer, sicherer oder gar umweltfreundlicher. Nur bei Gitarren glaubt jeder, alt sei besser. Im Gegensatz zu anderen Branchen schaffen wir es nicht, das Erlebnis mit unseren Produkten von Jahr zu Jahr zu verbessern. Das ist unnatürlich, denn die Technik gibt es. Wir müssen unseren Kunden den Mehrwert neuer Produkte halt langsam und behutsam vermitteln.  

Und wie?

Wie andere Branchen auch: durch Produkte mit neuer Technik, die wir in kleinen Serien vorstellen und die Reaktion der Kunden testen, um herauszufinden, was die Kunden wollen und was ihnen gefällt.

Mit bekannten Musikern?

Absolut nicht. Die verbringen Stunden mit ihrem Instrument und weil sie mühsam ihren ganz eigenen Sound erarbeitet haben, sind sie bei Neuerungen besonders skeptisch. Darum zielen wir auf die Neugierigen, die Bleeding Edge Guys, wie wir sie nennen. Das sind jene zwei bis drei Prozent, die vor allem auf Neuerungen stehen, wie etwa auf Google Glasses.

Gibson hat vor ein paar Jahren für Schlagzeilen gesorgt, weil sie angeblich Gitarren aus Tropenhölzern gebaut haben und damit gegen die Gesetze zum Schutz seltener Holzarten verstoßen haben.

Erinnern Sie mich nicht daran, das will ich eigentlich gar nicht mehr kommentieren. Nur so viel: Wir haben unsere Hölzer nicht schwarz bezogen. Darum gab es bislang auch keine Klage gegen uns. Wir haben eine Art Buße gezahlt, um die Sache zu regeln, bevor sie unser Unternehmen gefährdet. Dabei gab es nicht mal eine ernsthafte Anhörung. Wir tragen keine Schuld daran, dass die tropischen Wälder gefährdet sind.

Das müssen Sie als Nutzer von Tropenholz ja auch sagen.

Ich habe mich intensiv mit dem Thema Tropenholz befasst. Denn ich wäre wegen dieser Vorwürfe ja fast im Gefängnis gelandet. Darum sage ich klar: In unseren Gitarren gibt es keine bedrohte Holzart. Wir Instrumentenbauer nutzen ohnehin nur einen ganz geringen Anteil der Weltholzproduktion. Etwas mehr geht in Autos, Möbel oder Wohnhäuser. Nur etwa drei Prozent der gerodeten Flächen werden überhaupt legal oder illegal wirtschaftlich genutzt. Der Rest wird einfach verbrannt um neue Ackerflächen zu schaffen. Außerdem wird bei der Verwendung von Tropenholz mit zweierlei Maß gemessen.

Wie das?

Es gibt seltene Hölzer wie Ebenholz, aus dem etwa Geigenbögen und Klarinetten gebaut werden. Die sind jedoch auch deshalb rar, weil eben nur jeder 30. Baum aus jenem schwarzen Ebenholz besteht, das die Instrumentenbauer suchen. Also verbrennen die Anbauer quasi 29 von 30 Bäumen, weil da kein Geld drin steckt. Das ist schrecklich, denn die Bäume wachsen erst nach mehr als 100 Jahren nach. Das Problem beim Abholzen der Regenwälder ist nicht, dass Bäume gefällt werden. Es besteht darin, dass keine neuen Bäume gepflanzt werden und das Land anderweitig genutzt wird.

Wie würden Sie das Problem lösen?

Auf keinen Fall mit Verboten. Die scheitern ebenso wie das Alkoholverbot der Prohibitionszeit der Zwanziger- und Dreißigerjahre des vorigen Jahrhunderts. Das haben vermeintliche Umweltschützer in den Siebzigerjahren durch das Verbot von Teakholz versucht. Erreicht haben sie oft das Gegenteil: Das Verbot hat die Teakwälder nicht gerettet, sondern endgültig zerstört. Denn mit dem Verbot waren die Wälder wertlos. Die Folge: Sie wurden gefällt und durch Dinge ersetzt, die Geld bringen. Also geht es darum, bedrohte Hölzer wertvoller zu machen. Dann lohnt sich der Anbau von Tropenholz und die Flächen werden für Wälder genutzt und nicht anderweitig. Eine gut geführte Plantage fällt nur einen Bruchteil ihrer Bäume und pflanzt sofort neue.

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