Obstler, Kirschwasser und Marillenschnaps. So sah bis vor einigen Jahren die Produktpalette vieler deutscher Brennereien aus. Bei der älteren Generation als Absacker nach dem Abendessen beliebt, wurden Spirituosen aus Deutschland von den Jüngeren eher gemieden.
Doch das Image und die Produktpaletten heimischer Destillerien wandeln sich. Immer mehr Unternehmen entdecken Klassiker wie Gin oder Wodka für sich. Die Spirituosen erfreuen sich unter Kennern - in Deutschland wie international - wachsender Beliebtheit.
Deutschlands beliebteste Spirituosen
Kräuterliköre (zum Beispiel Jägermeister)
2013: 12,2 Prozent
2014: 11,7 Prozent
Quelle: VuMA / Statista
Diese Statistik zeigt das Ergebnis einer Umfrage in Deutschland zu den beliebtesten Spirituosen in den Jahren 2013 und 2014. Die Zahl gibt an, wieviel Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahre mindestens einmal pro Monat eine bestimmte Spirituosenart tranken.
Cream-, Sahnelikör
2013: 9,9 Prozent
2014: 9,7 Prozent
Magenbitter (zum Beispiel Underberg, Fernet)
2013: 9,6 Prozent
2014: 9,9 Prozent
Wodka
2013: 9 Prozent
2014: 9 Prozent
Halbbitter (zum Beispiel Ramazotti, Averna)
2013: 8,8 Prozent
2014: 9,3 Prozent
Obstbrände
2013: 8,5 Prozent
2014: 8,4 Prozent
Eierlikör
2013: 7,7 Prozent
2014: 7,3 Prozent
Korn, Doppelkorn
2013: 7,4 Prozent
2014: 7,3 Prozent
Whiskey
2013: 7 Prozent
2014: 7 Prozent
Weinbrand
2013: 6,7 Prozent
2014: 6,8 Prozent
Schnaps vom Reißbrett
Eines der prominentesten Beispiele für diese Entwicklung ist die Black Forrest Distillers GmbH mit ihrem Monkey-47-Gin. Diesen Wachholderschnaps produziert der ehemalige Nokia-Manager Alexander Stein mit Christoph Keller, einem Fachmann in Sachen Destillieren, direkt im Schwarzwald. Seit 2008 entwickelt das Duo den speziellen Schwarzwald-Schluck. "Wir haben den Gin nach einer historischen Vorlage am Reißbrett entworfen, was wahrscheinlich eine sehr deutsche Herangehensweise ist", sagt Stein. Sein Ziel: "Ein handgemachtes, qualitativ hochwertiges Produkt, sozusagen den perfekten Gin für uns zu entwickeln."
Rund sieben Jahre nach dem Startschuss scheint Stein mit seinem Monkey 47 am Ziel zu sein. Trotz eines stolzen Preises von bis zu 40 Euro je Halb-Literflasche wird der Gin mittlerweile in rund 40 Länder exportiert. 2011 wurde er bei der International Wine and Spirit Competition, quasi den Oscars der Brennereien, von internationalen Experten zum besten Gin der Welt gekürt. Ein Ritterschlag für die kleine Schwarzwaldbrennerei - mit einem Produkt, bei dem traditionsgemäß das Vereinigte Königreich die Nase vorne hat.
Lange Tradition
Dass ein Gin aus deutschem Hause die internationale Konkurrenz schlägt, ist nicht zuletzt dem heimischen Knowhow in Sachen Alkoholherstellung zuzuschreiben. Viele der mehr als 18.000 deutschen Brennereien blicken auf eine lange Tradition zurück. In der angeblich ältesten Destillerie Deutschlands, der Schlitzer Korn- & Edelobstbrennerei GmbH in Osthessen, wird seit 1585 Alkohol gebrannt.
"Nirgendwo auf der Welt ist das destillatorische Können und die jahrhundertelange Erfahrung so ausgeprägt wie in Süddeutschland", so Alexander Stein. Dass sei vielen Deutschen gar nicht bekannt. "Da muss man häufig Aufklärungsarbeit betreiben, dass wir Deutschen in Sachen Destillation eine der weltweit führenden Nationen sind", scherzt er.
Das bestätigt auch Marco Weinhold, Barmanager der Berliner Monkey Bar und vom Leaders-of-the-Year-Award 2014 zum besten Barkeeper Deutschlands gewählt: "Heute stehen gute deutsche Gins und Wodkas ihren Kollegen aus dem Ausland in nichts nach."
Zum Erfolg deutscher Spirituosen trägt nicht nur die Qualität bei. Auch die Herkunft spielt eine bedeutende Rolle. "Den Deutschen wird die Regionalität von Produkten immer wichtiger", erklärt Barchef Weinhold. Nicht nur Butter, Eier und Obst sollen möglichst aus der Region kommen, auch wenn die Hausbar mit heimischen Getränken bestückt ist, freut das immer mehr Kunden.
Hochprozentig und hocherfolgreich
"So ein Produkt wird dann auch mit den typisch deutschen Qualitätsmerkmalen wie guter handwerklicher Machart verknüpft und ist dementsprechend beliebt", sagt Jeanette Edelmann, Marketingleiterin von Bottleworld.com. Die Seite ist mit rund 5000 Artikeln einer der größten deutschen Onlineversender für Alkoholika. Edelmann ist sich sicher „dass immer mehr deutsche Spirituosen auf dem Vormarsch sind.“ Bei Bottleworld wachsen Produktpalette und Absatzzahlen deutscher Spirituosen auf jeden Fall beständig.
Trend zur Exklusivität
Den Kleinbrennereien des Landes hilft neben Herkunft und Qualität die insgesamt wachsende Beliebtheit von handgemachten Produkten aus kleinem Hause. Der Trend zum Craft Beer, also zum Gerstensaft aus kleinen Brauereien, zeigt: Eine große, weltweit bekannte Marke und riesige Absatzmengen sind für eine wachsende Zahl an Kunden nicht unbedingt Kaufargumente.
Im Gegenteil: Gerade was nicht in jedem Supermarktregal weltweit erhältlich ist, reizt den Kunden. "Als kleine Brennerei hat man heute einen Art Exklusivitätsvorteil", erklärt Raimund Schmelzer die Erfolgsformel von deutschen Kleinbrennereien. Schmelzer produziert seit einigen Jahren den "Wodqa", einen Wodka aus edlen Zutaten und "dank siebenfacher Destillierung extrem rein". Auch hier liegt der Literpreis mit 60 Euro durchaus im gehobenen Segment.
Rund 10.000 Liter Hochprozentiges haben Schmelzer und seine fünf Mitarbeiter im vergangenen Jahr für die "gehobene Gastronomie und Feinkosthändler in ganz Deutschland" produziert. Im Vergleich zu großen Konkurrenten wie Pernot Ricard oder Bacardi mit jährlichen Produktionsmengen von hunderten Millionen Liter Alkohol ist das natürlich verschwindend wenig. Trotzdem zeigt sich Schmelzer überzeugt, dass "heute viele Weltkonzerne auf kleinere Unternehmen schauen und versuchen, die Exklusivität in Sachen Qualität einer Kleinbrennerei zu imitieren."
Ähnlich sieht das Alexander Stein: "In Absatzzahlen ausgedrückt spielen deutsche Spirituosen international keine große Rolle." Jedoch sei es gerade die Nische für qualitativ hochwertige Spirituosen, in denen deutsche Destillerien wie die Blackforrest Distillers zunehmend mitmischen.
Denn während ein Jägermeister oder ein Bacardi-Rum in der Hausbar nicht gerade eine Spezialität darstellen, kann man sich mit einem feinen Gin aus deutschem Hause, der eben nicht in jedem Supermarkt erhältlich ist, leicht abgrenzen.
"In gewisser Weise können Gin, Wodka und andere Spirituosen teilweise durchaus auch als Statussymbol gesehen werden", erklärt Jeanette Edelmann. Dessen sind sich auch die Kleinbrennereien bewusst und betonen immer wieder, dass Wachstum zwar wichtig sei, jedoch niemals auf Kosten der Exklusivität oder Qualität gehen dürfe.
Wachsende Konkurrenz im Schnapssegment
Verständlich, dass von dem Erfolg deutscher Gins und Wodkas viele profitieren wollen. Fast wöchentlich finden sich in den Regalen deutscher Supermärkte und Fachhändler neue Marken und Produkte mit Alkoholika aus Deutschland.
Alleine der Onlinehändler Bottleworld hat rund 60 Wodka-Marken aus Deutschland im Angebot, bei Gin sind es fast 80 verschiedene Produkte. Das sah vor wenigen Jahren noch anders aus. „Die Produktvielfalt hat sich in den letzten fünf Jahren mindestens verdoppelt“, schätzt Jeanette Edelmann.
Dabei reicht die Produktpalette von Gin- und Wodka-Sorten aus bekannten Brennereien wie der Preußischen Spirituosen Manufaktur oder der Ganloser Destillerie von der schwäbischen Alb bis hin zu eher unbekannten Produkten wie dem North Sea Gin von Skiclub Kampen oder dem Monaco Vodka der Munich Destillers.
Ebenso umfangreich wie die Produktpalette ist auch die Preisspanne, die von rund zehn Euro für die 0,7 Liter Flasche bis zu 100 Euro für Spezialeditionen in aufwendiger Verpackung reicht. Dass nicht alle Produkte dabei die Premiumqualität haben, die sie auf ihren Labels versprechen, ist für Alexander Stein klar: „Wenn Sie ein Produkt aus einer kleinen Destillerie wünschen, das gute Zutaten beinhaltet und handwerklich auf höchstem Niveau gefertigt ist, kostet das einfach mehr als industrielle Massenware.“
Bleibt die Frage, wie man sich als unerfahrener Konsument in dem riesigen Angebot aus Granit-filtriertem Gin und Wodka mit blattgoldverziertem Etikett zurechtfindet. „Da hilft schlussendlich nur probieren, am besten in der Bar des Vertrauens, damit man nicht blind eine teure Flasche kauft, die am Ende gar nicht schmeckt“, rät Barmanager Weinhold.