Gläubigerversammlung Reicht der Galeria-Kompromiss?

Menschen gehen am Eingang des Galeria Kaufhof auf der Frankfurter Zeil vorbei. Quelle: dpa

Galerias Gläubiger stimmen dem Insolvenzplan zu – und damit tiefen Einschnitten. Dutzende Filialen schließen, Tausende Mitarbeiter müssen gehen und der Bund auf eine halbe Milliarde Euro verzichten. Nur, reicht das?

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Miguel Müllenbach ließ keinen Raum für Zweifel: „Der Steuerzahler hat durch diesen Kredit weder ein Risiko noch einen Nachteil“, versicherte der Chef des Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) im Januar 2021. Der staatliche Wirtschaftsstabilisierungsfonds WSF hatte sich zuvor bereit erklärt, dem Unternehmen ein Nachrangdarlehen im Volumen von 460 Millionen Euro zu gewähren. Ein Jahr später spendierte der WSF weitere 220 Millionen Euro Steuergeld in Form einer stillen Einlage, um die Warenhauskette zu stützen. Dies sei „von dritter Seite erneut eine Bestätigung unserer Strategie und unseres eingeschlagenen Weges“, befand Müllenbach in einem Brief an die Mitarbeiter. 

Spätestens seit heute ist klar, dass Müllenbachs Beteuerungen kaum Wert hatten: Die insgesamt 680 Millionen Euro staatliche Hilfe sind durch die Schutzschirminsolvenz des Unternehmens weitgehend verloren. Der angeblich risikolose Kredit muss massiv abgeschrieben werden. Zwar hatte sich der WSF Sicherheiten geben lassen. Doch davon dürften nur rund 88 Millionen Euro aus der Verwertung des Warenbestands zurückfließen. Zusätzlich soll der WSF am Verkauf von Galeria-Töchtern wie der belgischen Warenhauskette Inno beteiligt werden. Das geht aus dem Insolvenzplan hervor, über den Galerias Gläubiger heute in Essen abgestimmt haben. 

Das wichtigste Ergebnis der Gläubigerversammlung: Deutschlands letzter großer Warenhauskonzern darf weitermachen. Die Insolvenzgläubiger, darunter neben dem WSF auch Vermieter, Lieferanten, Dienstleister und die Bundesagentur für Arbeit, haben den Weg für einen Neustart freigemacht und verzichten insgesamt auf Forderungen in Milliardenhöhe. „Jedem Beteiligten ist bewusst, dass die Zustimmung für die Gläubiger kein einfacher Schritt war“, sagt Sachwalter Frank Kebekus. Der Verzicht sei groß und viele Beteiligte „leisten ihren Anteil, um dem Warenhaus in Deutschland eine gute Ausgangsbasis zu ermöglichen“, so Kebekus.

Allerdings hatten die Gläubiger auch kaum eine andere Wahl: Ohne ihre Zustimmung wäre Galeria abgewickelt worden – mit noch höheren Schäden. Trotz der Lage gab es nach Informationen der WirtschaftsWoche zuletzt erhebliche Diskussionen, ob der der WSF dem Insolvenzplan – und damit einem Verzicht auf Teile seiner Forderungen – überhaupt zustimmen darf. Dem Vernehmen nach soll es europa- und beihilferechtliche Bedenken gegeben haben. Eine Sprecherin, der für den WSF zuständigen Deutschen Finanzagentur wollte sich auf Anfrage dazu nicht äußern. 

Gerettet, aber nicht saniert

Durch die Entscheidung der Gläubigerversammlung ist Galeria zwar vorerst gerettet, aber noch lange nicht saniert. Im Grunde beginnt jetzt erst die eigentliche Arbeit. In einer 60-seitigen „Zusammenfassung“ des Plans, die der WirtschaftsWoche vorliegt, hatten der Galeria-Vorstand und die Sanierungschefs Patrick Wahren und Arndt Geiwitz schon im Vorfeld skizziert, wie es nach der Zustimmung der Gläubiger weiter gehen soll.

Zum einen sollen nach derzeitigem Stand 47 Warenhäuser geschlossen werden und in vielen verbleibenden Filialen wird die Verkaufsfläche reduziert. Zum anderen soll sich Galeria künftig stärker auf Modeartikel konzentrieren, das Angebot an Produkten wie Spiel- oder Schreibwaren zurückfahren und die Eigenmarken optimieren. Dabei steht zum Beispiel die bekannte Galeria-Eigenmarke Manguun auf dem Prüfstand und soll neu ausgerichtet werden. „Galeria wird modischer und wertiger“, heißt es im Insolvenzplan. Im Schnitt soll die Zahl der Marken und Artikel demnach um rund 30 Prozent gesenkt werden.

Um den Insolvenzplan umzusetzen, stellt die Galeria-Eigentümerin – die  österreichische Signa-Gruppe von René Benko – 200 Millionen Euro zur Verfügung. Das Geld dürfte vor allem in die Neuausrichtung der verbleibenden Filialen fließen. Innerhalb von drei Jahren sollen sie auf Vordermann gebracht und komplett modernisiert werden. Dabei ist unter anderem „ein umfassendes Gastronomieangebot“ auch im Erdgeschoss der Warenhäuser vorgesehen. Von mehr Orientierung, Kooperationen mit „innenstadtrelevanten Partnern wie Bürgerbüros“ und speziellen Sortiments- und Erlebniskonzepten wie einer „Family World“ ist im Insolvenzplan zudem die Rede. 

Die Filialen sollen künftig auch dezentraler gesteuert werden – und das jeweilige Sortiment an die lokalen Gegebenheiten angepasst werden. Dafür sollen allerdings nur „bis zu fünf Prozent der Verkaufsfläche“ genutzt werden, geht aus dem Insolvenzplan hervor.

Dessen Umsetzung wird Galeria-Chef Müllenbach indes nur noch von der Seitenlinie verfolgen. Der Manager wechsele nach Abschluss des Schutzschirmverfahrens in die Geschäftsführung der Galeria-Muttergesellschaft Signa Retail sowie in den Aufsichtsrat von Galeria Karstadt Kaufhof, kündigte das Unternehmen an. Nachfolger werde der ehemalige Kaufhof-Chef Olivier Van den Bossche, der bereits als Vertriebschef bei Galeria arbeitet.

Van den Bossche war 2017 als Chef der damals bereits mit Umsatzrückgängen kämpfenden Kette Kaufhof abgelöst worden. Kaufhof war später unter Benkos Regie mit Karstadt zusammengelegt worden. Galeria durchlief dann 2020 schon einmal ein Insolvenz-Verfahren. „Wir sind jetzt besser aufgestellt, als jemals zuvor“, hatte Müllenbach nach dessen Abschluss erklärt. 

Vielleicht fallen die Prognosen des neuen Chefs ja etwas realistischer aus.  

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