Die Autoindustrie befürchtet wegen der Kontrollen an den deutschen Grenzen zu Tschechien und Österreich Lieferengpässe. Wie stellt sich die aktuelle Lage an den Grenzen Tschechiens dar? Kommt es bereits zu Verzögerungen von Warenlieferungen?
Unternehmen berichten schon von stundenlangen Verzögerungen, das ist ja klar bei Staus von zwanzig Kilometern! Wegen der Kontrollen ist auch nur eine Autobahnspur befahrbar. Da gehen manchem Unternehmen innerhalb von ein bis zwei Tagen die Lagerreserven aus und die Bänder stehen still. Gerade in der Automobilindustrie geht es oft um Lieferungen Just-in-time, da kann ein Tag Verspätung bei manchen Teilen leere Lager bedeuten. Einige Zulieferer in Tschechien mit 2000 oder 3000 Mitarbeitern schicken täglich gut hundert Lkw an Warenlieferungen über die Grenze nach Deutschland. Und: Wir sprechen ja nicht nur von tschechischen Lkw. Denn es sind ja auch viele Transporte aus Rumänien, Bulgarien oder Ungarn, die Tschechien als Transitland nutzen. Manche dieser Fahrer wissen gar nicht, welche Bedingungen aktuell für das Passieren der Grenze nach Deutschland gelten.
Welche Branchen sind von den aktuellen Verzögerungen besonders betroffen?
Die Automobilindustrie ist so etwas wie das Rückgrat der deutsch-tschechischen Wirtschaftsbeziehungen. Tschechien ist der wichtigste Zulieferer für die deutsche Autobranche. Maschinenbau an sich ist ganz stark bei unserem Warenaustausch. Außerdem elektrotechnische Erzeugnisse oder auch Chemie.
Wie reagieren die Unternehmen in Tschechien auf die Lage? Werden die Lkw trotz der Kontrollen und Verzögerungen losgeschickt?
Die Lieferungen sind natürlich auf der Straße, jeder versucht durchzukommen so gut es geht. Große Unternehmen versuchen auf eigene Faust zum Teil die Testkapazitäten zu erweitern für die betriebseigenen Fahrer, aber auch für externe Speditionen. Das sind natürlich zusätzliche Kosten zulasten der Unternehmen in ohnehin schwierigen Zeiten.
Ist die Situation an den Grenzen mit der Lage von vor einem Jahr vergleichbar, als sämtliche EU-Länder rigoros kontrollierten?
Fahrer und Lokführer mussten damals keinen Negativtest vorlegen, Warenlieferungen und Lieferketten insgesamt waren nicht beeinträchtigt. Insofern stehen wir aktuell noch vor ganz anderen Herausforderungen, da müssen wir abwarten, wie sich das entwickelt.
Haben Sie Verständnis, dass Deutschland sich mit diesen Grenzkontrollen vor Corona-Mutationen schützen will?
Die Situation ist so vielschichtig und kann sich so schnell ändern. Aus Sicht der Wirtschaft sind das keine erfreulichen Entwicklungen, das ist ja klar. Aus epidemiologischer Sicht mag das erforderlich sein – mehr können wir einfach nicht sagen.
Rechnen Sie in den kommenden Tagen und Wochen mit Staus an der Grenze zu Deutschland und Lieferengpässen?
In den kommenden Tagen ist sicher weiter mit Staus zu rechnen, aber wir bleiben optimistisch, dass die Lieferketten nicht abreißen und man Wege findet, die Beeinträchtigungen irgendwie zu mildern oder zu beseitigen.
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