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Hässliches Gemüse Rewe und Edeka haben Herz für krumme Gurken

Sie sehen in der Tat etwas wunderlich aus, aber nicht unbedingt weniger appetitlich: krumme Gurken, dreibeinige Karotten, herzförmige Kartoffeln. Rewe und Edeka verkaufen jetzt auch hässliches Obst.

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Verbraucher sollen auch hässliches Obst essen
Wie lassen sich Verbraucher für knubbeliges Obst oder fleckiges Gemüse begeistern? Dieser Frage sind drei Studenten für visuelle Kommunikation der Weimarer Bauhaus-Universität nachgegangen. Für ihre Diplomarbeit haben Giacomo Blume (25), Moritz Glück (26) und Daniel Plath (26) das Konzept der Lebensmittelkette „Ugly Fruits“ entwickelt , die leidglich Ost und Gemüse verkaufen soll, das wegen seinem Aussehen normalerweise nicht im Geschäft gelandet wäre. Zu den Plakatvorschlägen ihrer Diplomarbeit zählt etwa dieses „Erdbärchen“-Motiv. Quelle: Lauthals, Ugly Fruits
Dass die Streifen auf der Kartoffel an das Adidas-Logo erinnern, greifen die Studenten mit dem Wort „Uglidas“ auf. Im Dokumentarfilm „Taste the Waste“ von 2011 berichtet ein Kartoffelbauer, dass es sich bei 40 Prozent seiner Ernte wegen ihrem Aussehen um Ausschussware handelt. „Entweder sie unterpflügen die angeblich mangelhafte Ware direkt weder, verkaufen sie für weniger Geld an Safthersteller oder verarbeiten sie als Tierfutter“, sagt Giacomo Blume. Gemeinsam mit seinen beiden Kommilitonen hat er den Film im Kino gesehen und sich für die Diplomarbeit inspirieren lassen. Quelle: Lauthals, Ugly Fruits
Diese gekrümmte Gurke mit der Form eines Bumerangs hätte es so nie ins Gemüseregal geschafft. „Einheitsgemüse lässt sich einfacher stapeln, in Kisten verpacken und verschicken“, sagt Giacomo Blume. Umsetzen wollen sie die Geschäftsidee jedoch selber nicht. „Wir sind weder Gemüsehändler noch Wirtschaftswissenschaftler“, sagt Blume. Die drei Kommunikationsdesign-Studenten haben sich nach ihrer Diplomarbeit in Weimar nun eine Werbeagentur namens „Lauthals“ gegründet. „Wenn wir einen Partner finden, der die Geschäftsidee umsetzen möchte, würden wir gerne den kommunikativen Part übernehmen“, sagt Blume. Quelle: Lauthals, Ugly Fruits
Ende Juli diesen Jahres hat die Schweizer Lebensmittelkette Coop Aprikosen mit Hagelschäden ins Sortiment aufgenommen. Ende August will das Unternehmen seine Aktion auf unförmige, besonders kleine, oder übergroße Gemüsesorten ausweiten. Mit einer übergroßen Kartoffel werben auch die ehemaligen Weimarer Studenten. Quelle: Lauthals, Ugly Fruits
Schon die britische Supermarktkette Waitrose hat 2006 unter anderem äußerlich mangelhafte Erdbeeren, Himbeeren und Pflaumen zu niedrigen Preisen angeboten. „Das zeigt uns, dass die Geschäftsidee funktionieren kann“, sagt Blume. Quelle: Lauthals, Ugly Fruits
Zwei Berlinerinnen haben schon ein Unternehmen gegründet, das sich auf optisch mangelhafte Lebensmittel spezialisiert hat. Lea Brumsack und Tanja Krakowski verkaufen zwar kein Gemüse zweiter Wahl - aber sie verarbeiten es in ihrem 2012 gegründeten Catering-Service "Culinary Misfits" zu Speisen. Quelle: Lauthals, Ugly Fruits
Sollte aus der Diplomarbeit tatsächlich ein Unternehmen entstehen, sehen es die ehemaligen Weimarer Studenten als wichtig an, dass in den Geschäften lediglich Obst und Gemüse mit optischen Mängeln verkauft werden – und nicht „schöne“ Lebensmittel daneben liegen. „Dadurch würde eine Konkurrenz entstehen und die einwandfreien Produkte würden die anderen minderwertig aussehen lassen“, sagt Giacomo Blume. So laufe das „hässliche“ Obst nur wieder Gefahr, liegengelassen zu werden. Quelle: Lauthals, Ugly Fruits

"Well, nobody's perfect". Berühmt wurde der Satz mit dem Marilyn-Monroe-Streifen "Manche mögen's heiß". Der Millionär Osgood entgegnet ihn achselzuckend Jack Lemmon, der ihm eben offenbarte, dass sich unter der hübschen Perücke keine heiratswillige Baßgeigenspielerin, sondern ein Mann, auf der Flucht vor der Mafia verbirgt. Geschickt zu eigen gemacht hat sich den Spruch "Keiner ist perfekt" nun Edeka.

In einem vierwöchigen Pilotprojekt testet die Supermarktkette wie sich Gemüse mit Schönheitsfehlern verkauft. Normalerweise gibt es in europäischen Supermärkten nur "Normgemüse" zu kaufen. Länge, Dicke, Krümmungsgrad vieles ist durch Richtlinien vorgeschrieben - meist aus ganz praktischen Gründen, eben damit möglichst viele Gurken, Karotten, Bananen möglichst platzsparend in eine Kiste passen. Ein großer Teil der Ernte kann damit aber nicht verwertet werden.

Rewe startet daher jetzt in seinen österreichischen Märkten Billa, Merkur und ADEG mit den so genannten "Wunderlingen". Unter dieser Marke werden künftig Obst und Gemüse mit Schönheitsfehler verkauft - unter dem Preis für makellose Ware. Martina Hörmer Geschäftsführerin der Eigenmarken bei Rewe National gegenüber dem Handelsblatt: "Die Wunderlinge machen sichtbar, dass gutes Aussehen nicht zwangsläufig deckungsgleich mit Qualität und Geschmack sein muss." Bisher gibt es Äpfel, Karotten und Kartoffeln mit Fehlern - weitere Produkte können saisonbedingt folgen. Die Reaktion der Kunden nach den ersten Tests in Wien seien sehr positiv, ob und wann die Wunderlinge nach Deutschland kommen ist noch unklar.

Auch die Schweizer Lebensmittelkette Coop hat unter der Marke Unique Obst und Gemüse mit Flecken und Macken seit August ins Sortiment genommen - günstiger als die formvollendeten Früchtchen, aber nicht weniger gesund und lecker. Auch bei Spar gibt es nach einem Bericht des österreichischen Standard Überlegungen, eine eigene Marke für unperfekte Produkte zu schaffen. Gut wäre die Entwicklung auch für die Biobauern. Nach Angaben des Europäischen Bioobstforums schaffen es bisher rund 25 Prozent der Bioäpfel nicht in den Handel, weil sie dessen Ansprüchen nicht genügen.

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