Mittlerweile hat die Politik eine Lösung gefunden: Der Schlick soll vor der Küste in Schleswig-Holstein abgeladen werden. Und auch über die Elbvertiefung will das Bundesverwaltungsgericht ab Dezember endlich beraten. Damit stehen die Chancen gut, dass Titzrath noch in ihrem ersten Amtsjahr mit einer Entscheidung rechnen kann. Daran hängt das Schicksal des Hafens: Kommt die Elbvertiefung nicht, werden noch mehr Schiffe ihren Kurs ändern.
Die HHLA braucht also eine Perspektive außerhalb von Hamburg, wenn sie wachsen möchte. Das haben auch die Stadtvertreter im Aufsichtsrat verstanden. Seit Wochen verkündet der Vorstand deshalb, dass die HHLA im Ausland nach einem neuen Geschäftsfeld suche, zusätzlich zum Containerumschlag und dem Bahnverkehr. Wie das genau aussehen soll, ist bisher jedoch offen. Lateinamerika sei interessant, auch Afrika, sagte Noch-Vorstandschef Peters kürzlich. Dort könne man sich vorstellen, ein Terminal für Flüssiggüter, etwa Öl, zu betreiben. Es gäbe „interessante Gespräche“, sagte Peters. Doch das Versprechen kommt zu spät. Peters allein kann nicht entscheiden, auf welches Geschäft die HHLA baut. Es ist an Angela Titzrath, die Versäumnisse ihres Vorgängers aufzuarbeiten.
Anders als der in der Politik als mitunter wenig diplomatisch verschriene Peters ist Titzrath kaum in der Politik Hamburgs verbandelt. Das könnte noch von Vorteil sein. Zwar besetzt der Hamburger Senat vier der zwölf Posten im Aufsichtsrat, und auch viele Gewerkschafter haben über die SPD beste Kontakte ins Rathaus. Doch dort mischen außer dem Bürgermeister selbst drei verschiedene Gremien an der Hafenpolitik mit. „Es sind so viele unterschiedliche Personen und Gremien im Senat für die Aufsicht über den Hafen zuständig, dass die linke Hand schon lange nicht mehr weiß, was die rechte tut“, kritisiert FDP-Politiker Michael Kruse. In der Vergangenheit sorgte das mehr als oft genug für Chaos. Dass Angela Titzrath nicht in die Hamburger Politikszene verwickelt ist, sei deshalb ein Vorteil, heißt es aus dem Aufsichtsrat. Sie sei unbelastet.
Außerdem gilt die ehemalige Post-Managerin als gewerkschaftsfreundlich. Den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat war das wichtig. Sie wissen, dass ihnen in den kommenden Jahren noch lange Verhandlungen bevorstehen. Analysten kritisieren schon lange die verhältnismäßig hohen Personalkosten der HHLA. Außerdem hat sich über die Jahre eine kaum zu durchschauende Struktur von verschiedenen Betriebsräten an den drei Terminals gebildet.
Erfahrung in solchem Geflecht hat sie: Als Personalvorstand der Post verhandelte sie mit der Gewerkschaft Verdi den wohl üppigsten Tarifabschluss seit Jahren. Fast sechs Prozent mehr Lohn sagte sie den Mitarbeitern zu. Post-Chef Frank Appel soll das zu viel gewesen sein. Titzrath verließ das Unternehmen, „aus persönlichen Gründen“, wie es damals hieß. Ihr großes Vorhaben, die heute fast 500.000 Post-Angestellten zentraler zu steuern, blieb unvollendet. Ihre Vorstandskollegen waren schon aufgebracht, dass die Personalchefin ihren Einfluss auch in den von ihnen verantworteten Geschäftsbereichen geltend machen wollte.
Machtkampf voraus
Auch in ihrem neuen Amt als Hafenchefin warten auf Titzrath Vorstandskollegen, die noch überzeugt werden wollen. Bisher hatten sie freie Hand in ihren jeweiligen Bereichen. „Auf die anderen Vorstände hat er wenig Einfluss“, sagt ein Betriebsrat über den Vorstandsvorsitzenden Peters. Sie habe die drei Kollegen bereits kennengelernt, erzählt Titzrath auf der Hauptversammlung. „Ein gutes Team, das gut zusammenwirken wird.“ Doch als Titzrath ihre Rede beendet, gehören die Vorstände zu den wenigen im Saal, die nicht klatschen. Einige von ihnen wären selbst gerne an die Spitze gewechselt, heißt es in der Hamburger Politik. Nun müssen sie sich weiter mit der zweiten Reihe begnügen, während die HHLA vor einem der wichtigsten Umbrüche ihrer Geschichte steht.
Titzrath muss nun entscheiden, welche Perspektive sie für das Hafenunternehmen sieht. Doch das kann dauern: Zwar soll es eine Übergabe zwischen ihr und Vorgänger Peters geben. Doch offiziell tritt die neue Chefin erst nächstes Jahr an. Vorausgehen, wie Titzrath es formulierte, kann die HHLA erst ab Januar. Bis dahin heißt es: warten.