Handel Amazons Mut wird belohnt

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Mut zum Risiko

Nach dem Absturz der Amazon-Aktie musste Bezos 1300 Mitarbeiter entlassen und ein Abfertigungszentrum schließen - aber danach ging es wieder steil bergauf Quelle: dpa

Derzeit wird der asketisch wirkende Gründer mit Lob überschüttet, doch das war beileibe nicht immer so. 2001 – kurz nach dem Platzen der Dot.com-Blase – stand Amazon kurz vor dem Ruin. Das Bargeld war knapp, die Gläubiger nervös. Zu ungestüm hatte Bezos in den Blütezeiten des Dot.com-Booms investiert und dabei fast drei Milliarden Dollar an Verlusten angehäuft. 1999 vom US-Nachrichtenmagazin Time noch als „Person des Jahres“ geehrt, rückten ihn Wall-Street-Analysten plötzlich in die Nähe eines Scharlatans. Nach dem Absturz der Amazon-Aktie musste er 1300 Leute entlassen und ein Abfertigungszentrum schließen.

Den ehemaligen Finanzanalysten rettete nur, dass er in besseren Tagen weitblickend Schuldverschreibungen von mehr als einer Milliarde Dollar ausgegeben hatte. Zudem stützten Bezos der Glaube an seine Vision und der Mut zum Risiko. Ein Durchbruch war die zunächst umstrittene Entscheidung, die Infrastruktur seines Unternehmens gegen Gebühr auch konkurrierenden Online-Händlern zu öffnen. Was damals als verrückt verlacht wurde, entpuppte sich als kluger Schachzug. Amazon stieg dank der Preistransparenz zur ersten Einkaufsadresse im Internet auf. Später legte Bezos mit Innovationen wie einem Liefer-Jahresvertrag zum Festpreis sowie Spar-Abos für häufig georderte Produkte nach.

Nachdem Amazon.com haarscharf an der Pleite vorbeirutschte und im September 2001 nur noch 2,7 Milliarden Dollar wert war, ist es mit einem Börsenwert von 81 Milliarden Dollar heute eins der am höchsten bewerteten Internet-Unternehmen weltweit. Und es ist heute doppelt so viel wert wie zu den Blütezeiten der Dot.com-Blase.

Eindruck von Vielfalt

Aus dieser Position der Stärke kauft Bezos kräftig zu, fast ausschließlich im Aktientausch, etwa den für seinen guten Rücknahme-Service bekannten Schuhhändler Zappos – in Deutschland durch Zalando kopiert – oder den Windel- und Seifeverkäufer Quidsi (Diapers.com und Soap.com). Die Neuerwerbungen lässt Bezos weitgehend autonom agieren, um deren Firmenkultur zu bewahren und bei den Kunden den Eindruck von Markenvielfalt zu erwecken. Das birgt allerdings auch Gefahren. Im Januar musste Zappos zugeben, dass Hacker in seine Datenbanken eingedrungen waren und Kundendaten geklaut hatten. Für Amazon, als einen der größten Infrastrukturdienstleisters des Web, ist der Einbruch mehr als peinlich.

Mark Zuckerberg, Gründer des sozialen Netzwerks Facebook, hält Bezos für „einen der größten Unternehmer“, weil er trotz aller Kritik sich nie beim Aufbau von Amazon hat beirren lassen. „Jeff musste viele Jahre damit leben, dass Leute ihn für verrückt hielten“, sagte Zuckerberg kürzlich dem „Wall Street Journal“.

Den eigenen Erfolg erklärt der Unternehmer so: „Langfristig denken, damit zu leben, von anderen missverstanden zu werden und der Wille, Dinge zu versuchen, auch wenn das Risiko hoch ist, dass sie nicht funktionieren.“ Mit dieser Philosophie hat sich Amazon seine Magie bewahrt. Ganz ohne Cadabra.

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