Handel Warum Discounter in Südafrika durchstarten könnten

Die südafrikanischen Supermarktketten profitieren von hohen Preisen. Könnten die deutschen Discounter Lebensmittel in dem Land bezahlbarer machen?

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Rechts geht es zu Aldi, links zu Lidl Quelle: dpa

Es war ein jahrelanger Kampf für Gareth Ackerman. Der Sohn des Gründers der südafrikanischen Supermarktkette Pick n Pay hat lange vergeblich versucht, das hochkarätigste Treffen der Konsumbranche in seine Heimatstadt Kapstadt zu bringen. Und nun, im Juni 2016, als er am Ziel ist, ist ausgerechnet der ganz große Enthusiasmus der vergangenen Jahre für den Kontinent verflogen. Die Spitzenmanager von 50 internationalen Konzernen, versammelt im Konsumgüterforum CGF, schauen kritisch auf den Kontinent, nachdem dessen Rohstoffeinnahmen deutlich zurückgegangen sind.

„Die gefallenen Rohstoffpreise drücken sicherlich das Wachstum. Aber Afrika bleibt die letzte ungenutzte Chance für viele“, beteuert Ackerman im Gespräch mit dem Handelsblatt am Rande der Konferenz.

Eine Chance bietet der Kontinent auch dort, wo es Ackerman wenig gefallen könnte: Südafrikas organisierter Einzelhandel, fest in der Hand von vier großen Spielern, wäre nach Meinung von Experten ein fast perfekter Ort für die weitere Expansion von Discountern, also allen voran die international tätigen deutschen Ketten Aldi und Lidl. Schließlich haben die Deutschen bereits in Großbritannien, den USA und sogar Australien gezeigt, dass sie Märkte umkrempeln können.

Warum Aldi billig ist

„Es ist zu hoffen, dass ein Discounter in das Land kommt. Südafrika braucht das“, sagt Bart van Dijk, Landeschef der Beratung AT Kearney. Die Flaute, die auch die Einzelhändler trifft, könne eine Chance sein, den Markt aufzurollen. Tatsächlich war Südafrika seit dem Ende der Apartheid nur in der globalen Finanzkrise so wachstumsschwach wie heute. Und so sagt auch Andrew Cosgorve, Lead-Analyst für Konsumgüter bei der globalen Beratung EY: „Es gibt Platz für einen Discounter in Südafrika.“ Mit preiswerten und gut ausgewählten Produkten könne solch ein Laden-Format die Kunden überzeugen.

AT Kearney-Experte Van Dijk hat die Strukturen auf dem gut 27 Milliarden Euro schweren Markt genau analysiert: Beim Umsatz je Fläche, der wichtigsten Kennzahlen für die Effizienz, liegen Südafrikas Supermärkte weit hinter den europäischen Supermärkten. Zugleich sind die Preise vergleichsweise hoch. Ein Angreifer könnte also mit gut eingespielten Abläufen bei Logistik und Verkauf als Preisbrecher auftreten – und damit sogar Kunden von den informellen selbstständigen Läden in den Townships abwerben.

„Es gibt bislang keinen Hard-Discount in Südafrika“, sagt van Dijk. In anderen Bereichen feierten Preisbrecher beim südafrikanischen Mittelstand bereits Erfolge – etwa H&M. Die südafrikanischen Einzelhändler dagegen sind bislang weitgehend unter sich – allein Wal-Mart ist 2012 bei Massmart eingestiegen, hat aber an den Strukturen wenig verändert. Einen Preiskampf will bislang keiner von ihnen riskieren. Und Walmart-Chef Doug McMillon muss sogar Gerüchte zerstreuen, er wolle am liebsten aus dem Markt aussteigen: „Südafrika ist ein großartiger Markt“, ruft er von der Bühne.

Das sind die Discounter der Zukunft
Lidl mit neuem FilialkonzeptIn Verona in Norditalien betreibt Lidl zwei Filialen, die zum Vorbild für neue Märkte auch in Deutschland werden sollen. Lidl-Chef Sven Seidel betonte im Handelsblatt-Interview, dass das Unternehmen sehr viel von den Erfahrungen im Ausland lernen kann: „Die Innovation kommt daher, dass sich die Zentrale mit den Ländern reibt und die Essenz dessen, was an neuen Erfahrungen gesammelt wird, für das gesamte Unternehmen nutzbar macht.“ Quelle: Lidl
Allein schon auf der Fläche des großzügigen Eingangsbereichs der italienischen Pilot-Märkte hätte man früher fast einen gesamten Discounter gebaut. Quelle: Lidl
Der VerkaufsraumBreite Gänge, der Verzicht auf die abgehängte Decke, warme Farbtöne: In der Filiale will Lidl den Kunden künftig ein „großzügiges Raumgefühl“ geben. Das ist in deutschen Märkten meist noch anders. „Wenn Sie sich so manche Filialen älteren Baujahrs anschauen, dann ist vielerorts schon alles sehr kleinteilig“, räumt auch Lidl-Chef Seidel ein. Quelle: Lidl
Die PräsentationAuch bei der Präsentation der Waren erinnert nicht mehr viel an alte Zeiten, wo Artikel in Kartons auf Paletten standen. Die Kunden erwarten bald noch mehr Markenartikel und hochwertige Frischwaren. Trotzdem wird die Zahl der Artikel auch in Zukunft deutlich unter der der Supermärkte liegen. Quelle: Lidl
Die BackstationenNoch mehr Wert wird künftig auf frische Backwaren gelegt. Nur die Bedientheken wird man auch in Zukunft in einem Lidl vergeblich suchen. In irgendeiner Form muss sich Discount ja noch vom Supermarkt unterscheiden. Quelle: Lidl
Die Kunden-WCsEine überraschende Neuerung: Bei Neu- und größeren Umbauten will Lidl bald auch in deutschen Märkten Toiletten für Kunden anbieten. Quelle: Lidl
Die WickeltischeErleichterung für junge Mütter und Väter: Sogar einen Wickeltisch für die jüngsten Kunden soll es in Zukunft im Discounter geben. Quelle: Lidl

Glaubt der lokale Supermarkt-König Ackerman an einen Angriff der Billigheimer Aldi und Lidl? „Ich hoffe nicht“, sagt er. „Sie sind zwar sehr erfolgreich in der entwickelten Welt, müssten hier aber sicherlich noch viel lernen.“ Probleme etwa durch schlechte Infrastruktur und Strom- und Wassermangel seien den deutschen Discountern unbekannt. Zudem seien die Margen im südafrikanischen Einzelhandel sehr niedrig.

Berater van Dijk will letzteres nicht gelten lassen. Mit fünf Prozent seien die Margen dank relativ hoher Verkaufspreise im Schnitt sogar höher als im internationalen Wettbewerb. Und: Nur zehn Prozent der Produkte in den Supermarktregalen sind Eigenmarken – ein Drittel des deutschen Werts. Mit solchen Produkten kann der Handel jedoch seine Margen steigern und zugleich Preise senken. Discounter wie Aldi und Lidl setzen fast ausschließlich auf solche selbst in Auftrag gegebenen Produkte – und könnten diese wohl auch in Südafrika produzieren lassen. „Die Regierung würde solch einen Vorstoß sicherlich unterstützen. Schließlich brächte er Aufträge auch für den schwarzen Mittelstand und könnte die Preise für die Verbraucher, die oft an der Armutsgrenze leben, deutlich senken“, meint van Dijk.´


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