Handelskrieg Warum US-Autos in Europa Ladenhüter bleiben werden

US-Autos werden sich in Europa trotz Niedrigzöllen kaum verkaufen Quelle: dpa

Selbst wenn US-Präsident Donald Trump niedrige Zölle auf US-Autos in Europa durchsetzt, wird sie kaum einer kaufen – aus einem einfachen Grund.

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Die Familie aus dem Frankfurter Umland hat sich gut vorbereitet auf den besonderen Tag. Ordentlich aufgereiht stehen sie da, die beiden Kinder neben ihrem Vater, der Ältere lässt wissen, in das „Infotainment-System“ habe er sich schon mal eingearbeitet. Papa nickt stolz, den Kreditvertrag unterm Arm. „Dann ist der große Moment jetzt wohl gekommen“, sagt Andreas Hix, Chef des Autohauses Autec, einen Autoschlüssel in der Rechten. Überreicht ihn, schüttelt jedem die Hand und prophezeit dem Trio: „Sie werden kein anderes Auto mehr fahren wollen.“

Die Szene aus dem hessischen Weiterstadt wirkt wie aus einem Imagefilm. Wäre da nicht das Auto, ein Dodge Challenger, 400 PS, der den äußeren Charme eines Pitbulls mit der Geräuschkulisse einer Flugzeugturbine verbindet. Eines von höchstens ein paar Dutzend Autos dieses Typs, die seit Januar in Deutschland neu zugelassen wurden.

Es ist eine der größten Hoffnungen des US-Präsidenten Donald Trump im Handelskrieg mit dem Rest der Welt: Die amerikanischen Autokonzerne sollen endlich mehr Fahrzeuge ausführen. Zu lange habe man sich von Exportnationen wie Deutschland und China an der Nase herumführen lassen, findet der Präsident.

Und es stimmt ja auch: Während deutsche Autobauer nur 2,5 Prozent Zoll bezahlen müssen, wenn sie ein Auto in die USA verschiffen, werden im umgekehrten Fall zehn Prozent Aufschlag fällig. Der Druck scheint zu wirken, erst vor Kurzem kündigte Chinas Präsident Xi Jinping an, er wolle die Zölle für amerikanische Autos senken. Gut möglich also, dass auch die Europäer sich irgendwann in den nächsten Tagen, bevor der Aufschub für die Strafzölle auf Stahl und Aluminium am 1. Mai zu Ende geht, noch einknicken.

Die Sorgen vor einer Invasion durch amerikanische Importautos halten sich in der Branche dennoch in Grenzen. Denn wer sich mit den Verkäufern amerikanischer Autos in Deutschland unterhält, merkt schnell: Am Preis liegt es ganz bestimmt nicht, dass sich die Deutschen beharrlich den Importmobilen aus Übersee verweigern. Autos mit Kampfhundblick haben es aus ganz anderen Gründen schwer im Land der Atomkraftgegner und Ostermärsche.

Autohausbesitzer Hix war Vielzylinder-Fan, bevor er Geschäftsmann wurde. In den Achtzigerjahren arbeitete er als Anlagentechniker, reiste um die Welt und war oft monatelang auf Montage bei komplexen Industriebaustellen. Oft ging es in die USA, und irgendwann hatten es ihm die Autos dort so sehr angetan, dass er sich in Deutschland einen US-Wagen bestellte. Das dauerte zwar eine Weile und kostete viel Geld, aber als die Leidenschaft einmal geweckt war, spielte das keine Rolle mehr. Umso mehr traf es ihn ein paar Jahre später, als der Händler seines Vertrauens pleiteging. Wie sollte er jetzt an seine schönen Autos kommen, fragte sich Hix. Und fand gleich die Antwort: Selbermachen. So wurde aus dem Fan ein Importeur und Autohändler, der heute knapp 300 Fahrzeuge im Jahr verkauft und damit mehr als 15 Millionen Euro Umsatz im Jahr macht.

Viele seiner Kunden haben ähnlich persönliche Geschichten zu erzählen. Verwandtschaftliche Beziehungen zu US-Soldaten, längere Lebensabschnitte in Übersee, Motorsport. Nur einen Beweggrund nennt fast kein Kunde von Autohändler Hix: Rationalität bei der Kosten-Nutzen-Analyse.

Grafik zu den verkauften Autos in Deutschland 2017

Selbst auf dem Parkplatz des Ford-Autohauses Dresen in Düsseldorf findet sich nur ein einziges Auto US-amerikanischer Herkunft. Mit seiner mächtigen Front und der lang gezogenen Motorhaube sticht der Mustang zwischen all den Fiestas und Mondeos sofort hervor. Die tragen zwar das gleiche Logo wie der große Bruder ganz vorn, werden aber, wie viele Ford-Modelle seit 1925, in Köln gebaut.

Der Bau der Ford-Werke war ein Segen für die rheinische Stadt, nicht nur aus Sicht des damaligen Oberbürgermeisters Konrad Adenauer. Heute ist der Konzern einer der größten Arbeitgeber und Steuerzahler in Köln. Ford seinerseits ist der einzige US-Hersteller, dem es gelungen ist, sich dauerhaft auf dem deutschen Markt zu etablieren. Knapp 250 000 Autos verkauft das Unternehmen im Jahr. Dafür verzichtet der US-Hersteller nahezu vollkommen auf den Import seiner amerikanischen Modelle; alle Ford-Autos sind Erfindungen für den europäischen Markt. Der Mustang ist das erste Modell seit Langem, mit dem die Amerikaner sich mal wieder als Importeur versuchen. Im vergangenen Jahr hat das Kraftfahrtbundesamt 5741 neue Mustang registriert.

Ein halbes Prozent Marktanteil

Der Besuch beim Ford-Händler zeigt, wie begrenzt die Zielgruppe ist: Einmal Probe sitzen will hier fast jeder, dann noch ein Erinnerungsfoto mit dem Smartphone – und fürs Verkaufsgespräch geht es dann rüber zu den Kompaktwagen.

Mit ihren amerikanischen Modellen haben bisher alle US-Hersteller Schiffbruch erlitten. Fords bulliger Sportwagen Mustang ist da mit seinen wenigen Tausend Verkäufen schon ein Ausreißer nach oben. Die Chrysler-Tochter Jeep profitiert als Erfinderin des Offroad-Mobils zwar vom globalen Boom des Fahrzeugtyps. In der amerikanischen Handelsstatistik aber schlägt sich das nicht wieder: Das meistverkaufte Jeep-Modell, der Compass, wird in Mexiko gebaut. Die Nummer zwei, der Renegade, kommt gar aus Italien – auf Basis des Fiat 500X. Für die Marke Chrysler selbst sah der italo-amerikanische Fiat-Chrysler-Konzern in Europa keine Zukunft mehr.

Konkurrent General Motors stellte 2013 den Verkauf von Chevrolet in Europa ein – zugunsten von Opel, so lautete die damalige Begründung. Den Markt bedient GM seither nur noch über den Standort in der Schweiz. Der GM-Sportwagen Corvette, der Mustang-Kontrahent Chevrolet Camaro sowie einige Modelle von Cadillac können dort gekauft werden – entsprechend kommt keine der Baureihen in Deutschland über dreistellige Zulassungszahlen hinaus. Insgesamt lag der Marktanteil originär amerikanischer Autos 2017 hierzulande bei 0,5 Prozent.

Andreas Hix reagiert auf solche Tatsachen mit dem höflichen Widerspruch des ewig Missverstandenen. „In Deutschland gibt es einfach zu starke eigene Autokonzerne, die dominieren die öffentliche Wahrnehmung“, sagt er und meint: Wer einen ehrlichen Vergleich anstelle, komme an den Vorteilen der US-Schlitten kaum vorbei. Der Dodge Ram zum Beispiel, ein Pick-up, der jeden deutschen Campingbus in Länge und Breite locker in den Schatten stellt, sei ein „sehr ökonomisches Auto“, sagt Hix. Und damit meint er nicht nur die Ladefläche, auf der er mit seiner gesamten Belegschaft locker zum Gruppenfoto passt, wie ein Foto an der Wand eindrucksvoll zeigt. Nein, der Ram lasse sich innerorts, ein bisschen fahrerisches Geschick vorausgesetzt, mit gut zehn Liter Verbrauch fahren, und langfristig sei der Dreitonner für viele seiner Gewerbekunden schlicht die effizienteste Wahl – „zumindest wenn sie ihn auf Autogas umrüsten lassen“, sagt Hix.

Doch während der Autohändler seine Kunden erst von komplizierten Umbauten überzeugen muss, schaffen es Hersteller aus Korea und Japan längst, mit ihren Modellen auf dem deutschen Markt zu bestehen – trotz Zoll. „Europa ist ein hart umkämpfter und sehr spezieller Markt, was an den ausgefeilten Kundenwünschen liegt“, fasst Autoexperte Stefan Bratzel von der Hochschule Bergisch Gladbach die Lage zusammen. Vor allem in Deutschland sind die Marktanteile der heimischen und europäischen Hersteller sehr hoch, ihre Händlernetze sind entsprechend engmaschig. Ausschlaggebend aber sind letztlich grundsätzliche Geschmacksunterschiede: Die drei meistverkauften Modelle in den USA sind mehr als fünf Meter lange Pick-ups von Ford, Chevrolet und Dodge. Und die USA verteidigen diesen Markt – auf in die Staaten importierte Pick-ups werden nicht 2,5 Prozent, sondern 25 Prozent Steuer fällig. In Deutschland findet sich kein einziger Pick-up unter den 50 beliebtesten Modellen.

Selbst wenn die Zölle also fallen sollten, da ist sich auch Fan und Händler Hix sicher, wird sich an der Nachfrage nicht viel ändern: „Die meisten amerikanischen Hersteller zeigen ja leider selbst kein Interesse mehr am deutschen Markt.“ Für Hix heißt das: An viele Modelle kommt selbst er nur schwer heran. Weil die US-Händler mangels Marge den Export schlicht aufgegeben haben, muss Hix ziemlich verwinkelte Umwege gehen, um an Sonderwünsche wie den Ram Edition Hydro Blue zu kommen. Wollen er oder ein Kunde das Modell kaufen, wendet Hix sich an einen befreundeten Händler in Kanada. Der importiert den Wagen aus den USA und verkauft ihn an Hix weiter, der sich um die Verschiffung kümmert. In Deutschland angekommen, folgt die Homologation: Hix muss den Wagen auf deutsche Standards umbauen lassen, neue Lichter und neue Blinker sind fast immer fällig. Und jeder Arbeitsschritt will bezahlt werden. Am Ende steht dann ein Betrag, der den amerikanischen Listenpreis meist um mindestens ein Drittel überschreitet. Wer trotz all dieser Hürden irgendwann bei Hix zur Schlüsselübergabe erscheint, für den spielen auch Zölle längst keine Rolle mehr.

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