Die Einkaufsstraßen leuchten, die Schaufenster sind festlich geschmückt. Doch die Hoffnungen auf ein gutes Weihnachtsgeschäft im Innenstadthandel schwinden mit steigenden Corona-Infektionszahlen. Ab kommendem Montag will Sachsen den bundesweit vereinbarten Teil-Lockdown ausweiten und die meisten Geschäfte schließen.
Geöffnet bleiben sollen Lebensmittelläden und Geschäfte für den Grundbedarf. Spätestens nach Weihnachten zeichnen sich zudem deutschlandweit weitere Einschränkungen für die Branche ab. So bezeichnete Bundeskanzlerin Angela Merkel die Empfehlungen der Nationalen Wissenschaftsakademie Leopoldina für Geschäftsschließungen und eine Verlängerung der Weihnachtsferien bis zum 10. Januar als richtig. Auch Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen haben bereits ihre Bereitschaft signalisiert, Geschäfte zu schließen, wenn die 16 Ministerpräsidenten dies gemeinsam verabreden sollten.
Bei einem solchen „harten Lockdown“ würden wie im Frühjahr alle Geschäfte bis auf die des täglichen Bedarfs mit Lebensmitteln, Medikamenten und anderen notwendigen Waren schließen. Der Einzelhandelsverband HDE warnt, ein solcher Schritt werde für den bereits jetzt stark existenzgefährdeten innerstädtischen Handel „fatale wirtschaftliche Folgen“ haben. „Die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr ist neben der Woche vor Heiligabend die umsatzstärkste Zeit des Weihnachtsgeschäfts, die bis zu einem Viertel des Jahresumsatzes ausmachen kann“, sagte HDE-Präsident Josef Sanktjohanser.
Schon im laufenden Weihnachtsgeschäft müssen viele stationäre Händler kämpfen, belegt eine Analyse des Spezialisten für Besucherfrequenzmessung und Datenanalyse im Einzelhandel Crosscan. Das Unternehmen misst die Besucherströme in weltweit mehr als 12.000 Filialen. Ein von Crosscan entwickelter Retail-Index zeigt, wie die Pandemie auf die Besucherzahlen in den Geschäften durchgeschlagen hat. Sichtbar sind vor allem die Auswirkungen des ersten Lockdowns, als die meisten Läden schließen mussten.
Umsatzverluste von einer Milliarde Euro pro Tag
Mit den Lockerungen ab Mitte April folgte eine deutliche Erholung. Zwar blieb der Retail-Index auch in der Folge weiter unter dem Vorjahresniveau. Allerdings hält sich der Wert selbst im aktuellen Teil-Lockdown stabil und hat sich im Bereich von minus 25 Prozent der Besucherzahlen im Vergleich zur gleichen Kalenderwoche des Vorjahres eingependelt. „Es scheint, als haben sich die Menschen in den vergangenen Monaten auf die Einkaufssituation in der Covid-19-Pandemie eingestellt und einen Umgang damit gefunden“, sagt Thorsten Cramer, Geschäftsführer von Crosscan. Zugleich zeigten die Daten, dass den Kunden „die Lust am Einkaufen nicht verloren gegangen ist“. Das Verkaufsevent Black Friday hätte in Kalenderwoche 48 beispielsweise zu einem Besucherplus von fast 22 Prozent im Vergleich zur Vorwoche geführt. Das belege „wie wirksam Sonderaktionen des Handels sein können“, so Cramer.
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Die wirtschaftlichen Einbrüche vieler Innenstadthändler können aber auch solche Aktionen nur zum Teil kompensieren. Tausende Händler stehen laut HDE bereits jetzt vor der Insolvenz. Wird ein harter Lockdown beschlossen, verschärfe sich die Lage der Branche. Wenn die Politik dennoch entscheide, dass im Rahmen eines verschärften Lockdowns auch viele Geschäfte wieder schließen sollten, dürfe dies „frühestens nach dem 24.12.2020 für einen vorab klar definierten und überschaubaren Zeitraum“ geschehen, verlangte HDE-Präsident Sanktjohanser. Außerdem müsse die Schließung mit ausreichend zeitlichem Vorlauf bekanntgegeben werden, um Panikkäufe zu vermeiden. Gleichwohl drohten Umsatzverluste von bis zu einer Milliarde Euro pro Tag.
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