Harter Wettbewerb Wie Hawesko der Krise im Weinhandel widersteht

Im Wettbewerb mit Supermärkten und Discountern gerät der Weinhandel unter Druck. Nur das Unternehmen Hawesko wächst in der Krise. Hinter dem Fachhändler steckt ein öffentlichkeitsscheuer Weinliebhaber.

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Von Hawesko-Chef Detlev Meyer existieren keine offiziellen Fotos. Von einem seiner Unternehmen, Jaques Weindepot, aber sehr wohl. Quelle: dpa

Um anonym zu bleiben, hätte er sich kaum einen besseren Namen aussuchen können: Detlev Meyer. Der Unternehmer und Inhaber der Tocos Beteiligungs GmbH lässt sich nicht fotografieren. Sollte er durch Zufall auf einem Bild zu sehen sein, bittet er auch schon mal darum, dass dies im Internet gelöscht wird.

Bekannt ist, dass er Fan von Hannover 96 ist, mit dem Verkauf der von ihm 1983 mitgegründeten Textilmarken Cecil und Street One mehrere hundert Millionen Euro erlöst haben soll und ein Weinliebhaber ist. 2015 entschied er den Machtkampf bei dem börsennotierten Hawesko-Holding für sich, ein Unternehmen mit einem illustren Aufsichtsrat, dem Linde-Chef Wolfgang Reitzle vorsteht und Hamburgs Juwelierin Kim-Eva Wempe angehört. Zu Hawesko gehören unter anderem der gleichnamige Weinhandel für Spitzenqualitäten und die Kette Jaques Weindepot.

Deutsche kaufen Wein im Supermarkt

Und ob Meyer das vorhat oder nicht – er ist mit Mitte 60 ein Hoffnungsträger für den kriselnden Fachhandel mit Wein. Der deutsche Kunde kauft seinen Riesling oder Chianti am liebsten im Supermarkt. Oder gleich beim Discounter. Für weniger als drei Euro pro Flasche wird allein bei Aldi jede vierte in Deutschland verkaufte Flasche in den Einkaufswagen gelegt. Dem gegenüber stehen mehr als 1000 stationäre Fachhändler in Deutschland, die im Preiskampf mit dem Lebensmitteleinzelhandel nicht mithalten können.

Wo die Deutschen ihren Wein kaufen

Haweskos Vorstandsvorsitzender, Thorsten Hermelink, kennt die Nöte der Betreiber kleiner Weinfachgeschäfte. „Den stationären Fachhandel sehe ich in Teilen bedroht“, sagt Hermelink. Wer ein Programm mit gängigen Marken führe und eine bestimmte Betriebsgröße nicht überschreite, könne im Wettbewerb um den besten Preis mit Supermärkten und reinen Onlinehändlern nicht mithalten. Der Supermarkt sei für Hawesko kein unmittelbarer Wettbewerber, vielmehr freue er sich über jeden Händler, der mit einem hochwertigen Angebot die Neugier für Wein fördert.

Weinhandel ist Leidenschaft

Weinhandel wird häufiger als der mit Büroartikeln oder Textilien von Liebhabern bestritten. Seiteneinsteiger, die hoffen, ihre Leidenschaft für Cabernet und Sauvignon Blanc mit Kunden teilen zu können. „Die Weinläden um die Ecke werden nicht verschwinden, es werden nur andere Betreiber sein“, sagt Michael Pleitgen von der Beratung Weinakademie Berlin. Der Berliner Weinführer verzeichnete in seiner letzten Ausgabe für das Jahr 2015 allein in Berlin und Umland 350 Weinhändler. „Davon ist aber nur eine Minderheit seit Jahren ununterbrochen am Markt. Viele geben auf, neue fangen an“, sagt Pleitgen.

Weintipps der Sommeliers für unter 10, 20 und 30 Euro

Es reicht eben nicht, sich mit Malbec und Malborough auszukennen, sondern auch mit Buchhaltung, Logistikverträgen und Marketing. Händlertugenden, die Haweskos Investor Meyer beherrscht. Die Leidenschaft bringt er zudem mit, ihm gehört unter anderem das Weingut St. Antony in Rheinhessen, in Südtirol hat er ein weiteres Traditionsgut gekauft. „Es hilft sehr, dass Detlev Meyer viel von Wein versteht“, sagt Hermelink, der den Anlegern nun erfreuliche Zahlen zur Geschäftsentwicklung der Hawesko-Holding mitteilen konnte.

Hawesko investiert in Online-Handel

Der Gesamtumsatz ist auf 480 Millionen Euro im Jahr 2016 gestiegen, das Unternehmen ist schuldenfrei. Mitverantwortlich sind dafür auch die Umstellungen in der wohl bekanntesten Marke des Unternehmens, Jacques Weindepot. Im Gegensatz zum reinen Versandhandel Hawesko (Hanseatisches Wein und Sektkontor) ist es für Kunden in den knapp 300 Filialen möglich, sämtliche Weine zu probieren - immerhin knapp 200 Posten. „Wir investieren viel dafür, dass es möglich ist, das Sortiment probieren zu können“, sagt Hermelink. Kleinere Händler können es sich oft nicht erlauben, vor allem von teuren Weinen permanent eine Flasche für etwaige Kunden geöffnet zu haben – die Ware ist dafür zu schnell nicht mehr in der besten Kondition.

Selbst Ebay handelt mit Wein

Dennoch investiert auch die Hawesko-Holding in den Online-Handel. Das ist auch dringend nötig, denn der Kauf selbst teuerster Tropfen erfolgt heute oft per Klick. Winzer betreiben eigene Weinshops. Start-Ups wie Wine in Black gelingt es, von Investoren hohe Millionenbeträge einzusammeln, um ihre clubartigen Konzepte im Markt zu platzieren. Vor einigen Wochen machte viele Fachhändler die Nachricht nervös, dass das Auktionshaus Ebay den bereits florierenden Handel mit Wein weiter intensivieren will. Und bislang hält sich Handelsgigant Amazon mit dem Vertrieb von Tempranillo und Lemberger zurück. Das muss angesichts der Pläne für den Einstieg in den Handel mit Lebensmitteln nicht lange so bleiben. Hawesko hat das 2011 gegründete Start Up wirwinzer.de übernommen, auf dem Winzer ihre Weine direkt vermarkten können.

Deshalb ertrinken die Winzer im Konkurrenzkampf

Die Herausforderungen im Onlinehandel sind jedoch andere als die klassischer Fachhändler, die sich darauf beschränken bei Winzern die richtigen Weine auszuwählen und Kunden bei Kerzenschein auf einem Holzfass von tief wurzelnden Reben und Kalksandsteinböden vorzuschwärmen. „Ein gut funktionierender Shop, eine hohe Lieferfähigkeit und schneller Versand“, sind die größten Herausforderungen, sagt Jochen Moessner, der bei Stuttgart den Versandhandel genuss7 betreibt. Der Preis gebe im Onlinehandel hingegen nur wenig Spielraum her.

Jaques Weindepot nutzt deswegen die Erkenntnisse, die erfolgreichen Onlinehändler für jede Art von Produkt nutzen. „Da wäre zum Beispiel ein neues Kassensystem“, sagt Michael Pleitgen. Das klänge auf Anhieb zwar wenig sexy, sei aber dafür nötig, um Kunden bei Jaques zu erlauben, Weine, die sie online bestellen und die ihnen dann doch nicht gefallen, in Filialen zurückzubringen. Kundenservice, der in einer Handelswelt, die ständig von Omnichannel spricht, immer noch nicht die Regel ist.

Stimmt das Produkt, dann darf es auch was kosten, meint Thorsten Hermelink. „Es wird in Zukunft mehr Geld für hochwertigere Lebensmittel ausgegeben werden, der Genussfaktor wird zunehmen“, sagt er. Mit diesem Optimismus ist Hermelink gerne ein einsamer Rufer in der Nahrungsmittelwüste. Er glaubt an ein junges Publikum, das mehr Wert auf Qualität legt und auch hochwertige Küche zu schätzen weiß, solange diese nicht steif serviert wird. „Ich war in Hamburg in einem Restaurant mit einem Michelinstern mit sehr lockerem Service und Atmosphäre und war der älteste Gast“. Hermelink ist 47.

Diese Klientel, so meint Hermelink, fände dann vielleicht auch wieder Geschmack daran, den Laptop zuzuklappen und sich auf den Weg in einen Weinhandel zu machen. Sieben Geschäfte betreibt die Hawesko-Tochter vinos.de. Dabei soll es nicht bleiben. So schön ein guter Versandhandel sei - viele Menschen, wollen den Wein probieren, den sie kaufen. Am besten im Geschäft.

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