Die große Show vom kerngesunden deutschen Backhandwerk startet im Herbst. Dann will Promi-Koch Johann Lafer im ZDF den besten Bäcker des Landes küren. Aufgerufen seien „Bäcker mit ,Laib‘ und Seele, die ihre Handwerkskunst mit Leidenschaft pflegen“, vermeldet der Fernsehsender. Sie sollen vor einer Jury gegeneinander anbacken. Kurz: Deutschland sucht den Super-Bäcker.
Allein, die Realität hat mit der Fernsehfolklore wenig zu tun. Von alter Backkunst im kleinen Familienbetrieb sind große Teile der Zunft mittlerweile ähnlich weit entfernt wie Buttercroissants von diätischen Nährmitteln. Stattdessen dominieren Backketten und Discounter das Geschäft, pflügen Finanzinvestoren und Handelskonzerne die Branche um.
Erst vergangene Woche verkündete die Deutsche Beteiligungs AG aus München den Einstieg bei der brandenburgischen Bäckereikette Dahlback. Unter den Namen „Lila Bäcker“ und „Unser Heimatbäcker“ betreibt Dahlback 357 Filialen in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein.
Der Deal könnte der Auftakt für weit größere Marktverschiebungen sein. Bis 2020 werde die Zahl der Backbetriebe von heute 14 000 auf rund 8000 sinken, erwartet der Verband Deutscher Großbäckereien. Wer sich jetzt Marktanteile sichert, so das mögliche Kalkül der Dahlback-Investoren, kann Größenvorteile ausspielen und den Verdrängungswettlauf überleben. Für viele regionale Bäckereiketten aber könnte das heißen: Ofen aus.
"Tiefe Strukturkrise"
Schon in den vergangenen Monaten erwischte es etliche lokale Größen: Kurz vor Ostern meldete die Dürener Bäckereigruppe Fuchs mit 27 Filialen Insolvenz an. Die Großbäckerei Wilhelm Middelberg aus dem niedersächsischen Bad Iburg musste jüngst 40 Filialen schließen, um den Untergang abzuwenden.
Zuvor hatte bereits die Siebrecht-Gruppe im nordrhein-westfälischen Brakel Insolvenz beantragt und konnte sich nur über Notverkäufe retten. Experten sehen bereits den Auftakt einer wahren Pleitewelle im Brötchen-Business: „Die deutschen Bäckereien stecken in einer tiefen Strukturkrise“, sagt der Berliner Insolvenzverwalter Rüdiger Wienberg, dessen Kanzlei bereits in zahlreiche Bäckereiverfahren involviert war. „Die Insolvenzzahlen steigen, und diese Entwicklung dürfte sich in den kommenden Jahren fortsetzen“, so Wienberg.
Pleitewelle im Brötchen-Business?
Ganz ähnlich klingt der Kölner Verwalter Christoph Niering: „Gerade viele mittelgroße Bäckereiketten können kaum noch mithalten“, sagt er. Gleich an mehreren Fronten müssen sie kämpfen: Die Billigangebote von Back-Discountern und die steigenden Energie- und Personalkosten zehren an der Marge. Noch entscheidender ist ein Trend im Lebensmittelhandel: der flächendeckende Ausbau sogenannter Backstationen.
In einer Aldi-Filiale in Köln-Ehrenfeld verrichtet der Bäckerschreck leise surrend sein Werk. Nach einem Knopfdruck zur Auswahl der Brotsorte säuselt eine Frauenstimme: „Einen Moment bitte“. In der zwei Meter hohen ockerfarbenen Maschine rumpelt es, wenig später landet „Unser rustikales Brot“ im Entnahmefach. 85 Cent kostet das Roggengemisch, und über die Frage, ob es sich dabei um ein frisch gebackenes Brot oder um einen erwärmten Teigling handelt, streiten die Anwälte des Billigheimers mit denen der Bäckerlobby.
Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks hat den Handelskonzern vor das Landgericht Duisburg gezerrt. In der Klageschrift heißt es, Aldi werbe damit, die Produkte in den Automaten frisch zu backen. Tatsächlich aber würden sie „nur erhitzt und/oder gebräunt“. Aldi widerspricht. Nun sollen Sachverständige bewerten, ob die Aldi-Maschine mehr ist als ein großformatiger Toaster. Wann die Entscheidung fällt, ist offen.
Für die Branche dürfte das Urteil ohnehin wenig ändern. Der Siegeszug der Backstationen scheint kaum zu stoppen. Nicht nur Aldi setzt auf die vor Ort aufgebackene Ware. Auch in Märkten von Lidl, Penny, Kaufland und Co. ergänzen längst frisch erhitzte Croissants und Baguettes das Backsortiment in Regalen und Tiefkühltruhen. Der Edeka-Ableger Netto Markendiscount will nach Informationen der WirtschaftsWoche noch im laufenden Geschäftsjahr die Zahl der Backstationen in seinen Filialen bundesweit flächendeckend ausbauen. Ende 2013 wurde bereits in knapp 1200 der 4150 Netto-Filialen stationäre Aufwärmware verkauft.
Die Offensive im Handel hat Folgen: Zum einen sparen sich viele Kunden den Weg zum Bäcker und nehmen ihre Brötchen beim Einkauf gleich mit. Zum anderen werden die Bäcker immer öfter aus den sogenannten Vorkassenzonen verdrängt. Bisher waren die Flächen im Eingangsbereich der Händler oft an Bäcker untervermietet. Neuerdings würden die Händler jedoch dazu übergehen, „Mietverträge für Vorkassenzonen zu kündigen“, hat der Sanierungsberater Clemens J. Jobe bei der Restrukturierung der Großbäckerei Wilhelm Middelberg festgestellt. Damit würden „ausgerechnet die umsatzstärksten und lukrativsten Standorte“ wegfallen.