Hennes & Mauritz H&M fehlt das Konzept für neue Gegner

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Alleinstellungsmerkmale gehören Vergangenheit an

Es gab Zeiten, in denen konnte man den In-Faktor einer Stadt daran ablesen, ob in der Fußgängerzone ein Laden mit dem roten H&M-Schriftzug zu finden war. Darin rangelten sich Mütter und Töchter um Tops, Parkas und Blusen, schleppten in großen weißen Plastiktüten mit dem roten Logo ihre Beute nach Hause. Mittlerweile aber beherrschen die Nachahmer die schnelldrehende Mode besser als der Erfinder: Zara ist aktueller und modischer; Primark, TK Maxx oder die deutsche Kette New Yorker sind billiger.

Schlichte Damen-Shirts etwa, die bei H&M schon schlanke 4,99 Euro kosten, gibt es bei Primark für 3 Euro, bei New Yorker für 2,95 Euro. Beim Preis chancenlos, gelingt es H&M aber nicht, mit höherwertigen oder modischeren Klamotten zu punkten. „H&M hat seine Alleinstellung verloren und ist durch neue Wettbewerber in eine preisliche und modische Sandwichposition geraten“, sagt Berater Prechtl. Die einstige Kultmarke ist zu einem langweiligen Textilhändler geworden.

Die Misere ist auch der Unternehmenskultur geschuldet. In den Chefetagen in Stockholm und den jeweiligen Ländergesellschaften arbeiten Manager, die dort ihr gesamtes Berufsleben absitzen. Impulse von außen? Selten. In den Filialen dagegen, in denen die meisten der knapp 150.000 H&M-Angestellten arbeiten, geht es zu wie im Taubenschlag. Ein deutscher H&M-Manager berichtet von einer Fluktuation, die um 20 Prozent liege. So tausche im Schnitt jede Filiale in fünf Jahren ihr gesamtes Personal aus, rechnet der Insider vor. „Filial- und Abteilungsleiter sind unentwegt damit beschäftigt, neue Mitarbeiter einzuarbeiten.“ Anstatt immer mehr Läden zu eröffnen, müsste H&M dringend die in die Jahre gekommenen Filialen modernisieren, kritisiert ein ehemaliger H&M-Filialleiter.

Doch die Liste der Probleme ist weitaus länger:

Die beliebtesten Textilhersteller

  • Expansion am Limit. 2015 öffnete jeden Tag ein neuer H&M-Laden. Im laufenden Geschäftsjahr soll die Zahl der Läden erneut um 400 auf weltweit mehr als 4100 steigen. Dabei ist die Sättigung in vielen Ländern längst erreicht, der Konzern kannibalisiert sich. In China etwa öffnete H&M in diesem Jahr knapp 50 neue Läden – trotzdem stagniert der Umsatz. „China als zentrale Quelle künftigen Wachstums wird nicht ausreichen“, sagt Martin Schulte, Partner und Modeexperte bei der Unternehmensberatung Oliver Wyman in München. Der chinesische Markt habe fühlbar an Schwung verloren, der private Konsum sei in den vergangenen fünf Jahren um 30 Prozent zurückgegangen. „Zusätzlich sind die Malls längst gefüllt mit jungen asiatischen Labels aus Südkorea, Japan oder China.“ Die Strategie der spanischen Inditex, die rasante Flächenexpansion etwas zu drosseln und das Onlinegeschäft zu verstärken, ist überzeugender.
  • Teure und langsame Beschaffung. Während Inditex, die Mutter von Zara und Massimo Dutti, binnen weniger Wochen neue Ware in die Regale bringt, benötigt H&M dafür Monate. Zudem belastet der Einkauf in Asien das Konzernergebnis. Dort wird in Dollar gezahlt. Weil der stark stieg, kletterten die Beschaffungskosten 2015 fast doppelt so schnell wie der Umsatz. Inditex hingegen verzichtet weitgehend auf Billigstproduktion aus Fernost und fertigt in Europa, Tunesien und Marokko. Oder gleich am Firmensitz im galizischen Arteixo. Inditex hat früh erkannt, wie wichtig schnelle und flexible Produktion ist. Restware und Preisreduzierungen sind daher bei Inditex beinahe Fremdworte – im Modehandel allgemein und bei H&M hingegen ein Dauerproblem.
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