Herbert Hainer Die Fehler des Adidas-Chefs

Seite 2/3

Stramm in Richtung Pleite

Wer mit Hainer zu Fuß durch London geht, besser: rennt, sieht mehr von den Schuhen der Passanten als von der Stadt. Carnaby Street? Ja, ganz nett, immer schön, hier zu sein, aber da vorn: „Da, sehen Sie? Superstar“, ein klassisches Adidas-Modell. Zehn Meter weiter: „Aha: Gazelle“, auch von Adidas. Hainer ist ein Mann des gesenkten Blicks. Ständig will er sehen, was die Passanten an den Füßen tragen. Ist es ein Adidas-Modell, scheint es in seinem Kopf zu klingeln: Prima, wieder ein paar Euro verdient, wieder Umsatz gemacht.

Hainer tickt so. Er ist Vertriebsmann, durch und durch. Als der Niederbayer im Frühjahr 1987 zu Adidas wechselt, bringt er seine Erfahrung aus acht Jahren beim Konsumgüterriesen Procter & Gamble mit. 14 Tage nach Hainers Antritt bei Adidas als Vertriebsmanager stirbt Gründer-Sohn und Konzernchef Horst Dassler. Adidas stürzt für Jahre ins Chaos, stramm in Richtung Pleite. Erst der Franzose Robert Louis-Dreyfus, der 1993 einsteigt, rettet das Unternehmen, indem er Fabriken in Europa dichtmacht, Produktion in Billiglohnländer verlagert und als Ex-Chef der Londoner Agentur Saatchi & Saatchi massiv auf Werbung setzt. Dreyfus’ Landsmann Christian Tourres, zuständig für die Finanzen, fördert Hainer. Der zieht 1997 in den Vorstand ein und wird im März 2001 Chef.

Nike gegen Adidas - Das Duell

Der lässige Franzose entstammt einer reichen Unternehmerdynastie, hat sich sein Harvard-Studium durch Pokergewinne finanziert und wird auch noch als Adidas-Chef wegen seiner legeren Kleidung schon mal mit dem Chauffeur verwechselt. Zögling Hainer ist Sohn eines Metzgers und finanzierte sein BWL-Studium in Landshut als Fußballstürmer in der Bayernliga, half in der elterlichen Metzgerei aus und gründete nebenbei erfolgreich eine Kneipe.

Bei Adidas an der Spitze, setzt Hainer zunächst Dreyfus’ Strategie fort und forciert die Internationalisierung. Gemeinsam mit seinem Marketingchef und Weggefährten Erich Stamminger entscheidet er, Adidas auch als Modemarke zu etablieren. Hainer bringt klassische Sportschuhe auf den Markt, die auf der Straße getragen werden. Es folgen modische Treter in Kooperation mit dem japanischen Stardesigner Yohji Yamamoto oder der Beatles-Tochter Stella McCartney. Mit der Freizeitmarke Neo für junge Käufer tritt er gegen den Billigkonkurrenten H&M an.

Gleichzeitig lernt Hainer von Widersacher Nike und investiert massig in Werbung. Das Konzept geht vordergründig auf; Mode und Sport treiben den Umsatz. Doch tatsächlich haben weder Hainer noch Stamminger eine echte Nähe zum kreativen Teil ihres Geschäfts.

Freund der Krämer

Hainer kann gut mit Händlern und ist bei den Krämern hoch angesehen, sein Duzfreund Stamminger kommt vom Nürnberger Marktforscher GfK und setzt auf Zahlen. Kreative Bauchmenschen sind Hainer und Stamminger beim besten Willen nicht. „Die besten Manager sind nicht die, die viele Ideen haben“, sagt Hainer einmal, „es sind die, die ein oder zwei Ideen kompromisslos in die Tat umsetzen.“

Doch was, wenn diese Ideen nicht fruchten? 2005 stellt sich Hainer zusammen mit Stamminger solche Fragen zumindest zu wenig. Stattdessen haben die beiden eine Idee, die sie kompromisslos in die Tat umsetzen wollen, die ihren Nimbus jedoch auf lange Sicht empfindlich ankratzen wird: Sie stoßen die Wintersportsparte Salomon ab und erklären nur zwei Monate danach, die US-Marke Reebok kaufen zu wollen.

Hainers Ziel ist klar, er will Nike auf dem Heimatmarkt USA angreifen. 35 Prozent des Sportschuhmarktes hält der Konkurrent dort. „Ich glaube nicht, dass es die Märkte auf Dauer zulassen, dass ein Player so dominant ist“, hofft Hainer.

Es war der große Irrtum, der Hainer, so sehr er in der Folgezeit auch den Umsatz von Adidas steigerte, für den Rest seiner Zeit als Konzernchef anhängen sollte. Die Marke ausgelutscht und unattraktiv, die Lager der Händler voll mit alter Ware, mickrige Margen – erst jetzt, acht Jahre später und nach mehrfachem Wechsel an der Reebok-Spitze, scheint Hainer bei der US-Tochter endlich Wachstum zu gelingen.

Die 20 besten Marken im Internet

Doch die Energie, die der Niederbayer dafür verwendete, fehlte ihm an anderer Stelle. Denn während Hainer Reebok rettet, dreht Nike von 2006 an unter seinem neuen Chef Parker in den USA mächtig auf. Und die Amerikaner schaffen, was Hainer Jahre zuvor nicht glauben konnte: Zusammen mit der Tochtermarke Jordan kommt Nike heute im US-Handel auf einen Marktanteil von mehr als 60 Prozent.

Hainer dagegen musste bei Adidas von 2005 an einen Rückgang von zehn auf heute sechs Prozent hinnehmen. Bei Reebok, seiner erhofften Waffe gegen Nike, sackte der Anteil gar von 8,0 auf nur noch 1,8 Prozent ab. Statt drei Milliarden Euro, wie zunächst 2010 im Businessplan vorgesehen, hofft Hainer nun, 2015 zwei Milliarden Euro mit Reebok einzunehmen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%