Herkulesaufgabe für Galaxus und Co. Wie neue Onlineshops Amazon angreifen wollen

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Unschlagbarer Preis oder besondere Produkte könnten für Erfolg sorgen

Wie ein neuer Onlineshop hierzulande trotzdem Erfolg haben kann, weiß Ernst Stahl vom ibi-research-Institut an der Universität Regensburg: „Die meisten Verbraucher haben im Internet ihre Stammshops. Um einen Kunden nun vom Wechsel zu überzeugen, muss das entweder mit einem kaum schlagbaren Preis oder außergewöhnlichen Produkten geschehen“, erklärt Stahl. „Bietet ein neuer Onlineshop nichts von beidem, wird er es sehr schwer haben.“

Doch weder bietet das Sortiment von galaxus.de Besonderheiten, noch sind selbst die Tagesangebote im Preis „unschlagbar“, auch wenn Kunden dort durchaus Schnäppchen finden können. Deshalb setzt Deutschlandchef Frank Hasselmann auf einen anderen Weg: „Der Onlinehandel in Deutschland ist farbloser und transaktionaler als in der Schweiz. Onlinekunden werden oft allein gelassen und können leicht in der unüberschaubaren Produktflut untergehen“, erklärt Hasselmann. „Es fehlt die Unterstützung im Kaufprozess.“ Genau diese Lücke wolle der Deutschlandchef mit Galaxus füllen. 

Doch damit Hasselmann dazu überhaupt die Chance bekommt, muss Galaxus in Deutschland als Shop erst einmal wahrgenommen werden. Das ist dank des großen Konkurrenten Amazon gar nicht so leicht: „Aus einer unserer Studien zum Einkaufsverhalten im Internet geht hervor, dass mittlerweile die meisten Produktsuchen in Deutschland bereits direkt bei Amazon beginnen – nämlich 34 Prozent. Nicht etwa bei Google, wo sich zahlreiche Shops präsentieren können“, sagt Ernst Stahl von der Universität Regensburg. „Gerade neue Onlineshops haben es schon schwer, überhaupt gesehen zu werden.“

Galaxus kämpft dagegen zu Beginn mit Onlinemarketing auf einschlägigen Kanälen wie Google, Facebook oder Instagram. „Um breitere Maßnahmen wie TV- oder Plakatwerbung auszurollen, ist die Zeit noch nicht reif“, sagt Deutschlandchef Hasselmann

„Für Nischenshops besteht immer Bedarf“

Was Galaxus vor sich hat, lässt ein Blick erahnen auf andere ausländische Shops, als sie in Deutschland an den Start gingen. „Appliances Only“ bedeutet übersetzt „nur Haushaltsgeräte“ und ist in Deutschland besser bekannt unter seiner Webadresse „ao.de“. Seit Ende 2014 verkauft AO über den Onlineshop in Deutschland Waschmaschinen, Kühlschränke oder Gefriertruhen. Gestartet ist AO bereits 2000 in Großbritannien und hat es da mit einem Umsatz von 690 Millionen Euro unter die größten Onlinehändler der Insel geschafft.

In Deutschland ist der britische Onlinehändler nicht ganz so groß wie auf dem Heimatmarkt: 125 Millionen Euro erwirtschaftete ao.de 2017 und liegt damit auf Platz 55 der umsatzstärksten Onlinehändler in Deutschland. AO-Deutschlandchef Alpay Guener ist mit dem Geschäft hierzulande und der Entwicklung des Onlineshops dennoch „sehr zufrieden“.

„Die deutschen Kunden sind noch konservativ beim Kaufverhalten, also bei der Nutzung von digitalen Bezahlsystemen über Mobile-Apps und bei der generellen Onlineaffinität der Konsumenten“, sagt Guener. Dies spiegele sich überall auf dem deutschen Markt und damit zwangsläufig auch im Konsumverhalten wider. „Viele Dinge des täglichen Lebens werden in Großbritannien direkt mit dem Smartphone gesteuert“, sagt Guener.

Trotzdem hat AO seinen Platz im deutschen Onlinehandel durch die Spezialisierung auf Haushaltsgeräte samt Installation und Service gefunden und sich etabliert – wenn auch nicht ganz so erfolgreich wie in Großbritannien. Ganz überraschend ist das nicht: „Für Nischenshops besteht immer Bedarf, auch wenn es vermeintlich bereits genug Onlineshops gibt“, sagt Ernst Stahl. Ein gutes Beispiel aus Deutschland sei das Musikhaus Thomann. „Ein Unternehmen, das es zum weltweit umsatzstärksten Onlineshop für Musikinstrumente geschafft hat, eben weil es so spezielle Produkte verkauft, für die es besondere Expertise benötigt.“

von Henryk Hielscher, Matthias Hohensee, Silke Wettach

AO oder auch hierzulande mittlerweile etablierte Shops wie Asos oder DocMorris haben den Vorteil, dass sie bereits vor ein paar Jahren angefangen haben. „Sicherlich wäre ein Markteintritt in Deutschland zu einem frühen Zeitpunkt von Vorteil gewesen“, sagt Ernst Stahl. „Der Onlinehandel wird zunehmend gesättigter und für neue Wettbewerber wird es schwieriger. Was allerdings nicht bedeutet, dass nicht auch 2019 noch neue und erfolgreiche Shops hinzukommen können.“

Es spricht vieles gegen eine große Rolle von Galaxus in Deutschlands Onlinehandel. Doch wenn es Hasselmann und seinem Team hierzulande doch gelingt, dann stünden ihnen weitere Türen offen: „Deutschland ist nur ein erster Schritt. Unser Blick ist auf Europa gerichtet. Wenn wir hierzulande bestehen, schaffen wir es auch in vielen weiteren Ländern“, sagt Frank Hasselmann. Dann auch mit dem vollen Programm. Inklusive Erotik, Tierbedarf und Spielwaren.

Und gerade der übermächtige Konkurrent könnte Hasselmann Mut machen: Immerhin ist Amazon selbst das beste Beispiel dafür, dass ein ausländischer Shop auch hierzulande zum Marktführer mit mehreren Milliarden Euro Umsatz pro Jahr werden kann. Doch was Galaxus motivieren könnte, wird Amazon wohl kaum beunruhigen.

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