Das Bundeskartellamt verhängt ein Bußgeld von 338 Millionen Euro gegen 21 Wursthersteller und 33 verantwortliche Personen. Die Firmen hatten sich über Preise verständigt und so Konsumenten in Deutschland geschädigt. Damit steigt die Summe aller vom Bundeskartellamt verhängten Bußgeldbescheide auf 937 Millionen Euro – der höchste Wert in der Geschichte der Behörde.
Das Verfahren gegen die Unternehmen läuft bereits seit fünf Jahren. Die Behörde musste deshalb jetzt die Bußgeldbescheide ausstellen. Andernfalls wären die Vorwürfe verjährt. An den Absprachen beteiligt waren unter anderem so bekannt Hersteller wie Herta (Nestlé), Meica, Rügenwalder Mühle, Stockmeyer und Wiesenhof Geflügelwurst. Die H. & E. Reinert Westfälische Privat-Fleischerei GmbH und Sickendiek Fleischwarenfabrik GmbH & Co. KG kündigten an, Klage gegen den Bescheid einzulegen.
Die Wursthersteller trafen sich schon seit Jahrzehnten regelmäßig im sogenannten „Atlantic-Kreis“, benannt nach seinem ersten Treffpunkt, dem Hamburger Hotel Atlantic, um über Marktentwicklungen und Preise zu diskutieren. Neben diesem „Atlantic-Kreis“ kam es zwischen verschiedenen Wurstherstellern, insbesondere seit dem Jahre 2003, zu konkreten Absprachen, gemeinsam Preiserhöhungen gegenüber dem Einzelhandel durchzusetzen. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Die Preisabsprachen wurden über viele Jahre praktiziert. Das Gesamtbußgeld erscheint auf den ersten Blick hoch, relativiert sich aber vor dem Hintergrund der großen Zahl der beteiligten Unternehmen, der Kartelldauer und den Milliardenumsätzen die in dem Markt erzielt werden." Gerade bei der Bußgeldbemessung sei man in der teilweise mittelständisch geprägten Branche mit Augenmaß vorgegangen.
Von Wurst über Bier bis zu Stahl und Zement
Die Liste der kartellrechtlich vorbelasteten Unternehmen ist lang und umfasst alle Branchen: ThyssenKrupp, zum Beispiel, musste 2007 volle 479 Millionen Euro Strafe zahlen, HeidelbergCement wurde zu einem Bußgeld von 161,4 Millionen Euro verurteilt. Auch in diesem Jahr hatte das Bundeskartellamt bereits zwei große Kartelle aufgedeckt. Die Wettbewerbsbehörde wirft den Unternehmen Pfeifer & Langen, Südzucker und Nordzucker vor, sich über viele Jahre hinweg über Verkaufsgebiete, Quoten und Preise abgesprochen zu haben. Dafür mussten die Unternehmen eine Strafe von insgesamt rund 280 Millionen Euro zahlen.
Noch höher fiel das Bußgeld bei den sogenannten Fernsehbieren aus. Elf Brauereiunternehmen – darunter bekannte Hersteller wie Bitburger, Krombacher, Veltins, Warsteiner, Radeberger und Carlsberg – wird vorgeworfen, Preisabsprachen für Fassbier und Flaschenbier getroffen zu haben. Bei Flaschenbier sei dabei der Preis für einen Kasten Bier im Jahr 2008 um einen Euro gestiegen.
Erster sein lohnt sich
Doch nicht jeder der Kartellanten muss auch zahlen. Das Kartellverfahren geht auf Informationen des Beck's-Herstellers Anheuser-Busch InBev Germany zurück. Als Kronzeuge bleibt er ohne Geldbuße. Vier weitere Brauereien haben in dem Verfahren mit dem Kartellamt auf der Basis einer Bonusregelung kooperiert – und sich so einen Teil des Bußgelds erspart.
Die Regelung ist umstritten, doch Andreas Mundt, Präsident der Wettbewerbsbehörde, sieht die Regelung als Erfolg. Rund die Hälfte der Kartelle würden durch Tipps von Kronzeugen aufgedeckt, sagte er der Welt am Sonntag. Dass Amtspräsident Mundt Ernst macht mit seiner Ankündigung, härter gegen Kartelle zu ermitteln, zeigt auch der Jahresbericht für das vergangene Jahr. 73 Unternehmen und 11 Privatwohnungen hat er im vergangenen Jahr durchsuchen, 18 Terrabyte Daten und 1330 Aktenordner beschlagnahmen lassen. Zwölf Kartellverfahren hat sein Haus 2013 abgeschlossen – und dem Staat so rund 240 Millionen Euro an Bußgeld eingebracht.
Immer höhere Geldbußen
Den größten Anteil machte 2013 ein Bußgeld gegen ein Bahnschienen-Kartell aus. Die Hersteller hatten sich abgesprochen, wer welche Aufträge übernehmen solle. So schadeten sie zehn Jahre lang Nahverkehrsunternehmen, Privat- und Regionalbahnen – und mussten dafür rund 98 Millionen Euro zahlen.
Im Fall des Wurstkartells ist die Bemessungsgrundlage des Bußgelds noch umstritten. Das Kartellamt will das Bußgeld für Tönnies am Umsatz all seiner Unternehmen bemessen, obwohl sie rechtlich nicht miteinander verflochten sind und nur gegen die Zur-Mühlen-Gruppe ermittelt wurde. „Ein mögliches Bußgeld wird in die Höhe getrieben, indem Umsätze der Tönnies-Gruppe, die mit dem Sachverhalt überhaupt nichts zu tun haben, mit in die Berechnung einbezogen werden“, beschwerte sich ein Sprecher der Gruppe.
Die Höhe der Geldbußen richtet sich nach der Schwere und der Dauer der Tat. Im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen wird der Bußgeldrahmen nach oben mit 10% des Gesamtumsatzes des Unternehmens begrenzt. Ähnlich wie auf EU-Ebene werden die einzelnen Bußgelder immer höher – mit positivem Effekt, wie Behördenchef Mundt sagt. „Aufgrund der vielen Verfahren und der hohen Bußgelder ist das Thema endgültig in den Chefetagen angekommen.“
Bußgelder werden eingepreist
Die steigenden Bußgelder sind aber durchaus umstritten. „Die erhöhte Abschreckungswirkungen durch höhere Bußgelder lässt sich nicht belegen“, sagt Stefan Thomas, Professor für Kartellrecht an der Universität Tübingen. Wirksamer wären zum Beispiel strafrechtliche Konsequenzen wie Gefängnisstrafen für die verantwortlichen Manager. Das US-amerikanische und britische Recht erlaubt das, in Deutschland müssen die Verantwortlichen höchstens eine Strafe zahlen.
Kartellrechtsexperte Thomas sieht noch eine weitere Gefahr, drakonischer Geldbußen: Die hohen Zusatzkosten für die Firmen würden eingepreist und so an die Verbraucher weitergegeben. Da an Kartellen oftmals fast alle wichtigen Marktteilnehmer beteiligt sind, erhöhen sich die Preise generell. „Die Gefahr steigt, dass durch hohe Bußen für Unternehmen ein Nachteil für die Verbraucher entsteht“, sagt Thomas.