Hörgeräte Kampf gegen Korruption in der Hörgeräte-Branche

Schmiergelder, Prozesse, heimliche Firmenbeteiligungen: Im Milliardenmarkt für Hörgeräte gehören Korruption und unlautere Tricks der Ärzte und Akustiker zum Geschäftsalltag. Den Schaden haben am Ende die Patienten.

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Hörgeräteunternehmer Quelle: Werner Schüring für WirtschaftsWoche

Kein Witz, auch wenn er so beginnt. Kommt ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt zum Hörgeräteakustiker. Sagt der Arzt: Mensch, durch die ständigen Gesundheitsreformen geht’s mir immer schlechter. Ich schick’ dir so viele Patienten mit Hörschäden rüber, da musst auch du was rüberwachsen lassen, sagen wir 100 Euro pro Patient. Der Akustiker ziert sich zuerst, sagt dann aber: Okay, das muss allerdings unter uns bleiben.

Schilderungen dieser Art kursieren zuhauf in einer Branche, der dank der Alterung der Gesellschaft in den kommenden Jahren der ganz große Boom winkt: den Hörgeräteakustikern. Schmiergelder, Gerichtsprozesse und unlautere Tricks gehören zum Geschäftsalltag wie die Stimmgabel zum Chorleiter. Das zeigen wochenlange Recherchen der WirtschaftsWoche bei Akustikern, Ärzten, Juristen und Kriminalisten.

Was die Insider berichten, lässt nur einen schlimmen Schluss zu: Im Geschäft mit den elektronischen Winzlingen wird unlauter kassiert und geschmiert, dass einem Hören und Sehen vergehen – ob mit offenen Kickbacks, stillen Firmenbeteiligungen oder mit Ehegatten und nahen Verwandten, die als Strohmänner Hilfe leisten.

10 Prozent, 100 Ärzte, 1000 Euro

Korrupte Ärzte und Pharmafirmen

„Akustiker sind eine ganz besonders schlimme Spezies“, behauptet Uwe Dolata, Korruptionsexperte beim Bund Deutscher Kriminalbeamter. Der 56-jährige Kriminalhauptkommissar aus Würzburg kennt sich aus im deutschen Gesundheitswesen und hat schon viele korrupte Ärzte und Pharmafirmen zur Strecke gebracht. Bei Akustikern und Orthopäden sei die Korruption jedoch „ganz besonders ausgeprägt“.

900.000 Hörgeräte für insgesamt 1,3 Milliarden Euro gingen 2012 in Deutschland über den Ladentisch. Durchschnittlich 1000 Euro kostet hierzulande der Knopf im oder hinterm Ohr. Nur etwa 400 Euro davon übernimmt die gesetzliche Krankenkasse, den großen Rest bezahlt der Patient. Spitzenmodelle mit Dutzenden Hörkanälen oder Sonderfunktionen wie etwa „Sprache im Wind“ kosten schon mal um die 2500 Euro. Direkte Verbindungen zum Mobiltelefon, MP3-Player oder zu Fernsehern haben aus der elektronischen Hörhilfe längst technische Wunderwerke gemacht.

Zahl der verkauften Hörgeräte in Deutschland

Wachsender Markt

Seit Jahren wächst der Markt im Schnitt um fünf Prozent jährlich. In diesem Tempo wird es weitergehen, erwartet Hans-Peter Bursig, Chef des Verbandes der Hörgeräte-Industrie: „Die Deutschen werden älter, und die Miniaturisierung sowie Leistungsfähigkeit der Geräte erhöht gleichzeitig die Akzeptanz.“

Dass Handaufhalten und verdecktes Abkassieren in der Branche funktioniert, liegt zum einen an den hohen Spannen, die zwischen Einkauf und Verkauf liegen: Häufig, so heißt es in der Branche, schlagen die Händler noch mal 100 Prozent drauf – vor allem bei teuren Geräten.

Zum anderen dürften Mauscheleien begünstigt werden, weil der Hörgerätemarkt überschaubar ist. Die Beteiligten kennen sich oft allzu gut: Drei große Hersteller – Siemens, der Schweizer Anbieter Phonak und das dänische Unternehmen William Demant mit seiner Marke Oticon – decken weit mehr als 50 Prozent des Marktes ab.

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