Hohe Löhne? Warum sich Schleckermitarbeiter bei der Jobsuche schwer tun

"Die Schleckerfrauen sind zu teuer - deshalb finden sie keine neuen Jobs" hieß es am Wochenende. Dabei bezahlte die Drogeriekette lediglich nach Tarif - anders als viele Mitbewerber im Einzelhandel.

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"Hohe Löhne - Problem für Ex-Schlecker-Mitarbeiter", "Schlecker-Frauen: Hoher Lohn erschwert Vermittlung", "Lohnvorstellungen erschweren Jobfindung" - so lauteten die Schlagzeilen vom Wochenende. Das erweckt den Anschein, als hätten die "Schleckerfrauen" Unsummen fürs Kassieren und Regale einräumen bekommen. Und dass sie sich nun zu fein sind, für weniger Lohn bei dm oder Rossmann zu arbeiten. Richtig ist, dass die Mitarbeiter der insolventen Drogeriekette möglichst geringe Abstriche beim Gehalt machen wollten - eine durchaus verständliche Haltung.

Die früheren Schlecker-Mitarbeiter haben sich auf gesetzliche Regelungen berufen, die Betroffenen zumindest in den ersten Monaten die Ablehnung unzumutbarer Stellen erlaubt, so die Denkfabrik der Bundesagentur für Arbeit. In den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit sind Abschläge beim Lohn von maximal 20 Prozent zumutbar; in den folgenden drei Monaten gelten Jobs mit Lohnabschlägen von bis zu 30 Prozent als akzeptabel. Danach können Arbeitslose eine Stelle nur noch ablehnen, wenn der Lohn niedriger ist als das Arbeitslosengeld. Job-Vermittlern seien dadurch im Fall früherer Schlecker-Beschäftigter häufig die Hände gebunden gewesen.

Neuanfang der Schlecker-Frauen

Allerdings bekamen die Mitarbeiter bei Schlecker kein exorbitantes Gehalt, sondern lediglich Tariflohn. Sie verdienten also zwischen 7,28 Euro Stunde und 9,50 Euro pro - abhängig vom Bundesland und der Berufserfahrung. Agentur kontert Kritik wegen Vermittlung von Schlecker-Mitarbeitern

Dass Schlecker nach Tarif zahlte und die Mitarbeiter nicht für weniger als sieben Euro pro Stunde arbeiten wollen, hat nach Einschätzung von Arbeitsagenturen die Vermittlung arbeitslos gewordener Schlecker-Mitarbeiter erheblich erschwert, wie aus einer bereits Mitte April präsentierten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervorgeht. Von den 2012 entlassenen 27.000 Mitarbeitern hätten im März erst 49 Prozent einen neuen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz gehabt. Wer also nicht für weniger als Tariflohn arbeiten will, ist irgendwie selber schuld, wenn er keinen Job findet.

Dementsprechend ging die Gewerkschaft Verdi auf die Barrikaden. Sie warf der Arbeitsagentur vor, „skandalöses Lohndumping im Einzelhandel“ zu unterstützen. Das lässt sich die Bundesagentur für Arbeit nicht gefallen. Niedrige Löhne im Handel nehme man nicht „distanzlos hin“. Aber: „Die Vermittler können sich die gutbezahlten Jobs auch nicht backen“, sagte der Arbeitsmarktexperte Martin Dietz vom Nürnberger Forschungsinstitut IAB dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.

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