Doch auch den Managern in der Obi-Zentrale in Wermelskirchen bei Köln ist klar, dass in München wie in fast allen deutschen Großstädten nur wenige geeignete Flächen für neue XXL-Märkte mit mehr als 15.000 oder gar 20.000 Quadratmetern zur Verfügung stehen. In den Innenstädten werden entsprechende Neubauten von den Ämtern weder genehmigt noch sind die Flächen bezahlbar. Zugleich sind immer weniger Kunden bereit, eine Tagestour ins Umland auf sich zu nehmen, um einen neuen Rasentrimmer zu erstehen. So dürfte München für Obi nun zu einer Art Experimentierfeld werden.
Gepflegte Online-Abstinenz
International stünden "Konzepte für kleinere Innenstadtfilialen und die Verbindung mit Online-Angeboten" bereits auf der Agenda vieler Baumarktbetreiber, sagt Experte Niklas Reinecke vom Handelsinformationsdienst Planet Retail in Frankfurt. Ein hohes Tempo legt dabei der britische Kingfisher-Konzern mit seinem Screwfix getauften Format vor. In den mitten in Innenstädten gelegenen Screwfix-Filialen werden vor allem Kunden beraten und Bestellungen abgewickelt, nur ein Teil der Ware ist sofort verfügbar. Der Rest kann im Laden oder online geordert werden. 2012 öffneten 60 neue Screwfix-Filialen in Großbritannien, 50 weitere sind für 2013 geplant und auch in Deutschland soll das Konzept starten, zunächst mit vier Läden.
Für geeignet hält Kingfisher-Chef Ian Cheshire dafür Märkte aus dem Praktiker-Portfolio. "Wir werden Praktiker nicht kaufen, aber wir würden sehr gerne Filialen in Absprache mit den Vermietern übernehmen", sagt der Manager. Für die Expansion nimmt Cheshire sogar Ärger mit dem Hornbach-Konzern in Kauf, an dem Kingfisher als Großaktionär mit 25 Prozent beteiligt ist. Bei Hornbach ziehen die Briten nun ihre Vertreter aus den Aufsichtsgremien zurück.
Wann die deutschen Screwfix-Märkte starten, ist noch offen. Online-Bestellungen liefert der Kingfisher-Ableger aber bereits heute nach Deutschland aus.
Damit ist die britische Kette weiter als manch heimischer Anbieter. Selbst Bauhaus, die Nummer zwei in Deutschland, hat in Sachen E-Commerce bis dato nichts zu bieten, soll aber seit Monaten an einer Lösung werkeln. Auch die Rewe-Tochter toom übt sich in Online-Abstinenz. Das soll auch so bleiben: Die Einführung eines Online-Shops sei „kurzfristig nicht in Planung“, sagt eine toom-Sprecherin.
Derweil wildern Online-Anbieter munter weiter im Baumarktrevier. Ketten- sägen und Schwingschleifer gibt's bei dem Elektrohändler Redcoon. Amazon verkauft Rasenmäher. Und Buchhändler Weltbild hat längst auch Zangensets und Schnellspannzwingen im Programm. Statt den Baumärkten den Verkauf von Rigipsplatten und Stahlbeton streitig zu machen, ergänzten Online-Händler ihre Angebote schlicht um margenstarke Technikartikel und Werkzeuge. Und das ist erst der Anfang.
"Da kommt jetzt richtig Schwung rein", sagt Hagebau-Manager Kächelein. Anders als das Gros der Branche ist Hagebau über ein Gemeinschaftsunternehmen mit Otto seit 2007 im Online-Geschäft aktiv. Kächelein: "Wir stehen gerade erst am Beginn einer extremen Marktveränderung."