Hugo Boss, Ralph Lauren und Co. Wie der Outlet-Boom die Modebranche umkrempelt

Hugo Boss investiert massiv in sein Factory Outlet. Für die Modeindustrie ist das Geschäft längst ein wichtiger Absatzkanal – mit gefährlichen Nebenwirkungen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der Modekonzern investiert einen zweistelligen Millionenbetrag in das neue Center. Quelle: Hugo Boss

Düsseldorf, Metzingen Bisher versteckt sich Hugo Boss in der Outlet-City in Metzingen. Wer sich der Shoppingmeile nähert, sieht zuerst Geschäfte von Armani und Gucci bis Dolce&Gabbana. Nur der Laden von Hugo Boss, des ersten Fabrikverkaufs des Städtchens nahe Reutlingen, liegt versteckt in einer Seitenstraße. Er wurde immer wieder erweitert und immer verschachtelter – Kunden finden sich nur mit Mühe zurecht.

Aber damit wird bald Schluss ein. Denn mit einem symbolischen Spatenstich hat Hugo Boss in dieser Woche einen Neubau mit einer auffallenden, kühn geschwungenen, schwarzen Fassade gestartet. Mit dem neuen Megastore will Deutschlands größter Herrenschneider wieder die Nummer eins in einer der wichtigsten deutschen Outlet-Destinationen werden. Und so will Boss davon profitieren, dass viele Modekäufer in Deutschland zwar gerne Kleider, Röcke und T-Shirts von bekannten Marken kaufen – aber nur dann, wenn sie kräftige Rabatte erhalten.

Boss lässt sich seinen Mega-Outlet-Store einen „deutlich zweistelligen Millionen-Euro-Betrag“ kosten. Mehr wollte Vorstandschef Mark Langer auch vor kurzem bei der Bilanzvorstellung des Modekonzerns nicht verraten.

Künftig will Boss mit moderner Architektur, einem eigenen Café und einer besseren Präsentation der Anzüge und Freizeitkleidung bei den immer internationaleren Kunden punkten. Jedes Jahr kommen über 3,5 Millionen Besucher in die Outlet-City Metzingen.

Alleine an einem Montag im Mai vergangenen Jahres brachten 70 Busse rund 3000 chinesische Touristen in die Shoppingmetropole in der schwäbischen Provinz. Sie lassen sich von Preisnachlässen bei aktueller Ware von rund 20 Prozent locken. Bei Vorjahresmodellen liegen die Rabatte auch mal über 50 Prozent.

Der neue Mega-Laden von Boss soll das Flaggschiff aller Outlet-Stores des Konzerns weltweit werden. Auch das bisherige Outlet war schon der Boss-Laden mit dem größten Umsatz im Konzern. Über die Höhe schweigt sich Boss allerdings aus. Das Unternehmen nennt auch nicht die Zahl aller seiner Schnäppchen-Geschäfte auf der Welt und auch nicht deren Anteil am Gesamtumsatz von 2,7 Milliarden Euro im vergangenen Jahr.

Dennoch ist klar: Der Absatzkanal ist bedeutend. Und Experten gehen davon aus, dass nicht nur überschüssige Ware dort verkauft wird, sondern auch extra für diese Vertriebsschiene produziert wird.

Das bisherige Outlet-Center von Boss war schon lange nicht mehr zeitgemäß. Seit zehn Jahren wollte Hugo Boss schon einen Neubau. Aber erst nachdem der traditionsreiche Tuchfabrikant Gaenslen & Völter im Jahr 2010 in Insolvenz ging, wurde eine passende Fläche frei.

Durch eine langwierige Genehmigungsphase verzögerte sich die Umwandlung der Industriebrache in ein neues Stadtviertel um Jahre: Dort soll es insgesamt sechs Fabrikverkäufe, Flanierzonen und viel Grün geben. Im Herbst kommenden Jahres soll alles fertig sein.

Einige Jahre hat sich auf dem Markt für Factory Outlets in Deutschland wenig getan. Stattdessen waren vor allem große Shopping-Center gefragt, in denen sich alle gängigen Marken von H&M über Zara bis S.Oliver tummeln. Doch da ist der Markt in vielen Regionen Deutschlands inzwischen gesättigt. Viele Shopping-Center sind sich zu ähnlich, weil sie zum großen Teil die gleichen Modemarken führen.

„Es gibt wieder mehr Bewegung im Markt für Factory Outlets", beobachtet Marco Atzberger, Mitglied der Geschäftsleitung des EHI Retail Institutes in Köln. „Sie haben durch ihre günstigen Preise ein viel klareres Profil als normale Shopping-Center.“

Städte verteufelten die Outlet-Center zunächst

Wie groß der Anteil der Factory-Outlets am gesamten Modegeschäft ist, dazu geben viele Modefirmen keine Zahlen bekannt. „Ich schätze, dass der Anteil am gesamten deutschen Textilmarkt inzwischen bei rund 20 Prozent liegt“, sagt Markenberater Franz Maximilian Schmid-Preissler. Das ist viel. Das entspricht zu Nettopreisen einem Umsatz für Textilien und Schuhe von geschätzten rund acht Milliarden Euro in Deutschland.

Wenn auch viele Modemarken keine Details zu diesem Geschäft nennen, so ist es doch zu einer ganz normalen Vertriebsschiene der Textilbranche geworden. Factory Outlets sind ursprünglich aus der Not heraus geboren worden, um überschüssige Textilien abzusetzen. Es ging um Hemden, Hosen oder Jacken, die sich weder im regulären Geschäft noch im Schlussverkauf am Ende der Saison verkaufen ließen.

Doch daraus ist im Laufe der Jahre ein eigener Geschäftszweig geworden. So betrieb allein die Premium-Freizeitmodemarke Polo Ralph Lauren im vergangenen Jahr 278 Outlets weltweit. Marktbeobachter schätzen, dass der US-Modekonzern schon rund 30 bis 40 Prozent seines Umsatzes mit Outlets erzielt.

Wenn die Marken auch diese Verkaufsmöglichkeit längst als festen Teil ihrer Strategie nutzen, birgt sie doch eine Gefahr. „Die Modemarken müssen dafür sorgen, dass sie im normalen Einzelhandel ausreichend vertreten sind, um ihre Marken-DNA zu verteidigen“, sagt Berater Schmid-Preissler. Marken mit einem schwachen Profil könnten durch zu viele Outlets ihren Namen ruinieren.

Früher haben sich vor allem viele Städte gegen den Bau von Outlet-Centern gewehrt, weil sie diese als Gefahr für den Einzelhandel in den Innenstädten sahen. Doch die Meinung der Kommunen hat sich geändert. „Inzwischen kämpfen Städte wie Remscheid oder Wuppertal angesichts des Ladensterbens darum, mit solchen Angeboten Umsatz aus bis zu 150 Kilometer Entfernung in ihre Stadt zu ziehen“, sagt Marco Atzberger vom EHI Retail Institute.

Darüber hinaus nutzen viele Marken neue Outlet-Vertriebsschienen, um ihre Läger zu räumen. So hat der US-Konzern TJX Companies in Deutschland bereits 121 Läden seiner Kette TK Maxx eröffnet, die mit Rabatten von bis zu 60 Prozent wirbt. Vor kurzem feierte auch die fünfte Filiale von Saks Off 5th in Bonn Premiere. Damit versucht der kanadische Konzern HBC, Eigentümer der Warenhauskette Kaufhof, sein Erfolgskonzept aus Nordamerika in Deutschland durchzusetzen. Dort verkauft er Premiummarken rund 60 Prozent unter dem offiziellen Neupreis.

Gleichzeitig versuchen andere Textilketten, auf den Billig-Trend mit eigenen Konzepten zu antworten. So hat H&M die Vertriebslinie Afound angekündigt. Dort will der schwedische Moderiese eigene und Fremdmarken zum Schnäppchenpreis anbieten – ein Modell, das dem von TK Maxx ähnelt.

„Afound wird eine neue Form der Off-Preis-Erfahrung anbieten“, kündigte Fredrik Svartling, Managing-Direktor von Afound, schon einmal an. Die neue Vertriebslinie soll noch in diesem Jahr mit einem Online-Shop und dem ersten stationären Laden in Stockholm starten. Sie setzen darauf, dass der Markt für Off-Preis-Läden und Factory-Outlets weiter wächst.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%