Peter Schmidt-Fischer liebt die strengen US-amerikanischen Passkontrollen. Was vielen Touristen einen Schauder über den Rücken jagt, bescherte dem Unternehmer jüngst einen Motivationsschub. Als er im Sommer in die USA reiste, habe ihn der Passbeamte nach dem Grund seines Aufenthalts gefragt. Er sei im Urlaub, habe er geantwortet, und außerdem einer der Besitzer von Hummel. Das sagte dem gestrengen US-Grenzer etwas: „Oh, I know Hummel figurines – we have them at home.“
Es sind kleine Erfolge wie dieser, die Schmidt-Fischer Mut machen. Ein Jahr nach der Insolvenz des bekannten Herstellers der kitschigen Schmuckfigürchen sieht er das kleine Unternehmen aus Oberfranken auf einem guten Weg: Der Umsatz steigt 2014 auf vier Millionen Euro, unterm Strich bleibt wieder ein Gewinn, Hummel stellt neue Mitarbeiter ein, denkt intensiv über China nach und will gar in Hollywood eine TV-Serie produzieren lassen.
Einst Exportschlager aus Franken
Jahrelang waren die kleinen Porzellan-Wiedergänger von meist bezopften Mädchen und rundköpfigen Jungen mit großen Kulleraugen ein beliebter Exportartikel made in Germany. Grundlage für die Figürchen waren Zeichnungen von Berta Hummel, die Ende der Zwanzigerjahre Kinder beim Spielen beobachtete und liebevoll aufs Papier bannte.
Die Bilder der ehemaligen Kunststudentin, die 1931 im Alter von 22 Jahren beschlossen hatte, ins Kloster zu gehen, und sich den Franziskanerinnen im baden-württembergischen Sießen anschloss, entdeckte der fränkische Fabrikant Franz Goebel in den Dreißigerjahren. Nach Hummels Vorlagen und mit Erlaubnis des Klosters ließ Goebel Steingutfiguren fertigen. 1935 präsentierte er diese auf der Leipziger Frühjahrsmesse.
Die naive Kindertruppe mit ihrem Heile-Welt-Charme fand nicht nur Fans in Deutschland, sondern vor allem in den USA. Hunderttausende sammelten die Figuren, von denen im Laufe der Zeit rund 400 entstanden. Ein Teil der Verkaufserlöse floss stets an das Kloster. Zeitweise soll in jedem zweiten deutschen Haushalt eine Hummel-Figur gewohnt haben.
Heile-Welt-Charme
Aber vor allem Sammler in den USA fuhren auf die Knäb- und Mädelein ab und gründeten 1977 einen Fanclub, der zeitweise 200.000 Mitglieder zählte. Allerdings ebbte nach der Jahrtausendwende die Nachfrage nach den naiven Kerlchen spürbar ab. Ende Oktober 2008 stellte Goebel die Herstellung der Hummel-Figuren wegen fehlender Wirtschaftlichkeit ein. Wer den Steingutmädchen bis dato treu geblieben war, sorgte sich schon um die fehlende Erweiterung seiner Sammlung.
Anfang 2009 übernahm Jörg Köster, Geschäftsführer der Höchster Porzellan-Manufaktur, mit Investoren die Rechte an Design, Produktion und Vertrieb der Figuren und führte den Betrieb unter dem Namen Manufaktur Rödental fort. Doch im August 2013 meldete auch Köster Insolvenz an. Grundsätzlich hatte Hummel mit einem überalterten und rückläufigen Kundensegment zu kämpfen. Der Mitgliederbestand im Hummel-Club schwand in Europa wie in den USA. Hinzu kamen hausgemachte Probleme: In den Staaten stieß den Fans sauer auf, dass in Asien vorproduzierte Ware an die Clubmitglieder geliefert wurde; der Umsatz schrumpfte. Außerdem soll es im Vertrieb gehakt haben – zu lange war das US-Geschäft gut gelaufen, eine Strategie für Europa oder Asien fehlte.
Einer von Kösters Geldgebern war Schmidt-Fischer. Der hatte im April 2013 über seine schweizerische PSF Holding einen mittleren sechsstelligen Betrag als Brückenfinanzierung in die Hummel-Truppe investiert. Köster hatte im Zuge seiner Kapitalsuche nach Eigen- und Fremdkapital bei der Frankfurter Finanzberatung First Capital Partners nachgefragt. Schmidt-Fischer war dort bis 2011 Geschäftsführer und zählt bis heute zum Gesellschafterkreis. Nach der Insolvenz stieg er als einziger Hummel-Gläubiger erneut ein und packte gleich selbst mit an.
Er sah Potenzial in der Pleitefirma: „Hummel ist eine der bekanntesten deutschen Marken im Ausland.“ Immerhin hat der US-Fanclub noch 15.000 Mitglieder, im Rest der Welt kommen weitere 10.000 hinzu. Statt sich zur Ruhe zu setzen, bezog der 64-Jährige daher im Oktober 2013 ein Büro am Produktionsort in Rödental.
Hummel setzt auf den asiatischen Markt
Zusammen mit Geschäftsführer Peter Kapitza, der im niedersächsischen Buchholz die Unternehmensberatung CAP betreibt, arbeitet er daran, Hummel auf neue Füße zu stellen. Für den wichtigen US-Markt etwa hat das Duo einen neuen Vertriebspartner an Land gezogen, der auch Anteile am Unternehmen erwarb.
Gnome aus Germany
Neu sortiert hat Kapitza, der 2006 noch für das Medienunternehmen EM.TV die Lizenzrechte an der Fußball-WM in Deutschland vermarktet hatte, auch die Lizenzen an den handbemalten Figuren und den Vorlagen, einem der „strukturellen Probleme“ in den Vorjahren. Mit dazu gehört auch ein Vertrag mit Alfred Hummel, dem Neffen der Zeichnerin. Er verfügt über Lizenzrechte an Werken, die vor ihrer Zeit im Kloster entstanden waren.
Kapitza hofft nun, auch neue Käuferschichten für die Schmunzel-Gnome begeistern zu können, Touristen auf Deutschland-Tour etwa. „Wir müssen zurück in den Fachhandel und dort Präsenz zeigen“, sagt Kapitza. Von 2015 an will er mit dem Rezept zudem China erobern – ausgerechnet im Land der Porzellanhersteller soll die Steinguttruppe Kunden gewinnen. „Handmade in Germany ist in China eine Prestigefrage“, hofft Kapitza, „gerade für die schnell wachsende Mittelschicht.“ Locken will er die Kundschaft mit Einstiegspreisen von knapp 20 Euro. So viel kostet die preiswerteste und mit vier Zentimetern kleinste Figur, ein Lämmchen.
Limitierte Meisterstücke können dagegen schon mal so viel kosten wie ein kleines Auto – bis zu 16 500 Euro. Sonst kosten die bis zu 80 Zentimeter großen Figuren zwischen 139 und 1500 Euro. In Asien, sagt Kapitza, seien vor allem große Figuren ab 1000 Euro gefragt. Dies habe sich bereits in Hongkong gezeigt. Der dortige Distributor gehört zu den größten Vertriebspartnern der Manufaktur.
Die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen
China ist der nach Frankreich und den Niederlanden der größte Handelspartner Deutschlands. 2013 wurden Waren im Wert von mehr als 140 Milliarden Euro ausgetauscht. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) geht davon aus, dass China in etwa zehn Jahren zum Handelspartner Nummer eins aufsteigen wird.
Die Exporte nach China summierten sich 2013 auf rund 67 Milliarden Euro. Exportschlager sind Maschinen, Fahrzeuge und chemische Produkte. Für Unternehmen wie Audi ist China bereits der wichtigste Absatzmarkt.
Die Chinesen schickten 2013 Waren im Wert von gut 73 Milliarden Euro hierher und damit etwa viermal so viel wie 2000. Vor allem Computer, Handys und Elektronik liefert der Exportweltmeister nach Deutschland. Weitere Verkaufsschlager sind Bekleidung und elektrische Ausrüstungen.
Mehr als 26,5 Milliarden Euro haben deutsche Unternehmen bislang in China investiert. Etwa 4000 Firmen sind dort aktiv. Allein 2012 stiegen die deutschen Investitionen in der Volksrepublik um 28,5 Prozent auf 1,45 Milliarden Dollar. Umgekehrt zieht es immer mehr Chinesen nach Deutschland. 98 Unternehmen siedelten sich 2012 hierzulande neu an - China ist damit Auslandsinvestor Nummer drei, nach den USA und der Schweiz. 2000 Unternehmen sind inzwischen hier ansässig.
Angst vor asiatischen Plagiaten treibt Kapitza nicht um: „Wir mischen die mehr als 100 Farben für die Figuren komplett selbst. Die können nicht so schnell kopiert werden.“ Deshalb steht es für ihn auch außer Frage, woanders als in Rödental zu produzieren. Seit der Insolvenz vor einem Jahr habe er dort bereits 17 neue Mitarbeiter eingestellt, darunter fünf Auszubildende.
Bereits 45.000 Figuren hätten die 60 Mitarbeiter im ersten Jahr unter neuer Leitung gefertigt. Die Auftragsbücher seien gut gefüllt. Mit einem Umsatz von vier Millionen Euro liegt Hummel zwar unter dem Niveau vor der Insolvenz, als der Erlös 5,5 Millionen Euro betragen hatte. Doch immerhin schreibe das Mini-Unternehmen wieder schwarze Zahlen – und will weiter wachsen: „Wir wollen 2015 den Vorjahresumsatz weltweit erneut um 25 Prozent steigern“, sagt Kapitza.
Sorgen bereitet den Franken allerdings weiter der Käufernachwuchs. Deshalb will Hummel mit einem Animationsfilm die Figuren zum Leben erwecken. In Hollywood heuerten die Gesellschafter dazu eigens einen Drehbuch-Schreiber an und wollen nun mit ihrem US-Vertriebspartner den Film realisieren. Schmidt-Fischer schwebt eine TV-Serie mit bis zu sechs Folgen vor. Die könnten zunächst auch auf der Internet-Plattform YouTube-Serie laufen, die Gesellschafter beraten darüber noch.
Zur Strategie gehört auch die jüngere Hummel-Generation. Deshalb tingelt Veronika Hummel, die Großnichte der Künstlerin, durch US-Shoppingsender und führt dort die neuesten Kreationen vor. Stilecht im Dirndl, wie es die US-Kunden vermutlich erwarten, sitzt sie im Studio und erzählt von Tante Berta. „Hummelfiguren sind ein emotionales Thema“, meint sie, „wir müssen die Herzen der Menschen berühren.“