H&M Gewinneinbruch nach dem Rassismus-Skandal

Eine missglückte Werbekampagne und der zunehmende Onlinehandel machen dem schwedischen Moderiesen H&M zu schaffen. Der Gewinn geht deutlich zurück. Nun will der Chef die dringend benötigte Trendwende einleiten.

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In Johannesburg protestieren mehrere Demonstranten gegen H&M, nachdem der Konzern einen Kinderpullover mit der Aufschrift „The coolest monkey in the jungle“ mit einem schwarzen Jungen beworben hatte. Quelle: Gallo Images/Getty Images

Stockholm Die schlechten Nachrichten für den schwedischen Moderiesen H&M reißen nicht ab: Nach einer umstrittenen Werbekampagne und den darauf folgenden Rassismus-Vorwürfen kämpft der Konzern nun mit einem Kundenschwund. „2017 war eine Enttäuschung“, gab H&M-Chef Karl-Johan Persson unumwunden zu, als er am Mittwoch in Stockholm die Zahlen für das vierte Quartal präsentierte. 4,9 Milliarden Kronen (500 Millionen Euro) betrug der Vorsteuergewinn, ein Drittel weniger als noch im Vorjahresquartal. „Wir haben im vierten Quartal einige Fehler begangen“, so Persson.

Zu diesen Fehlern zählte nicht nur eine völlig missglückte Werbekampagne mit einem schwarzen Jungen, der einen Kapuzenpulli mit der Aufschrift „Coolest Monkey in the Jungle“ trug. Der Konzern sah sich massiven Rassismus-Vorwürfen ausgesetzt. Da half auch nichts, dass der beworbene Pulli sofort aus dem Programm genommen wurde und sich H&M öffentlich entschuldigte. Der Schaden war geschehen, und Prominente wie der US-Sänger The Weeknd kündigten ihre Zusammenarbeit mit H&M auf. Doch auch abgesehen von dem Werbe-Debakel lief es nicht rund. „In unserem Sortiment gab es einige Fehler“, erklärte Persson.

Vor allem macht dem nach der spanischen Inditex-Gruppe (Zara, Massimo Duti) zweitgrößten Modehändler der Welt ein verändertes Kaufverhalten der Kunden zu schaffen. Die zumeist jugendlichen Käufer bevorzugen Online-Shopping. „Der Trend geht in der Modebranche zum Online-Handel“, sagt ein Analyst, der H&M seit Jahren beobachtet. „Und in diesem Bereich haben sie Defizite.“ Tatsächlich hat sich der Konzern erst recht spät dazu durchgerungen, stärker auf das Geschäft im Internet zu setzen. Derzeit ist H&M auf insgesamt 69 Märkten vertreten, doch nur in knapp 40 Ländern können die Kunden auch online shoppen.

H&M-Chef Persson wies in Stockholm allerdings den Vorwurf zurück, sein Unternehmen habe den Online-Trend verschlafen. „Wir liegen bei der Digitalisierung nicht zurück, aber wir haben unsere physischen Geschäfte nicht verbessert“, erklärte er und kündigte einen umfassenden Umbau an. Außerdem wird H&M im laufenden Jahr insgesamt zwar 170 Läden schließen, aber auch 390 neue Geschäfte eröffnen. Der Zuwachs von 220 Läden zeige, dass man weiter an physische Läden glaube, teilte H&M mit.

Zusätzlich zu neuen Geschäften plant H&M, ab März Teile seine Kollektion auch über Internet-Händler wie die chinesische Online-Plattform Tmall zu verkaufen. Tmall gehört zum größten chinesischen Internet-Händler Alibaba. Außerdem wird H&M 2018 zunächst nur in Schweden eine neue Marke lancieren: Bei „Afound“ können Kunden wie in einem Outlet reduzierte Kleidung von H&M, aber auch von anderen Marken kaufen. Ein erstes Afound-Geschäft wird noch in diesem Jahr in Stockholm eröffnet. Auch ein Afound-Online-Shop geht im Laufe des Jahres in Schweden an den Start. 

Hatte H&M über Jahre hinweg ein Quasi-Alleinstellungsmerkmal – günstige Mode für Jedermann – ist in den vergangenen Jahren die Konkurrenz gewachsen. So hat Zara aus Spanien die Schweden längst beim Umsatz und Gewinn überholt. Und auch der Billiganbieter Primark und die japanische Uniqlo haben mächtig aufgeholt. H&M reagierte auf die neuen Konkurrenten mit einigen neuen Marken: Mit COS, & other stories, Weekday, Monki und Cheap Monday haben die Schweden bereits Marken, die sich an ganz spezielle Kundengruppen richten. Im vergangenen Jahr kam „Arket“ hinzu.

Bislang können Kunden die qualitativ höherwertige Arket-Mode und Einrichtungsaccessoires in sechs Ländern in Geschäften kaufen, Online steht das Angebot sogar in 18 Ländern zur Verfügung. In diesem Jahr ist neben „Afound“ auch die Eröffnung von „Nyden“ geplant. Die neue Marke richtet sich vor allem an junge Leute, die – so verspricht es H&M – über soziale Netze Einfluss auf das Angebot nehmen können. „Nyden“ wird es nur Online geben.

Analysten in Stockholm unterstrichen am Mittwoch, dass die gesamte Modebranche derzeit mit ähnlichen Problemen wie H&M kämpft. Vor allem die jüngere Kundschaft bestellt Kleidung lieber Online bei Zalando oder Amazon, anstatt die physischen Geschäfte zu besuchen. Deshalb sei es richtig, mit „Afound“ und „Nyden“ diesem Trend zu begegnen, sagte Postnord-Analystin Carin Blom der Wirtschaftszeitung „Dagens Industri“: „Es ist ein Schritt in die richtige Richtung.“ Allerdings sei die Konkurrenz mit Amazon und Zalando sehr groß.

Die H&M-Aktionäre hatten in den vergangenen Monaten wenig Grund zur Freude. Im vergangenen Jahr verlor die H&M-Aktie rund ein Drittel ihres Wertes. Und die Talfahrt setzte sich auch im Januar fort: Am Mittwoch verlor das Papier nach der Präsentation der Quartalszahlen rund sieben Prozent. Die Analysten von Carnegie in Stockholm empfehlen deshalb einen Verkauf. Der Druck auf die H&M-Aktie erhöhte sich am Mittwoch auch aus einem anderen Grund: Das Unternehmen erwägt, den Aktionären die Möglichkeit zu geben, die gegenüber dem Vorjahr unverändert gebliebene Dividende von 9,75 Kronen in neu auszugebene Aktien zu investieren. Ein endgültiger Beschluss ist noch nicht gefasst. Einziger Lichtblick für die H&M-Aktionäre ist derzeit, dass der Konzern seine Gewinnmarge leicht erhöhen konnte. Außerdem hat H&M-Chef Persson seine Prognose für das laufende Jahr nach oben revidiert: Er geht von einer Erholung in der zweiten Jahreshälfte aus. 

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