Hype um Fidget Spinner Warum Spielzeugtrends nicht planbar sind

Kein Spielzeug-Experte hatte ihn auf dem Plan - trotzdem wollten den Fidget Spinner plötzlich alle. Die aus den USA herübergeschwappte Welle machte einmal mehr klar: Auf dem Spielwarenmarkt sind Hypes nicht planbar.

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Fidget Spinner: erst unbeachtet, dann plötzlich der Renner auf dem Schulhof. Quelle: REUTERS

Es war wie so oft bei den Spielwaren-Supertrends: Erst lag die Ware kaum beachtet im Regal, „dann gingen die Umsätze plötzlich durch die Decke“. Inzwischen haben Bundesbürger, so berichtet Willy Fischel vom Bundesverband des Spielwaren- Einzelhandels (BVS), weit mehr als eine Millionen Euro für sogenannte Fidget Spinner ausgeben. Die Mischung aus Handschmeichler, Propeller und Ninja-Wurfstern ist der Spielwaren-Sommertrend 2017 - und auf deutschen Schulhöfen ein Muss.

Fischel zeigt sich über die aus den USA nach Deutschland schwappende Fidget-Spinner-Welle begeistert. „Das ist ein Sommermärchen für Kids und den Spielwareneinzelhandel“, schwärmt der Branchenexperte. Denn der Handkreisel sei ein Mitnahmeprodukt, das für Zusatz-Umsatz sorge, ohne dass er den Umsatz anderer Produkte kannibalisiere. So etwas gebe es nur selten.

Andere Branchen-Fachleute freuen sich ebenfalls über die gut laufenden Geschäfte mit den überwiegend in China produzierten handtellergroßen Fidget Spinnern, was frei übersetzt so viel wie Zappel-Kreisel heißt. Der Name spielt auf die angebliche beruhigende Wirkung des Kreisels bei hyperaktiven Kindern und Jugendlichen an. Einen hohen Spielwert haben die „Spinner“ nach Einschätzung von Fachleuten allerdings nicht.

Der Hype offenbart einmal mehr die Unberechenbarkeit des Spielwarenmarkts: Noch bei der Nürnberger Spielwarenmesse im Februar hatte kein Trendscout oder Marktforscher den Fidget Spinner auf dem Plan. Spielwaren-Trendforscher Axel Dammler vom Münchner Marktforschungsunternehmen iconkids@youth räumt offen ein, nie mit dem Erfolg der Kreisel gerechnet zu haben: „Das Ding kann eigentlich außer Drehen nichts. Da steckt keine Tiefe drin.“

Als Mitglied des Trend-Komitees der Spielwarenmesse, das alljährlich Prognosen für Spielwaren mit Trendpotenzial abgibt, kennt Dammler die Unkalkulierbarkeit des Spielwarenmarkts. Er weiß, dass Supertrends nicht in den Marketing-Laboren der Spielwaren-Konzerne entstehen, „sondern aus dem Nichts kommen“. Der Fidget Spinner sei das beste Beispiel dafür: „Für den gibt es weder eine Marketingkampagne noch einen Masterplan. Da wurde einfach drauf los produziert.“

Nach Erfahrung des Marktforschers spielen Trends in fast keiner Produktgruppe so eine große Rolle wie bei Spielwaren. Das sei kein Zufall: „Kinder und Jugendliche sind bis zum Alter von 14 bis 15 Jahren sehr konsens- und gruppenorientiert. Spielzeug hat da eine extrem integrative Funktion: Wenn plötzlich meine Clique auf dem Schulhof Fußballbilder sammelt, muss ich das auch machen, um dazuzugehören - und schon ist ein Trend da“, sagt Dammler.

Ganz ähnlich sieht das der Geschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Spielwarenindustrie (BVS), Ulrich Brobeil. „Da wird irgendwo auf einem Schulhof eine kleine Flamme entfacht, da findet einer so einen Fidget Spinner cool und dann wollen ihn andere auch. Und schon wird daraus ein großes Feuer.“ Das sei bei dem Handkreisel nicht anders als bei den farbigen, häkelbaren „Loombands“ und dem Kampfkreisel „Beyblade“ - den Hypes der vergangenen Jahre.

Branchenkenner Marek Jankowsky sieht solche meist kurzlebigen Produkt-Hypes allerdings zwiespältig: „Einerseits ist es großartiger Umsatzbringer. Andererseits sind solche Trends wegen ihrer Kurzlebigkeit hoch riskant“, erläutert der Spielwaren-Trendscout. „Solche Super-Trends werden ja meist in China produziert. Wenn ich Pech habe, bekomme ich Ware erst, wenn der Hype bereits zu Ende ist.“

Dass sich solch kurzlebige Hypes planen lassen, bezweifelt auch Uwe Weiler, Marketing-Geschäftsführer beim Fürther Spielwarenhersteller Simba Dickie („Bobby Car“). Langlebige Trends ließen sich hingegen mit einem Gespür für die Bedürfnisse von Kids durchaus schaffen. Bewiesen habe sein Konzern das mit dem „Glibbi“, einem farbigen Pulver, das Badewasser in Minutenschnelle in glibberigen Schleim verwandelt.

Als Simba-Dickie-Chef Michael Sieber das Produkt zum ersten Mal sah, war er sofort überzeugt: „Das könnte ein Renner werden.“ Die Firma erwarb die Mehrheit des britischen Herstellers und investierte stark in Produktion und Marketing. Youtube-Bloggerin „Bibi“ rührt mit ihren Videos die Trommeln für das Produkt. Die Folge: Der „Glibbi“-Umsatz wuchs von 2015 bis 2016 um 90 Prozent. 2016 legte er um weitere 30 Prozent zu.

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